43. Aus Tagebuch und Briefmappe

[293] Wenn ich weiter in das Jahr 1893 zurückblicke und zur Auffrischung des Gedächtnisses in meinem Tagebuch blättere, so finde ich, daß nicht die eigenen Erlebnisse, sondern die zeitgeschichtlichen Begebnisse es waren, die mich bewegten, und zwar vornehmlich jene politischen Erscheinungen, die auf dem Gebiete der Kriegs- und Friedensfragen hervortraten. Was ich in dem Getriebe des Weltgeschehens mit leidenschaftlicher Spannung verfolgte (und noch heute verfolge), waren die Phasen eines Kampfes – des Kampfes, den eine neue Idee, eine junge Bewegung mit den alteingewurzelten bestehenden Erscheinungen aufgenommen hatte. Nach den Kundgebungen und Wirkungen des mächtigen »Alten« lauschte ich hin, und das Wachstum des noch unscheinbaren, schwachen »Neuen« – von dem die große Allgemeinheit noch keine Kenntnis hatte – verfolgte ich mit intensivster und zuversichtlicher Aufmerksamkeit. Daß das Pflänzchen im Wachsen begriffen war, sah ich deutlich – gewahrte aber auch, wie steinig der Boden, wie rauh die Lüfte waren, die sich seiner Lebensentfaltung widersetzten.

Welch ein Unterschied mit den Tagebuchseintragungen und mit den Erinnerungsbildern aus meiner Jugendzeit! Da war der Mittelpunkt die eigene Person und was drum und dran war: Kunst- und Heiratspläne, weltliche Freuden, häusliche Sorgen, und den Zeitereignissen gegenüber solche Verständnis- und Anteilnahmslosigkeit, daß ich kaum wußte, was vorging, und daß ein zeitgenössischer Krieg, erst wenn er schon ausgebrochen war, von mir bemerkt und mit einer Zeile in meinen Aufzeichnungen abgetan wurde. Seit ich aber in die Friedensfrage mich vertieft hatte, da war mir die Seele zu einer Art Seismographen geworden, der auf noch so leise politische Fernbeben reagierte. Hier einige Stichproben aus meinen Tagebucheintragungen vom Jahre 1893:


18. Januar. Die Rede Caprivis zur Unterstützung der Militärvorlage war stark »Fanfare«. Signalisierte beinahe den Anmarsch der feindlichen Truppen durch das Brandenburger Tor und brachte das Wort »Offensive«, dessen man sich schon einigermaßen entwöhnt hatte, da seit zwanzig Jahren Rüstungsforderungen nur im Namen der Verteidigung vorgebracht zu werden pflegen, wieder in Umlauf. Die dänische Friedensgesellschaft erwirkte gegen die in des Kanzlers Rede enthaltene Insinuation über die wahrscheinliche Haltung im nächsten Kriege einen Protest. Als ob überhaupt der nächste Krieg so angesagt[293] werden sollte. Wir sprechen von den Schrecken eines möglichen Zukunftskrieges in Europa ... aber der bestimmte Artikel ... man sagt doch auch nicht: »das nächste Autodafé.«


1. März. Die Friedens- und Schiedsgerichtsfrage ist gestern im deutschen Reichstag zu lauter Erörterung gekommen. Bebel fragt, ob sich die Regierungen den Bestrebungen Englands und der Vereinigten Staaten – internationale Streitigkeiten durch Schiedsgericht zu lösen – anschließen wollen. Staatssekretär von Marschall erwidert, daß die Vereinigten Staaten diesbezüglich an ihre kurze Mitteilung keinen Antrag geknüpft haben. – Die Natur macht keine Sprünge; noch weniger die offizielle Politik. Die Frage kam zur Debatte, zwar ohne Erfolg, aber lächelnd beiseitegeschoben wurde sie nicht.


