|
[305] Der Hirt Halton hebet an.
Schöner Damon/ zung der hirten/
Der auff deinem holen halm/
Wan wir vnser herden schmierten/
Hast erpfiffen manchen palm:
Vns in reymen lasset zwingen
Daphnis wunden rosen-roth/
Laßt im holen thal erklingen
Seine marter seinen todt.
[305] Damon.
Frommer Halton hoch gepriesen/
Der zum ersten sommerglantz
Hast ergeiget auff den wiesen
Manchen schmucken lorber-crantz/
Lasset jenes Creutz vmb-ringen/
Ehren/ den die welt verspott;
Laßt von gantzem hertzen klingen
Daphnis aller hirten Gott.
Halton.
Weil ein schäfflein vnbeschoren/
Außer der gemeinen zucht/
In der wüsten gieng verlohren/
Es der Daphnis wider sucht.
Er im felde mir begegnet/
Trug es auff der schulter sein:
War in warheit starck beregnet/
Voller frewden/ voller pein.
Damon.
Daphnis war gar müd geloffen/
Auch er mir entgegen kam;
Wär im regen schier ersoffen/
Leint an einen eichen-stamm.
Er das thierlein je noch truge/
Seufftzet manchen seufftzer tieff;
Er gen himmel d' augen schluge/[306]
Ach mir helffet/ helffet/ rieff.
Halton.
Alß ich newlich auff der reysen
Ware worden müd vnd matt/
Mich der Daphnis thäte speisen;
Vnd von früchten machet satt.
Stieg auff einen grünen palmen/
Warff der schönen früchten ab/
Sang zu gleich wol sieben psalmen/
Ich mit lüsten gessen hab.
Damon.
Alß ich newlich auff der reysen
Wolt zum weinhauß kehren ein/
Thät man mich zur herberg weisen/
Hieß zum rothen lämmelein/
Auff dem schilde stund gemohlet
Daphnis in der kelter sein.
Jeder dort zu trincken holet/
O was roth- vnd guter wein!
Halton.
Wan der sommer wider-kehret
Vnd klopfft an zur grünen thür/
Er mit blumen sich vermehret/
Rothe rosen gahn herfür:
Fünff der besten schon bey zeiten
Daphnis hat gebrochen ab/[307]
Thut ein schmücklein drauß bereiten/
Welches vns in schwachheit lab.
Damon.
Daphnis deine rothe rosen
Werff von deinem Creutz herab:
Wan die welt mir lieb-wil kosen
Darff ich solcher blumen gab.
Daphnis deine rothe rosen/
Dein so schöner blumen-strauß
Allen krafft- vnd leben-losen
Hilfft auß aller schwachheit auß.
Halton.
Wie der sommer sich bestecket
Mit auch kleinen blümelein;
Also Daphnis sich bedecket
Mit auch kleinen röselein.
Von der schaitel/ zu den füssen
Sie dan stehn in voller blut;
Rings herumb den lufft versüssen/
Mit geruch/ vnd athem gut.
Der Damon.
Hin vnd wider auff den wiesen
Alles voller dörnen war:
Schäfflein/ so nit vnderwiesen
Sich verletzten immerdar:
Daphnis liesse sichs erbarmen/[308]
Macht ein große bürden drauß/
Jhn die liebe gundt erwarmen
Trugs auff seinem haupt herauß.
Der Halton.
Sich die dörner han gerochen/
Haben jhn verwundet gantz:
Doch die rosen er hat brochen/
Drauß gemacht ein ehren-crantz.
Schaw nun er gar zierlich pranget
Mit gedörnter blumen-cron:
Her/ jhr hirten jhn empfanget/
Setzet jhn auff hohen thron.
Der Hirt Damon.
Newlich ab der heissen Sonnen/
Ich den stralen weichen must:
Gleich mich Daphnis führt zum bro en
War mir sonsten vnbewust.
Er auff einem berge spritzet/
Hieß mit nahmen Golgotha:
Weil ich ware gar erhitzet/
Ich mich thät erkühlen da.
Der Hirt Halton.
Auch ich gar erschwachet ware/
Lag an starckem fieber kranck:
Ichs dem Daphnis offenbare/
Der mir mischet einen tranck:[309]
Kaum ich den hett angesetzet/
Kaum gebracht an meinen mund/
Bin in aller eyl ergetzet/
Ja bin worden gantz gesund.
Damon.
Ach nun höret/ laßt euch sagen/
Seht euch für jhr wanders-leuth:
Noch für etlich wenig tagen/
Räuber machten starcke beuth.
Daphnis reiset auch der orten/
Gleich die lose Räuber-schaar
Jhn beraubten/ vnd ermordten/
Schlugen jhn an galgen dar.
Halton.
Wan wir vnser herden scheren/
Vnd entheben jhre woll/
Sie mit nichten klagen/ plären/
Bleiben ohn gemurr/ vnd groll;
Also Daphnis wurd beraubet
Seiner kleider ohne sprach:
Keinem wörtlein Er erlaubet/
Dachte keiner heissen rach.
Damon.
Wan der vnbenandte fresser/
Wan der Metzger vngeschlacht/
Der mit zähnen/ der mit messer[310]
Mir die schäfflein wund gemacht.
Sie dan gar geduldig ligen;
Still vertüschens jhre pein:
Also Daphnis auch verschwigen/
Litt den todt vnd marter sein.
Halton.
Wie die breit gestreckte Falcken/
Hoch in weichem wolcken land/
Also stund an seinem balcken
Daphnis weidlich außgespa t/
Er mit beiden füß- vnd armen
Stund gestreckt in grosser noth/
Ach wen wolte nicht erbarmen/
Daphnis/ dein gespanter todt!
Damon.
Da die purpur-morgenstunde/
Morgen-röthe wolbekendt/
Heut auß jhrem beth erstunde/
Drauff sich tag vnd nacht getrennt/
Sie noch brauchet nit bey weiten
Ein so rothes Rosen-kleid/
Alß man thäte roth bereiten/
Daphnis deine bleiche seit.
Halton.
Auff jhr hirten/ thut errathen/
Wer im lufft genäglet auff/[311]
(O der viel zu frembden thaten)
Doch im tieffen meer ersauff?
Daphnis voller purpur farbe/
Voller wunden/ voll geschwehr/
Hoch zu gleich am galgen starbe/
Starb zu gleich im rothen meer.
Der Damon.
Auff jhr hirten mir auch saget/
Wer ertrinckt im vollen meer?
Vnd doch seinen durst beklaget/
Vnd der feuchte mehr begehr?
Daphnis in den grösten peinen
Doch noch wolte leiden mehr;
Rieff mit seufftzen/ vnd mit weinen/
Ach mich dürstet/ dürstet sehr!
Halton.
Lieber Damon/ wil noch fragen
Wil dan geben auch bescheidt:
Wer thut seine pein beklagen/
Vnd jedoch begierlich leidt?
Daphnis muß für vns bezahlen/
Beisset einen sauren kern:
Vnd doch alle pein/ vnd qualen
Er von hertzen leidet gern.
Damon.
Lieber Halton/ dieser tagen[312]
Sich begab ein wunder that:
Will hinfürter nie verzagen/
Hör dan waß es geben hat:
Mir von einem falben Drachen
Wurd getödt ein Lämlein zart;
Bald es wider gund zu lachen/
Weil es wider lebend ward.
Halton.
Lieber Damon wer wil glauben/
Waß der tagen auch geschehn?
Einen schönen rothen trauben
Ich mit augen hab gesehn;
Ware nunmehr außgepresset/
Von bedingtem kelter-man:
Er doch wider vnder desset
Lieblich fieng zu blühen an.
Damon.
Lieber Halton ich von einem
Thewren vogel hab gehört/
Er an farben weichet keinem/
So man mich nit hat bethört;
Wan schon er in liechter flammen
Sich zu lauter pulver brennt/
Er jedoch auß liechter flammen
Wider zu dem leben wendt.
[313] Halton.
Schöner Damon/ deine reymen
Mir erfrischen muth/ vnd blut:
Wil die geigen süßlich keymen/
Vnd noch spielen eben gut.
Wil nit weichen deiner pfeiffen/
Deinem wolgesti iten ried;
Wil noch manche seiten greiffen/
Ehe man dir daß Cräntzlein biet.
Damon.
Fro ier Halton/ deine geigen
Meinem röhrlein weichet nicht;
Wollest keinen eyffer zeigen/
Wir vnß gleichen im gedicht.
Keiner keinen soll beneyden/
Beyden gleiches lob gebührt;
Gleiches cräntzlein allen beyden
Auch soll werden eingeschnürt.
Ausgewählte Ausgaben von
Trutznachtigall
|
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro