Zwölftes Capitel.
Die letzten Tage.

[377] Die Lage der Patrioten auf der Insel Navy war allmählich eine sehr kritische geworden und konnte so offenbar nicht lange andauern. Die Entscheidung war nur noch eine Frage von Tagen – vielleicht nur von Stunden.[377]

Wenn der Oberst Mac Nab auch noch immer zögerte, den Uebergang über den Niagara zu unternehmen, so machte er doch das Lager der Aufständischen mehr und mehr unhaltbar. Am Ufer bei Chippewa hatten die Königlichen eine Batterie aufgefahren, und die Blaumützen sahen sich außer Stande, dieser zu antworten, da sie nur über eine einzige Kanone verfügten. Einige Hundert Gewehre – die einzige Waffe, von der sie in der Entfernung Gebrauch machen konnten, um einen Landungsversuch abzuschlagen – blieben natürlich wirkungslos gegen die Artillerie der königlichen Truppen.

Die Amerikaner interessirten sich zwar ohne Zweifel für den Erfolg des franco-canadischen Aufstandes, desto beklagenswerther war es aber, daß die Regierung der Vereinigten Staaten aus politischer Rücksichtnahme von Beginn des Kampfes an die strengste Neutralität beachten zu müssen glaubte. Diese allein hätte die Geschütze liefern können, an denen es den Reformern fehlte; damit wären jedoch die Einsprüche Englands hervorgerufen worden, und das gerade zu einer Zeit, wo der geringste Zwischenfall einen Bruch herbeizuführen drohte, wie das wenige Monate später wirklich eintraf. Die Vertheidigungsmittel der Insel Navy waren also sehr beschränkte. Sogar an Munition und Proviant konnte leicht Mangel eintreten, obwohl sie in dieser Beziehung von Schlosser, Buffalo und Niagara-Falls aus versorgt wurde, soweit es die Hilfsquellen des Landes zuließen. Deshalb fuhren denn große und kleine Boote ununterbrochen auf dem rechten Stromarme hin und her, und der Oberst Mac Nab hatte in Folge dessen oberhalb und unterhalb Chippewas einige Geschütze aufstellen lassen, um diese stromauf- und stromabwärts der Insel von der Seite her zu bestreichen.

Wie erwähnt, unterhielt eines dieser Boote, der kleine Dampfer »Caroline«, eine schnelle Verbindung zwischen dem Lager und dem Ufer von Schlosser. Dieser war immer stark besetzt mit Neugierigen, welche sich drängten, den Vertheidigern der Insel Navy einen Besuch abzustatten.

Unter solchen Umständen bedurfte es für die Anführer dieser Handvoll Männer einer ganz außergewöhnlichen Energie, um den Kampf nicht aufzugeben. Leider verringerte sich überdies die Zahl der Combattanten von Tag zu Tag, und Viele, die den Muth verloren hatten, ließen sich nach Schlosser übersetzen, um nicht wieder zurückzukehren.

Seit jenem traurigen Auftritte, der mit dem Fortgange Johanns geendet und dem er selbst beigewohnt, hatte Herr de Vaudreuil das Haus noch nicht wieder[378] verlassen. Er vermochte sich kaum aufrecht zu erhalten und seine Tochter verließ ihn keinen Augenblick. Beiden erschien es, als wären sie sozusagen durch die Schmach, welche Bridget und deren Sohn widerfahren war, selbst mit befleckt worden. Niemand hatte mehr als sie gelitten von den Beleidigungen, mit denen die verblendete Menge damals die unglückliche Familie überhäufte, welche noch von der Schande eines Namens verfolgt wurde, den sie längst abgelegt hatte. Und doch, wenn sie an das Verbrechen des Simon Morgaz dachten, an die heldenmüthigen Opfer, welche die traurige That des Verräthers aufs Schaffot geführt hatte, beugten sich Beide vor der Schwere eines Geschicks, welches kein Gerechtigkeitsgefühl ganz aufzuwiegen im Stande war.

Hier, wo sich tagtäglich die Freunde des Herrn de Vaudreuil zusammenfanden, unterließ übrigens Jeder selbst die geringste Anspielung auf das, was unlängst vorgegangen war. Vincent Hodge hielt sich mit einer seines Charakters völlig würdigen Discretion sehr zurück, da er strengstens Alles zu vermeiden suchte, was gleich einem Tadel der von Clary geoffenbarten Empfindungen hätte erscheinen können. Hatte sie denn nicht ein Recht dazu gehabt, dieses junge muthige Mädchen, gegen häßliche Vorurtheile aufzutreten, welche die Verantwortlichkeit für Schuldige auf noch völlig Unschuldige ausdehnen, welche eine Vererbung der Schande, wie der geistigen oder leiblichen Aehnlichkeit, von den Vätern auf die Kinder anzunehmen geneigt scheinen?

Wenn Johann, der jetzt ganz allein in der Welt dastand, an diese seine entsetzliche Lage dachte, empörte sich dagegen sein ganzes Sein und Wesen. Daß Joann für sein Vaterland gestorben, daß Bridget der auf ihr lastenden Schmach erlegen war, alles das bildete noch kein Gegengewicht für die Vergangenheit? ... Nein, nein!... Und wenn er dann ausrief: »Das ist ungerecht!« so schien die Stimme seines Gewissens zu antworten: »Es ist doch vielleicht nur gerecht!«

Dann erblickte Johann wieder Clary, wie sie sich den Drohungen jener sinnlosen Rotte, die ihn verfolgte, ungescheut aussetzte. Sie, ja, sie hatte den Muth gehabt, einen Morgaz zu vertheidigen! Sie hatte sich sogar erboten, ihr Leben an das seinige zu knüpfen. Er mußte dieses Opfer jedoch abschlagen, damals und für immer. Und dann irrte er am Ufer des Niagara umher, wie jener Nathaniel Bumpo der Mohikaner, der sich lieber von dessen Cataracten hätte verschlingen lassen, als sich von Mabel Denham zu trennen.