20. März. Ein gewisser Dowe soll einen kugelsicheren Stoff erfunden haben. Wenn der Kampf von Abprall und Durchschlag – wie er zur See zwischen Torpedo und Panzerplatte geführt wird – auch die Landheere erfaßt, so entstünde daraus ein beschleunigter Ruin der Staaten und eine Ad-absurdum-Führung der ganzen Kriegerei. Man stelle sich vor: eine neue Militärvorlage zur kugelsicheren Auswattierung der Millionenheere; dies gleich zeitig in allen Staaten bewilligt und eingeführt, was – wenn in diesem Stadium ein Krieg ausbräche – einen allerliebsten Feldzug von unverwundbaren Gegnern ergäbe; dann fieberhaft eiliges Mehrerfordernis für Neubewaffnung mit wattedurchdringenden Sprenggeschossen – womöglich durch Minen und Ballons von der Frosch- und Vogelperspektive –, dann Anschaffung von Panzerparapluies und Widerstandsgaloschen ... und das alles »zur Erhaltung des Friedens« ...


4. April. Heute treten im Palais des Ministeriums des Aeußern in Paris die Schiedsrichter zur Schlichtung der Beringsfrage zusammen. Ein solches Ereignis sollte den Leitartikelschreibern der ganzen Welt Anlaß zu weitausschauenden Betrachtungen geben, sollte von äußerem Gepränge begleitet sein.


10. April. Unsere Blätter haben die Nachricht von dem »Beringschiedsgericht« kommentarlos mitgeteilt. Die »Westminster Gazette« hingegen schreibt: »Wenn die innere Wichtigkeit der Ereignisse an den äußeren Kundgebungen bemessen würde, so müßte die Welt heute von dem Lärm des ›Beringschiedsgerichts‹ durchdröhnt sein!« Und »Daily Telegraph«: »Das Beringschiedsgericht sowie das wegen Alabama bietet heute der Menschheit ein majestätisches Schauspiel!« Eine – für die Tagespresse typische – Bemessung der Tragweite des Ereignisses bietet der Pariser »Figaro«, der daran die Betrachtung knüpft, daß die »Seehundsfrage«, wenn sie von[294] der Arbitragekommission in humanitärer Weise entschieden wird, eine Erhöhung der Sealskinpreise nach sich ziehen und unsere eleganten Damen zu einer ökonomischen Annäherung an Kaninchenpelz bestimmen wird.


8. September. König Alexander sprach an seinem siebzehnten Geburtstag zu seinen Serben: »Helden! Seit zehn Jahren gehöre ich der Armee an, und als euer oberster Kriegsherr will ich leben für den Ruhm der serbischen Waffen!« – Ach, selig, ein Kind noch zu sein ...


Diese Tagebucheintragung macht mich besonders nachdenklich, wenn ich die späteren Ereignisse – im Jahre 1903 von serbischen »Helden« mit serbischen Waffen ausgeführte Königsmetzelei – danebenhalte.


Anfang November. Entsetzliche Dynamittragödien haben sich in Spanien abgespielt. Bomben, welche, in den Theaterraum von Barcelona geschleudert, Tod und Schrecken verbreiteten (die künftige Revolution, wenn gerechte Sozialreformen ihr nicht vorbeugen, wird durch ihre Sprengstoffwaffen unausdenkbar fürchterlich sein), und die Katastrophe von Santander ... ein Hafen, ein ganzer Hafen in hellen Flammen, Schiffe in der Luft, Tausende von Menschen auf dem Boden liegend, Haufen von Leichen, ein ganzer Eisenbahnzug in Trümmer, die Häuser in Schutthaufen verwandelt, die Luft verpestet durch den Geruch der brennenden Pulver- und Petroleumfabriken; durch den Raum fliegende Rauchfänge; Anker, welche aus dem Meeresgrunde dreihundert Meter hoch in die Luft fahren; das Meer gepeitscht und brüllend – nicht durch den Sturm, sondern durch die Gewalt der fünfundzwanzig explodierenden Dynamitkisten ... das alles gibt einen Vorgeschmack von den – gewollten, nicht zufälligen – Zwischenfällen der künftigen Seeschlachten, bei welchen die Sprengung von Minen und ähnliches schon vorgesehen ist. Mit der Aera der Sprengstoffe und der Elektrizität ist in des Menschen Hand eine Vernichtungsgewalt gelegt, die es erheischt, daß fortan die Menschlichkeit zur Wahrheit werde. Die Bestie und der Teufel, der Wilde und das Kind: die alle müssen in der Menschheit überwunden werden, wenn sie, mit solchen Mitteln in der Hand, die Erde nicht zur Hölle, zum Tollhaus oder zur Wüstenei machen sollen.


