3. Nacht-last/ Tages-lust

[65] 1.

Die Nacht

die sonst den Buhlern fügt und süsse Hoffnung macht

Die Ruh/

die einem Liebendem sagt alle Wollust zu/[65]

bringt mir nur lauter Schmerzen

und raubet mir das Licht/

das meinem trüben Herzen

des Trostes Straal verspricht.


2.

Der Tag

dem sonst kein Pafos-kind recht günstig werden mag

Die Gluht

der göldnen Strahlen/ die der Venus schaden tuht

Erteilt mir lauter Freuden

und gönnet mir das Glükk

die Augen satt zu weiden

in meiner Liebsten Blikk.


3.

Wenn iezt

Apollens Feuer-gold der Berge Haubt erhizzt

Und nu

die auffgewekkte Welt entsaget ihrer Ruh:

rührt mich Rosillen Wange

mit einem feuchten Kuß'

und dieses währt so lange

biß auff den Hesperus.


4.

So bald

der Sonnen Kerze wird in Thetis Schosse kalt

Laton'

in düstrer Wolken-Lufft führt auff den bleichen Mohn

so weicht mein Licht von hinnen

denn wird mir erst die Nacht

das Kind der Erebinnen

zur rechten Nacht gemacht.
[66]

5

Drum geh

verhaßtes Sternen-Heer gleich nimmer auß der See.

Komm an/

geliebter Lucifer tritt auff Olympens Bahn.

Der Tag der mich so liebet/

soll meine Freude sein.

Die Nacht/ die mich betrübet/

weich' in die Höll' hinein.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 65-67.
Lizenz:
Kategorien: