Drittes Capitel.
Ein festsamer Besuch.

[106] Wäre die arme Gérande nicht durch den Gedanken an Aubert an diese Welt gefesselt worden, sie hätte geglaubt, ihr Leben ginge mit dem ihres Vaters zu Grunde.

Der alte Uhrmacher siechte allmälig dahin; seine geistigen Fähigkeiten concentrirten sich auf einen einzigen Gedanken, durch eine verhängnißvolle Ideenverbindung führte er Alles auf seine Monomanie zurück, und das irdische Leben schien ganz aus ihm gewichen zu sein, um der übernatürlichen Existenz eines Traumlebens Platz zu machen. Auch ließen es sich einige mißgünstige Rivalen angelegen sein, die teuflischen Gerüchte über die Arbeiten des Meister Zacharius von Neuem zu verbreiten.

Die Thatsache von den unerklärlichen Störungen in seinen Uhrwerken rief unter den Uhrmachern der Stadt Genf keine geringe Wirkung hervor. Wie war dies plötzliche Nachlassen der Federn zu erklären, und wie sonderbar mußte es auffallen, daß das Leben des Meister Zacharius damit in Zusammenhang zu stehen schien? Das Alles waren Mysterien, wie man sie nicht ohne ein geheimes Grauen in's Auge faßt. In den verschiedenen Rangklassen der Stadt,[106] vom Lehrling bis zum Kaufherrn, gab es Niemanden, der eine Uhr vom alten Zacharius gehabt und sich nicht über dieselbe beklagt hätte. Man suchte jedoch vergebens, bis zu dem Meister selbst vorzudringen; er war sehr krank geworden, und dies gestattete wenigstens seiner Tochter, die unaufhörlichen Besuche abzuweisen und dem alten Manne Vorwürfe, die oft sogar in Beschuldigungen und Anklagen ausarteten, zu ersparen.

Die Aerzte und ihre Arzneien schienen diesem organischen Absterben gegenüber, dessen Ursache unerklärlich war, total machtlos. Bisweilen schien es, als hörte das Herz des Alten zu schlagen auf, und dann, nach einiger Zeit, begann es wieder zu pulsiren, aber mit beängstigender Unregelmäßigkeit.

Es bestand damals der Brauch, daß man die Werke der einzelnen Meister einer Beurtheilung des Volkes unterbreitete. Die Vorstände der verschiedenen Innungen suchten sich durch die Neuheit und Vortrefflichkeit ihrer Werke auszuzeichnen, und in diesen Kreisen begegnete der Zustand des unglücklichen Meister Zacharius dem unverholensten Mitleiden, aber einem Mitleid, das dem Egoismus entsprang. Seine Concurrenten beklagten ihn um so bereitwilliger, als sie ihn nicht mehr zu fürchten hatten. Sie erinnerten an die Erfolge des alten Uhrmachers, die er durch seine prächtigen Werke mit Glockenspiel und beweglichen Figuren erzielt hatte, welch allgemeine Bewunderung dieselben überall erregten, und zu wie hohem Preise sie in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland verkauft worden waren.

Dank der äußersten Sorgfalt Gérande's und Aubert's schien es endlich, als wolle die Gesundheit des Meisters sich wieder mehr festigen; und es gelang ihm in der Ruhe seiner Reconvalescenz, mehr von den Gedanken loszukommen, die ihn bisher so schwer darniedergebeugt hatten. Sobald er wieder gehen konnte, beeilte sich Gérande, ihn aus dem Hause zu führen, das noch immer von unzufriedenen Kunden bestürmt wurde. Aubert blieb allein in der Werkstätte zurück, nahm die rebellischen Uhren auseinander und setzte sie wieder zusammen. Zuweilen, wenn er sah, daß all seine Mühe umsonst war und er keine Uhr zum Gehen brachte, griff er verzweiflungsvoll an seinen Kopf, wie wenn er fürchtete, selbst den Verstand über dieser Arbeit zu verlieren, wie sein armer Herr.

Gérande führte ihren Vater auf die freundlichen Promenadenwege der Stadt und lenkte, indem sie den Arm des Meisters stützte, nach Saint-Antoine, von wo der Blick über den Rücken von Cologny und den See hinschweift.[107]

Bisweilen, an schönen klaren Vormittagen, konnte man von hier aus die gigantischen Pics des Mont-Buet am fernen Horizont erkennen. Gérande nannte ihrem Vater all diese Stätten, die in seiner Erinnerung fast erloschen waren, bei ihrem Namen; sein Gedächtniß schien sehr gelitten zu haben, und er empfand ein fast kindisches Vergnügen daran, sich all diese Benennungen wiederholen zu lassen. Dann stützte sich Meister Zacharins auf seine Tochter, neigte das weiße Haupt zu ihrem lieblichen blonden Köpfchen herab, und so gingen sie friedvoll zurück durch den hellen Morgen.

Endlich kam es dem alten Uhrmacher zum Bewußtsein, daß' er nicht allein in der Welt stand, und wenn sein Blick auf der jungen, schönen Tochter ruhte, sagte er sich oft, daß er alt, gebrochen sei, und sie allein und ohne Stütze in der Welt zurückbleibe, wenn er seine Augen schlösse. Es hatte schon so mancher junge Gehilfe aus Genf um Gérande geworben, aber niemals erlangte einer von ihnen Zutritt in das stille, verborgene Haus, in dem die Familie des alten Uhrmachers lebte. So war es wohl sehr natürlich, daß in solcher Stunde des Sinnens über seiner Tochter Geschick die Gedanken des Alten auf Aubert Thün haften blieben, und als er im Stillen diese Wahl für sein Kind getroffen hatte, bemerkte er zu seiner Freude, daß die beiden jungen Leute in ähnlichen Ideen und einem festen Glauben an einander groß geworden waren; die Oscillationen ihres Herzens schienen ihm, wie er gegen Scholastica äußerte, »isochron«.

Die Magd war hiervon entzückt, und obgleich sie die Bedeutung des Wortes natürlich nicht erfaßte, schwur sie bei ihrer Schutzpatronin, daß die ganze Stadt des alten Meisters Aeußerung gehört haben solle, noch ehe eine Stunde vergangen sei. Meister Zacharins hatte viel Mühe, sie zu beruhigen, und erlangte endlich von ihr das Versprechen, über diese Mittheilung Schweigen zu beobachten; er wußte jedoch zum Voraus, daß Scholastica derartige Zusicherungen niemals zu halten pflegte.

So war es gekommen, daß man in ganz Genf von einer Verbindung Aubert's und Gérande's sprach, noch ehe die Hauptbetheiligten etwas davon wußten. Zuweilen aber ereignete es sich, daß bei den Unterhaltungen über diesen Gegenstand plötzlich die höhnischen Worte ertönten:

»Gérande wird Aubert nicht heiraten«; und wenn die Redenden sich dann verwundert umschauten, erblickten sie einen kleinen Greis, der den Bewohnern der Stadt gänzlich unbekannt war.[108]

Niemand hätte sagen können, wie alt das sonderbare Geschöpf sei; man konnte sich allenfalls denken, daß er seit langer, langer Zeit schon auf dieser Welt wandeln müsse, aber damit hatten auch die Vermuthungen ein Ende. Sein dicker, plattgedrückter Kopf ruhte auf Schultern, die breiter waren, als sein kleiner Körper hoch war. Die wunderliche Gestalt hätte gut zu dem Träger einer Stutzuhr gepaßt, denn für das Zifferblatt wäre genügender Raum auf seinem Gesicht gewesen, und der Pendel hätte ohne Beschränkung in der ungeheuren Brust hin und her gehen können. Seine Nase war so dünn und spitz, wie der Zeiger an einer Sonnenuhr, und die weit aus einander stehenden, sonderbar geformten Zähne glichen den Häkchen eines Rades und knirschten hin und wieder unheimlich in seinem Munde. Sprach er, so glaubte man den metallischen Ton eines Uhren-Schlagwerks zu hören, und sein Herz schlug so laut und eigenthümlich, daß man sein Klopfen für das Tick-Tack einer Wanduhr halten konnte. Der kleine Mann ging immer nur ruckweise, ohne sich jemals umzuwenden, seine Arme bewegten sich wie Weiser auf einem Zifferblatt, und wenn man ihm folgte, bemerkte man, daß er in jeder Glockenstunde eine Stunde Wegs zurücklegte, und daß sein Gang ein fast kreisförmiger war.

Dieses wunderbare Wesen irrte, oder drehte sich vielmehr schon seit einiger Zeit in der Stadt umher, und man hatte beobachten können, daß er täglich, in dem Augenblick, wenn die Sonne durch den Meridian ging, vor der St. Peterskirche stehen blieb und erst, wenn die Uhr zwölf geschlagen hatte, seinen Weg fortsetzte. Von diesem Augenblick an schien er bei allen Unterhaltungen aufzutauchen, in denen der alte Uhrmacher erwähnt wurde, und man fragte sich mit unwillkürlichem Grauen, welche Beziehung zwischen ihm und Meister Zacharius bestehen könne; denn auch während der Greis mit seiner Tochter spazieren ging, ließ er Beide nicht aus den Augen.

Eines Tages auf der Treille bemerkte Gérande, wie das kleine Ungeheuer sie lachend ansah, und drängte sich ängstlich erschrocken dichter an den Vater.

»Was ist Dir, meine Gérande? fragte dieser.

– Ich weiß nicht, antwortete das junge Mädchen.

– Ich finde Dich verändert, mein Kind, setzte der alte Uhrmacher hinzu, willst Du mir jetzt etwa krank werden? Nun, wenn solch Unglück über uns hereinbrechen sollte, würde ich Dich pflegen müssen; ja, ich würde Dich treulich pflegen, meine Gérande.[109]

– Ach, lieber Vater, es ist nichts, aber mich fröstelt, und ich glaube, es ist...

– Nun, was ist's, Gérande?

– Jener Mensch dort ängstigt mich, antwortete sie leise; er geht fortwährend hinter uns her.«

Meister Zacharius wandte sich nach dem Kleinen um.

»Er geht wahrhaftig richtig, sagte er mit einer Miene innerer Befriedigung, es ist genau vier Uhr. Fürchte nichts, liebe Tochter; das ist kein Mensch, sondern eine Uhr!«

Gérande sah ihren Vater erschrocken an; wie hatte Meister Zacharius auf dem Gesicht dieses wunderlichen Geschöpfs die Stunde ablesen können?

»A propos, fuhr der alte Uhrmacher fort, ohne diesem Zwischenfall weiter nachzuhängen, ich habe seit mehreren Tagen Aubert nicht gesehen.

– Er hat uns nicht verlassen, lieber Vater, antwortete Gérande, deren Gedanken mit diesem Gespräch eine freundlichere Richtung nahmen.

– Was macht er denn?

– Er arbeitet, lieber Vater.

– Ah so! rief der Greis, er arbeitet an den Uhren, um sie wieder in Gang zu bringen. Es wird ihm nie und nimmer gelingen, Gérande; denn sie warten nicht auf eine Ausbesserung, sondern auf ihre Auferstehung.«

Gérande wußte hierauf nichts zu antworten und verharrte im Schweigen.

»Ich muß durchaus wissen, ob noch mehr von den verwünschten Uhren, unter die der Teufel die Pest gebracht hat, zu mir zurückgebracht sind.«

Nach diesen Worten schwieg auch Meister Zacharius, bis er die Thüre seiner Wohnung erreicht hatte, und zum ersten Mal seit seiner Genesung stieg er nun in die Werkstätte hinunter, während Gérande sich traurig auf ihr Zimmer begab.

In demselben Augenblick, als der alte Mann die Thüre der Werkstätte hinter sich schloß, begann eine der Uhren, die rings an den Wänden hingen, fünf zu schlagen. Früher ließen sich all diese so verschiedenartig regulirten Schlagwerke zusammen hören, und Meister Zacharius hatte stets seine Freude daran gehabt; heute aber ertönte immer ein Glöckchen nach dem andern, so daß das Hämmern und Klingen eine volle Viertelstunde dauerte. Der alte Meister litt schrecklich darunter; er konnte es nicht auf seinem Platze ertragen, sondern[110] stand auf und trat an die einzelnen Uhren heran, indem er ihnen, wie ein Musikdirector, den Tact angab.

Als der letzte Klang verhallt war, öffnete sich die Thüre, und der kleine, greisenhafte Mann trat ein; er sah den Uhrmacher mit starrem Blick an. Es durchschauerte Meister Zacharius unwillkürlich vom Scheitel bis zur Sohle.

»Kann ich mich ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten, Meister? fragte der Kleine.

– Wer sind Sie? forschte der Alte barsch.

– Ein Zunftgenosse; ich bin beauftragt, die Sonne zu reguliren.

– Ah! Sie reguliren also die Sonne? rief lebhaft Meister Zacharius, ohne eine Miene zu verziehen. Nun, da lassen Sie sich sagen, daß Sie Ihre Sache herzlich schlecht machen; die Sonne geht durchaus nicht genau, und wenn unsere Uhren mit ihr in Uebereinstimmung sein sollen, müssen wir sie bald vor- und bald zurückstellen.

– Sie haben Recht, Meister; beim Pferdefuß des Teufels, Sie haben Recht! Meine Sonne zeigt nicht im nämlichen Augenblick wie Ihre Uhren die zwölfte Stunde. Es wird aber die Zeit kommen, wo man erfährt, daß das von der Ungleichmäßigkeit der Erdbewegung herrührt, und wo man eine durchschnittliche Mittagszeit erfinden wird, die diese Unregelmäßigkeit beseitigt.

– Werde ich das noch erleben? fragte der alte Uhrmacher, und seine Augen blickten in lebhafterem Glanze.

– Natürlich! versetzte der Kleine lachend; glauben Sie denn, daß Sie jemals sterben werden?

– Ich bin jetzt sehr krank und elend!

– Nun ja, lassen Sie uns ein wenig darüber plaudern. Beim Beelzebub, ich glaube, wir werden dabei ein Thema berühren, über das ich mit Ihnen sprechen möchte.«

Und bei diesen Worten sprang das seltsame kleine Geschöpf ohne Weiters auf den Ledersessel des Alten und schlug seine Beine übereinander, wie die Maler von Leichenbehängen die fleischlosen Knochen unter den Todtenköpfen über Kreuz zu legen pflegen. Dann fuhr er in ironischem Tone fort:

»Sagen Sie, Meister Zacharins, was gehen jetzt für wunderliche Sachen in der guten alten Stadt Genf vor? Es wird allgemein behauptet, daß Ihre Gesundheit gelitten hat, und daß auch Ihre Uhren sich nach einem Arzte umsehen müßten.


Das seltsame Geschöpf sprang auf den Ledersessel. (S. 111.)
Das seltsame Geschöpf sprang auf den Ledersessel. (S. 111.)

– Ah! danach scheinen Sie zu glauben, daß zwischen meinen Uhrwerken und mir eine innige Beziehung existirt!

– Nun, ich denke mir eben, daß diese Uhren wohl Mängel und Fehler haben. Wenn sie sich unregelmä[111] ßig aufführen, wird man sie zur Raison bringen müssen; es ist jedenfalls ihre eigene Schuld, wenn sie nicht gehen.«[112]

Meister Zacharius erröthete unwillkürlich vor Zorn über den sarkastischen Ton, in dem der Kleine sprach.

»Was nennen Sie Mängel und Fehler? fragte er; die Uhren haben kein Recht mehr, auf ihren Urheber stolz zu sein.

– Nun, nicht gerade all zu sehr! gab der Kleine zu, sie führen jedoch einen berühmten Namen, der auf ihrem Zifferblatt eingravirt steht, und der ihnen Zutritt in die edelsten Häuser und hochstehendsten Familien verschafft. Seit einiger Zeit aber beginnen die Uhren abzuweichen, und Sie, Meister Zacharius, sollen nichts dagegen thun können; der ungeschickteste Lehrling aus ganz Genf würde Sie deshalb zur Rede stellen dürfen!

– Mich, mich, den Meister Zacharius! rief der Greis mit einer Stimme, aus der furchtbar verletzter Stolz klang.