Ein Vorkommnis des Jahres 1893, das mein lebhaftestes Interesse weckte, war der russische Flottenbesuch in Toulon und die damit verbundenen Verbrüderungsfeste. Die daraus entstehende Doppelwirkung verfolgte ich gespannt. Der Anlaß machte die chauvinistischen Leidenschaften und zugleich die pazifistischen Gefühle frei. Kundgebungen in dem einen oder anderen Sinne wechselten miteinander[295] ab oder wurden gleichzeitig laut. Der Dreibund einerseits, der Zweibund andererseits wurden als Garantien des Friedens oder als Trutzeinrichtungen gefeiert; in der Mitte lag die Auffassung, daß sie das hergestellte Gleichgewicht bedeuteten. Die offiziellen russischen Stimmen wurden nicht müde, den Flottenbesuch in Toulon als eine friedliche Demonstration zu erklären und zu wiederholen, daß den Festen in Frankreich keinerlei aggressiver oder provokatorischer Charakter anhaften dürfe. Die französischen Blätter waren gezwungen, diese Verwahrungen abzudrucken, und der »Figaro« beeilte sich, hinzuzusetzen: »Selbstverständlich! Une manifestation essentiellement et exclusivement pacifique« – die französische Presse und namentlich der »Figaro« hätten sich übrigens niemals einer anderen Manifestation angeschlossen. – Wenige Tage darauf machte aber derselbe »Figaro« den Vorschlag, es solle während der russischen Feste im Odeontheater »Les Danicheffs« aufgeführt werden, »in welchem Stücke der eine Satz genügen würde, Beifallsstürme zu entfesseln: ›Solange es Russen und Franzosen und wilde Bestien gibt, werden sich die Russen und Franzosen gegen die wilden Bestien verbinden.‹«

Der ganze Ton in einem großen Teil der Pariser Presse in der den Festen vorangehenden Zeit war auf die Erhitzung des Deutschenhasses gestimmt. Später erst gestalteten sich die Feste zu Friedensbeteuerungen und die den russischen Gästen gebotenen Galavorstellungen endeten mit einer Apotheose, die den Frieden darstellt.

Vom spanischen Senator Marcuarto erhielt ich damals folgendes Schreiben:


Madrid (Senado), 13. November 1893.


Geehrte Frau Baronin!


Ich bin in Paris Zeuge der russisch-französischen Kundgebungen für den Frieden gewesen. Dies hat in mir die Idee wiedererweckt, welche ich im Jahre 1876 in meinem englischen Werke »Internationalismus oder der zehnjährige Gottesfriede« vorgeschlagen habe. Beifolgend übersende ich Ihnen den Brief, welchen ich an Jules Simon gerichtet habe. Es will mir scheinen, daß die Friedensfreunde, statt unter dem Zelte der Schiedsgerichte einzuschlafen, nunmehr eine Agitation zugunsten des zehnjährigen Waffenstillstandes einleiten sollten. Die Sache wäre ausführbar und wohltuend.

Eine andere Frage von aktueller Wichtigkeit, auf die ich die öffentliche Aufmerksamkeit lenken wollte, ist die Neutralisierung der Meerengen, Isthmen u.s.w. Lesen Sie über diese Frage das Bulletin der »Société d'économie politique«, Paris 1892, p. 88, und im »Matin« des 29. Oktober 1893 das Interview,[296] welches ein Redakteur dieses Blattes während der französisch-russischen Feste mit mir gehabt hat.

