[62] 1.
Was hilfft es uns/ daß wir uns lieben/
Rosille/ Schöne! sag es mir?
daß wir ein stetes seuffzen üben/
und Schmerzen tragen für und für.
Ach Schmerzen! denen keine Wunden/
wie tödtlich sie sind/ gleich sich funden.
2.
So stark kan keine Wunde bluten
rizzt sie die Lebens-adern gleich/
daß nicht ein Heil sey zu vermuhten.
Der Garten ist ja noch so reich
ein edles Blümchen dar zustellen
zu stopffen ihres Schweisses qwellen.
3.
Wer aber hilfft der kranken Seele
die biß auffs Leben steht versehrt?[62]
Der Wund' ob welcher ich mich queele
wird aller Heilung Krafft verwehrt.
Du bist es/ Tod/ der mich entbindet
deß/ worfür man nicht Kräuter findet.
4.
Zwar/ Zeit/ du willst mir was verheissen/
das aber ist zu schlecht für mich.
Du pflegest alles hinzureissen/
liebst Wankelmuht. Ja wenn ich dich
und deinen Flug in einer Kette
beschlossen und umfässelt hätte.
5.
Ich wolte deine Förder-Haare
nicht auß den Händen lassen gehn/
als biß du mir so viel der Jahre
von dem Verhengnüß ließt entstehn/
daß die Vergnügung meiner Sinnen
möcht' ihren süssen Zwekk gewinnen.
6.
Nu bistu flüchtig/ falsch und wilde/
doch wärestu nur flüchtig satt:
wie bald wär' ach! die Wunde milde/
die mir das Leben machet matt.
Es würde noch durch etwas hoffen
die Lindrung meiner Qwaal getroffen.
7.
Verblutet euch ihr grimme Schmerzen/
verblutet Geist und Leben auß.
Gebt Stoß um Stoß dem treuen Herzen
verlasst des Leibs geplagtes Hauß.
O Seele weich! es ist vergebens
ich heile nicht Zeit meines Lebens.
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Ohnerachtet Schande und Laster an ihnen selber verächtlich / findet man doch sehr viel Menschen von so gar ungebundener Unarth / daß sie denenselben offenbar obliegen / und sich deren als einer sonderbahre Tugend rühmen: Wer seinem Nächsten durch List etwas abzwacken kan / den preisen sie / als einen listig-klugen Menschen / und dahero ist der unverschämte Diebstahl / überlistige und lose Räncke / ja gar Meuchelmord und andere grobe Laster im solchem Uberfluß eingerissen / daß man nicht Gefängnüsse genug vor solche Leute haben mag.
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