– Ja wohl, Sie, den Meister Zacharius, der seinen Uhren nicht wieder zum Leben verhelfen kann!«

Der alte Uhrmacher stöhnte laut auf, und ein kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.

»Es kommt einfach daher, daß ich das Fieber habe, sagte er, und ich glaube, die Uhren haben es auch!

– Nun, da Sie, wie es scheint, ganz außer Stande sind, wieder Elasticität in ihre Federn zurückzubringen, werden Ihre Uhren mit Ihnen sterben.

– Sterben? Nein, Sie haben es selbst gesagt, ich werde nicht sterben; ich, der erste Uhrmacher der Welt, der mittels verschiedener Stücke und Rädchen die Bewegung der Uhren mit absoluter Präcision zu reguliren verstanden hat. Mußte sich nicht die Zeit genau meinen Gesetzen unterwerfen, und kann ich demgemäß nicht als Gebieter über sie verfügen? In welch endloser Zeitverwirrung haben sich die Geschicke der Menschen abgesponnen, ehe mein Genie diese pfadlos irrenden Stunden in regelrechte Ordnung brachte? Aber Sie, Mensch oder Teufel, wer Sie sein mögen, haben wohl noch nie an die Herrlichkeit meiner Kunst, die alle Wissenschaften in ihren Dienst zieht, gedacht? Nein, nein! ich, der Meister Zacharius, kann nicht sterben, denn da ich die Zeit geregelt habe, würde sie mit mir zu Ende gehen. Sie würde in die Unendlichkeit, aus der mein Genie sie gerissen hat, zurückkehren, und dann unwiederbringlich im Abgrunde des Nichts verloren sein! Nein, ich kann ebenso wenig sterben, als der Schöpfer dieses Weltalls. Ich bin ihm gleich geworden[113] und theile seine Macht, denn wenn er die Ewigkeit erschuf, so habe ich die Zeit geschaffen.«

Der alte Uhrmacher glich dem gefallenen Engel, der sich gegen seinen Schöpfer empört, und das wunderliche kleine Ungethüm ihm gegenüber schien ihn mit seinen Blicken zu liebkosen und sich dieser gottlosen Ausfälle fast freuen.

»Brav gesprochen, Meister! rief er jetzt. Beelzebub hatte weit weniger Recht, sich Gott gleich zu stellen als Sie. Ihr Ruhm darf nicht untergehen, um so weniger, als ich, Ihr Diener, Ihnen gern das Mittel sagen will, um die rebellischen Uhren wieder in Gang zu bringen.

– Was ist das für ein Mittel? rief Meister Zacharius.

– Sie sollen es erfahren, Meister, aber erst an dem Tage, an welchem Sie mir die Hand Ihrer Tochter bewilligt haben.

– Meine Gérande?

– Ja, Ihre Gérande, Meister.

– Das Herz meiner Tochter ist nicht mehr frei, warf Meister Zacharius ein. Die sonderbare Werbung schien ihn weder in Erstaunen zu setzen noch zu beleidigen.

– Bah!... Gérande ist nicht die wenigst schönste Ihrer Uhren... aber schließlich wird auch sie stehen bleiben...

– Wie! meine Tochter? meine Gérande?... Nein!...

– Kommen wir auf Ihre Uhren zurück, Meister Zacharius; setzen Sie sie zusammen und nehmen Sie sie auseinander, so viel Ihnen beliebt! Bereiten Sie Alles für die Hochzeit Ihrer Tochter und Ihres Gehilfen vor! Härten Sie Ihre aus bestem Stahl gefertigten Federn! Segnen Sie Aubert und die schöne Gérande; aber denken Sie an meine Worte, daß Ihre Uhren nie gehen und Aubert und Gérande sich nie gehören werden!«

Und damit stand der greisenhafte kleine Mann auf und verließ die Werkstätte; er eilte jedoch so wenig, daß Meister Zacharius noch deutlich hören konnte, wie es in seiner Brust sechs Uhr schlug.

Quelle:
Jules Verne: Meister Zacharius. In: Eine Idee des Doktor Ox. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XX, Wien, Pest, Leipzig 1877, S. 87–136, S. 106-114.
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