In herzlichster Freundschaft Ihr sehr ergebener

Marcuarto.


Hier der Brief an Jules Simon:


Paris, 29. Oktober 1893.


Hochgeehrter Herr!


Das feierliche Telegramm Seiner Majestät des Kaisers von Rußland an den Präsidenten der französischen Republik, in welchem er erklärt, an der Befestigung des allgemeinen Friedens mitarbeiten zu wollen, hat einen so lebhaften Eindruck auf mich gemacht, daß ich mit folgender Frage an Sie herantrete. Glauben Sie nicht, daß nach der Rede Gladstones im englischen Unterhause des 16. Juni, in der er die Einsetzung eines ständigen internationalen Schiedstribunals verlangt, und nach dem kaiserlichen Telegramm aus Gatschina jetzt nicht der Augenblick aufrichtiger und ehrlicher Friedfertigung der zivilisierten Welt gekommen ist? Da ein sehr mächtiges Einverständnis zwischen dem großen Reiche des Nordens und der großen französischen Republik zur Festigung des allgemeinen Friedens besteht; da ferner, wie Sie mir sagten, der Kaiser des mächtigen Deutschland sich zugunsten des Friedens ausgesprochen hat, da die Souveräne und die öffentliche Meinung Oesterreichs und Italiens den Frieden wollen; da England an keine anderen als kommerzielle Eroberungen denkt, da die ganze Welt das Bedürfnis nach stabilem Frieden empfindet, um die riesigen Lasten zu vermindern, die der jetzige Kriegsfuß mitten im Frieden den Völkern auferlegt, wäre es da nicht möglich, zu erlangen, daß eine Art »Gottesfriede« eingegangen werde, der bis nach der Pariser Weltausstellung von 1900 sich erstreckt, welche in ihrem Glanze den Kulturfortschritt des neunzehnten Jahrhunderts dartun soll? Eine internationale Konvention hätte die Staaten zu binden, sich während der Dauer von zehn Jahren jeder feindlichen Aktion zu enthalten. Jede Kriegsfrage wäre vertagt: ein Areopag hätte alle auf diplomatischem Wege nicht ausgetragenen Streitigkeiten zu schlichten. Während dieser neuen Friedensära würden die Regierungen sich damit beschäftigen, die Hilfsquellen der Staaten zu entwickeln, den Stand der öffentlichen Gesundheit zu verbessern, den Unterricht und die gemeinnützigen Arbeiten zu fördern, die ökonomischen, sozialen und finanziellen Fragen zu lösen oder doch wenigstens zu studieren, um endlich die noch rückständigen Länder zu zivilisieren, damit alle Völker im Jahre 1900 Gelegenheit hätten zu zeigen, wie sehr sie in intellektueller und materieller Weise vorgeschritten sind und wie der menschliche Wohlstand sich vermehrt hat.

Wir haben zwanzig Friedensjahre durchlebt in steter Angst vor dem Kriege; man möge einmal versuchen, einen zehnjährigen,[297] von der Sorge und den Kosten des Krieges befreiten Frieden einzuführen.12

Vor vielen Jahren schrieb ich einmal: »Im ersten Drittel des Jahrhunderts hat der Dampf zur Erde gesagt: ›Es gibt keine Berge mehr‹, und die Schienen haben den Planeten geebnet.

»Im zweiten Drittel des Jahrhunderts sprach zu den Wassern die Elektrizität: ›Es gibt keinen Ozean mehr,‹ und die gedankentragenden Drähte umspannen den Globus.

»Heute wünsche und flehe ich zu Gott, daß im letzten Drittel des Jahrhunderts die Vernunft zu den Menschen sage: ›Es gibt keinen Krieg mehr.‹«13

Genehmigen Sie, geehrter Herr, u.s.w.

Arturo di Marcuarto.


