Des Einsamen Gesang in der großen Wüste

[253] Alles Schöne, das aufblüht im Erdenrund,

Stirbt heut' oder morgen geschwind;

Wo die Rose sich rötet, in selber Stund',

Da tummelt im Schnee sich der Wind.


Was in Lieb' an die Brust ich geschlossen hatt'

Floh hin wie der Woge Schaum,

Wie im stürmischen Herbste Blatt um Blatt

In gelblichen Wirbeln vom Baum.


Einen Freund ich hatt', ich vergoß mein Blut,

Wenn sein Blick es begehrt von mir,

Doch ertrug er nicht meines Herzens Glut,

Sich zu kühlen mußt' er von hier.


Laut weint' ich und rief den Namen sein,

Ja! Der Meinige war er einmal –

Die Erinn'rung an ihn umschloß ich allein,

Da ward eng mir der Weltensaal.


Am Sirenengestade, da hab' ich gekost

Auf der Liebe Rosengrund;

Dort war eine Blume mein Augentrost,

Doch nur eine kurze Stund'.


So herrlich erblühte meine Ros',

Und der Duft lauter Liebe war;

Doch ein Räuber riß die Blätter los

Und ließ mir die Dornenschar.


Und mein Wesen, es ward so stumm und kalt,

Wie wenn Tod mit dem Finger es schlug,

Doch verschmäh' ich den Trost, der aus Tränen wallt,

Man weint ja auf Erden genug.


Matt lächelt mein Aug', wie die Herbstessonn'

Über Küsten einsam und leer,[254]

Die Erde sieht oft neue Lenzeswonn',

Mein Herz weiß vom Lenze nichts mehr.


Doch wenn Himmel und Erde der Sturm aufstört,

Hab' ich noch am Sein meine Lust,

Der, dem nichts auf der Erde angehört,

Er leidet auch keinen Verlust.


Nun geh' ich über den Markt der Welt,

Wo ein Spielzeug ist jede War',

Mein wird nicht die Sonne am Himmelszelt,

Drum begehr' ich nichts mehr immerdar.

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 253-255.
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