7. Barbillchen/ die Zukker-dokke

[157] 1.

Du süßbeliebtes Honig-kind/

Barbillchen/ Labnüß meiner Seelen/

der Indiens süsse Zukker-hölen

an Anmuht nicht zugleichen sind.

Ich wil es/ daß es alle wissen/

warum ich dich so offt muß küssen.


2.

Der Zukker-trozz/ der Nektar-Wein/

der in den göldnen Demant-schaalen

springt bey der Götter Feyermahlen

macht/ daß sie ewig trunken sein/

weil deß Geschmakks/ des Zukker-süssen

sie nimmer mögen satt geniessen.


3.

Dein unverglichner Labsal-Mund

ist solch' ein Nektar meinem Herzen/

für meiner Liebe Wermuht-Schmerzen.

Was auß Hymettens bunten Grund'

am Morgen die bemühte Biene

äzzt ab/ ist deiner Jugend grüne.


4.

Süß ist der göldnen Haare Band/

süß deiner Stirne rund umfangen/

süß die Zinober-rote Wangen/

süß deiner Augen heller Brand.

Dem Lippen-tau/ dem Zukker-reichen

muß süsser Alakant auch weichen.
[158]

5.

Dein Atem süsser/ denn Kaneel/

süß deines Halses schmale Länge/

süß deiner Brüste Perl-gepränge/

süß ihr' Inwohnerinn/ die Seel.

Süß deine Rede/ süß dein Lachen/

dein Schlaffen/ süsser/ ach! dein wachen.


6.

Süß deine Kleider/ süß dein Rokk

das Fuppchen drein ist süß darneben/

du weist/ was du mir drauß gegeben.

Barbillchen/ süsse Zukker-dokk'

Ich schmekke dünkt mich/ noch die Gaben/

die auch die Todten können laben.


7.

Das süsseste/ so an dir ist/

muß ich/ ungerne zwar/ verschweigen/

doch kan es über alles steigen/

was je die Sterblichen versüßt.

Die Süsse/ so es von sich giebet

macht Leib und Geist zugleich verliebet.


8.

Man sagt wol/ daß was süssers nicht

sey/ als der sanffte Schlaaff zufinden?

das kan ich leicht daher entgründen:

als neulich uns verschwandt das Licht/

war mir das wachen also süsse/

daß ich den Schlaaff drum fahren liesse.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 157-159.
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