Anläßlich der französisch-russischen Feste eröffnete der Pariser »Figaro« eine Rundfrage, welches Geschenk man der Kaiserin von Rußland als Andenken an die Touloner Tage schicken sollte. Ich sandte auf diese Frage eine Antwort ein. Neben vielen anderen Vorschlägen druckte das Blatt (d. d. 7. Oktober) auch den meinen ab und leitete ihn mit den Worten ein: »Nous donnons le prix au bijou proposé par la Baronne Berthe de Suttner: une branche d'olivier en diamants, dont elle définit ainsi l'emblème:


Démonstration pacifique: tel est le caractère que le gouvernement russe a déclaré vouloir donner à la visite de son escadre en France; donc il faudrait que le bijou offert à la Tsarine pour comémorer cet événement fût un symbole de paix.

Et précisément, parce que les chauvins de tous les pays profiteront des fêtes franco-russes pour les imprégner ou pour les accuser d'un caractère de défi et de menace, il faut que les partisans de la paix saisissent cette ocassion pour en affirmer avec éclat la tendance opposée.

Devant l'histoire, voici la situation unique que cette année de 1893 aura offerte au monde: deux groupes de puissants alliés, se croyant menacés réciproquement, ayant dépensé toutes leurs forces de sacrifice et de dévouement à préparer une défense efficace, déclarent hautement, à la face de l'Europe, que leur vœu le plus cher, leur mission la plus sacrée est d'écarter de notre continent l'inimaginable horreur[298] d'une conflagration future. Tous les deux, en faisant cette proclamation solennelle d'intentions pacifiques, on fait montre en même temps de leur formidable pouvoir belliqueux, de leur épée tranchante, de leur armure invincible. Des deux côtés, ils ont démontré que leurs alliances et leurs amitiés étaient sûres, qu'il étaient prêts à remplir tous les devoirs et à s'enflammer de tous les enthousiasmes. C'est ainsi qu'ils se trouvent en face l'un de l'autre, de forces égales, de dignité égale, et voulant – à part quelques intérêts secondaires qui divergent – la même chose: la paix.

A moins que l'un des deux – ou tous les deux – ne mentent (et de quel droit éléverait-on pareille accusation?), cette situation ne peut aboutir logiquement qu'à une pacification définitive, en vue de laquelle des ouvertures pourront être faites d'un côté ou de l'autre, ou simultanément, sans le moindre signe de faiblesse ou de crainte.

La paix offerte par le plus fort peut être humiliante pour le plus faible; et jusqu'à ce jour, en effet, les traités de paix n'ont été signés qu'après la guerre et dictés par le vainqueur. Mais dans les conditions actuelles – l'élément »du plus faible« ayant disparu – une chose nouvelle pourrait faire son apparition dans l'histoire de l'évolution sociale: le traité de paix avant, c'est-à-dire en lieu et place de guerre – en d'autres termes, la fin de l'ère barbare.

Si les journées que se préparent sont appelées à faciliter le triomphe – le plus grand que le génie de l'humanité aura encore remporté – le bijou qui en rappellera le souvenir sera la plus belle parure que jamais souveraine aura porté. La branche d'olivier inaugurée par la Tsarine pourrait, aux fêtes futures, être adoptée par les femmes de tous les monarques ou présidents assemblés, et l'emblème ne devant pas être invariablement en diamants, les femmes du peuple pourraient s'en orner également, car il n'y a que les fêtes de la paix qui soient, en même temps, des fêtes de la liberté.«


Hier sei noch eine französische Korrespondenz aus dem Jahre 1893 beigefügt. Anläßlich der Jahresversammlung meines Vereins wollte ich von Emile Zola eine Zustimmungskundgebung erhalten und bat ihn um eine solche. Hier seine Antwort:


Paris, 1er décembre 1893.


