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[28] 1.
Laß uns/ Kind/ der Jugend brauchen/
weil uns noch die Schönheit blüht:
Wenn die Geister einst verrauchen
und die Todten-farb' umzieht
unser runzlichtes Gesichte:
Wer begehrt denn unsern Kuß?
Nimm sie an der Rosen Früchte/
eh ihr Blat verwelken muß.
2.
Ob die Alten murrisch zanken/
nehmen sie der Freude wahr;
muß man drum mit ihnen krankken?
Nein/ ich acht' es nicht ein Haar.
Sollte der mich Sitten lehren/
der bereit hat außgelehrt?
Denn werd' ich mich auch bekehren/
wenn mein Alter sich verkehrt.
3.
Die besüßten Frühlings-tage
lauffen flügel-schnelle fort/[28]
denn so hilft uns keine Klage/
kein erseufzend Bitte-wort/
sie gedencken nie zurükke:
Was hin ist/ das bleibet hin.
Diß beruht auff einem Blikke/
daß ich froh und traurig bin.
4.
Drum so brauch/ mein Kind/ der Zeiten/
weil die Zeiten grünend sein.
Was uns bleibt sind Traurigkeiten/
gehn uns diese Zeiten ein.
Ey wie plötzlich kömmt die Stunde/
daß uns Kloto in der Eil
schießt die Rosen von dem Munde
durch des Todes Frevel-Pfeil.
5.
So sey mit den Scharlachs-Wangen/
Schöne/ ferner nicht zu teur/
Linder meiner Qwaal Verlangen/
Kühl'/ ach! kühl der Liebe Feur!
Wo von den besüssten Fluhten/
deines Zukker-Mündgens Naß/
mir kein Tau ist zuvermuhten
werd' ich noch vor Abends blaß.
6.
Gib zwey Küßchen/ gib mir eines
soll es ja kein mehres sein/
gib/ mein Schazz/ mir nur nicht keines/
wiltu mich dem Todten-schrein'
auff ein wenigs noch ersparen.
Was nuzzt denn ein kalter Kuß
wenn ich auff der Leichen-Baaren
deiner Reu erst warten muß?
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