Madame! Hélas! je rève comme vous tous le désarmement, la paix universelle. Mais, je l'avoue, je crains bien encore que ce soit simplement un rêve, car je vois de toutes parts se dresser des menaces de guerre et je ne crois malheureusement pas possible l'effort de raison et de pitié que l'humanité devrait faire pour échanger à bref délai le grand baiser fraternel.[299]

Ce que je puis vous promettre c'est, dans mon petit coin, de travailler de toute ma force et de tout mon cœur à la réconciliation des peuples.

Veuillez agréer, madame, &c.

Emile Zola.


Diesen Brief wollte ich nicht unerwidert lassen. Ich schrieb zurück:


Château de Harmannsdorf, 13 décembre 1893.


Maître,


Recevez tous mes remercîments; votre lettre, contenant la précieuse promesse que vous travaillerez de tout votre cœur à la réconciliation des peuples, a soulevé l'enthousiasme de notre assemblée générale.

Le baiser fraternel? L'amour universel? ... vous avez raison: L'humanité n'en est pas encore là. Mais point n'est besoin de tendresse mutuelle pour renoncer à s'entre-tuer. Ce qui existe encore aujourd'hui – et ce que combattent les ligues de la Paix – c'est le système d'une haine meurtrière, organisée, légitimée, et qui, au fond, ne vit plus dans les esprits.

Il a été question, dans ces derniers temps, d'une conférence internationale, en vue d'une coalition contre le danger anarchiste. Jamais l'ineptie de la situation actuelle n'aura été plus fragrante que lorsque ces représentants d'Etats qui vivent entre eux en pleine anarchie – puisqu'ils n'admettent aucun pouvoir au-dessus d'eux – délibreront autour de la même table sur le moyen de se garantir contre cinq ou six bombes criminelles tout en continuant de se menacer réciproquement de cent milles bombes légales. Peut-être l'idée leur viendrait-elle de dire: Pour nous unir en face d'un ennemi commun, il faut que nous soyons reconciliés; pour défendre la civilisation contre la barbarie, commençons par être civilisés nous-mêmes; si nous voulons écarter de la société le danger que peut lui infliger l'action d'un fou, écartons d'abord le danger mille fois plus atroce que le froncement de sourcils d'un puissant de la terre suffirait à déchaîner sur elle; si nous voulons flétrir les sans-loi, reconnaissons une loi au-dessus de nous-mêmes; si nous voulons parer les coups des désespérés, cessons d'employer des milliards à fomenter le désespoir.

Mais pour que les délégués officiels puissent tenir ce langage raisonnable, il faut qu'ils aient derrière eux la clameur universelle qui les y encourage ou, mieux encore, qui les y contraigne.

L'évolution de l'humanité n'est pas un rêve, elle est un fait scientifiquement avéré. Son but ne peut pas être la destruction prématurée vers laquelle la précipiterait le système[300] actuel; son but doit être le règne du droit primant la force. Les armes et la férocité se développent en sens inverse: – la dent, la massue, l'épée, le fusil, la bombe explosive, la machine de guerre électrique; et en regard de cela: la bête, le sauvage, le guerrier, le soudard, le soldat d'aujourd'hui (soi-disant sauvegarde de la paix) l'homme humain de l'avenir qui, en possession d'un pouvoir de destruction illimité, refusera de s'en servir.

Que cet avenir soit proche ou lointain: cela dépend du travail qui se fera dans les »petits coins«. Permettez-moi donc, monsieur, de ne pas m'asso cier à votre »hélas!« mais de me féliciter au nom de tous les travailleurs de la paix, auxquels vous venez de promettre votre puissant concours – promesse dont je prends acte avec un sentiment de profonde gratitude.

Agréez &c.

Berthe de Suttner.

12

Daß aus diesem Provisorium sich ein Definitivum entwickeln würde, war wohl die berechtigte Hoffnung des Antragstellers.

13

Sie wird auch heute (1908) noch nicht gehört – die Vernunft –, weil sich ihr das mächtige Sprachrohr der politischen Tagespresse verschließt.

Quelle:
Bertha von Suttner: Memoiren, Stuttgart und Leipzig 1909, S. 293-301.
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