Während des ganzen 18. December weilte Johann neben der Leiche seiner Mutter und beneidete diese fast um die friedliche Ruhe, die ihr endlich zu Theil[379] geworden war; sein innigster Wunsch wäre es gewesen, sich bald wieder mit der Geliebten zu vereinen. Da erinnerte er sich jedoch ihrer letzten Worte, und daß er nicht das Recht hatte, anders den Tod zu suchen, als in den Reihen der Patrioten. Das war seine Pflicht... er wollte sie erfüllen.

Als die Nacht gekommen, eine dunkle Nacht, kaum erhellt durch den »Blink« der Schneefläche – eine Art weißliche Widerspieglung, welche man in polaren Gegenden am Himmel wahrnimmt – verließ Johann das Haus, in dem die sterblichen Ueberreste Bridgets lagen. Wenige Schritte davon und unter dem Schutze rauchfrostgeschmückter Bäume, hob er mit seinem großen canadischen Messer ein Grab aus. Hier am Rande des Waldes, über dem undurchdringliche Finsterniß lagerte, konnte ihn Niemand sehen und er wollte auch nicht gesehen werden. Niemand würde wissen, wo Bridget ihre letzte Ruhestätte gefunden – kein Kreuz würde ihr Grab bezeichnen. Wenn Joann in dem unbekannten Winkel des Fort Frontenac der Auferstehung entgegenschlummerte, so deckte seine Mutter wenigstens die Erde Amerikas, die geliebte Erde ihrer Heimat. Johann selbst hoffte im nächsten Kampfe den Tod zu finden, und seine Leiche mußte dann, mit so vielen anderen Dahingerissenen, in den Stromschnellen des Niagara verschwinden.

Dann würde nichts – nicht einmal eine Erinnerung – mehr übrig sein von dem, was einst die Familie Morgaz gewesen war.

Als das Grab tief genug erschien, daß für die darin ruhende Todte nichts von den Klauen der Raubthiere zu fürchten war, kehrte Johann nach der Hütte zurück, nahm den Körper Bridgets in die Arme, trug ihn unter die Bäume, drückte einen letzten Abschiedskuß auf die Stirn der geliebten Todten und legte sie, in seinen Mantel aus vaterländischem Stoffe eingehüllt, nieder. Dann bedeckte er sie mit Erde, kniete nieder und betete, bis er mit den Worten schloß:

»Ruhe in Frieden, Du arme, arme Mutter!«

Der Schnee, welcher eben herabzuwirbeln begann, hatte bald die Stelle verhüllt, unter der Diejenige ruhte, welche nicht mehr war, welche nie hätte sein sollen!

Dann aber, wenn die Soldaten Mac Nab's eine Landung auf der Insel Navy versuchen würden, wollte Johann wieder in die vordersten Reihen der Kämpfenden eilen, um einen rühmlichen Tod zu finden.

Schon am nächstfolgenden Tage, dem 19. December, in den ersten Morgenstunden erkannte man, daß der Oberst Mac Nab zu einem unmittelbaren Angriff[380] überzugehen beabsichtigte. Große flache Boote lagen in Reihen längs des Ufers unterhalb des Lagers von Chippewa. Aus Mangel an Artillerie waren die Blaumützen außer Stande, jene Boote zu zerstören, ehe sie sich in Bewegung gesetzt, noch sie aufzuhalten, wenn sie über den Strom daherkamen. Ihr Heil lag nur darin, sich einer gewaltsamen Landung zu erwehren, indem sie sich an dem bedrohten Punkte sammelten, und doch vermochten wenige Hundert Mann sich kaum jener Ueberzahl von Angreifern zu erwehren, wenn diese gleichzeitig an verschiedenen Stellen der Insel aus Land gingen. Hatten die Königlichen aber einmal Fuß gefaßt, so mußte ein Sturm auf das Lager unmittelbar folgen, und die Vertheidiger desselben, welche immerhin zu zahlreich waren, um in den Booten von Schlosser auf einmal Platz zu finden, mußten niedergemetzelt werden, ehe sie sich auf amerikanischen Boden flüchten konnten.

Diese bedrohlichen Aussichten beunruhigten vor Allem Herrn de Vaudreuil und dessen Freunde. Sie begriffen zu gut die Gefahren einer solchen Lage. Um denselben zu entgehen, hätten sie freilich sich nur nach Schlosser zurückzuziehen brauchen, so lange der Wasserweg dahin noch frei war. Doch Keiner derselben wollte von der Stelle weichen, ehe er nicht bis zum letzten Blutstropfen gekämpft hatte.

Vielleicht hielten sie sich auch für stark genug, um ernsthaften Widerstand zu leisten, und stellten sie sich die Schwierigkeiten einer Landung größer vor, als diese thatsächlich waren.

Jedenfalls gab sich indeß Einer von ihnen darüber keiner Täuschung hin. Dieser Eine war Meister Nick, der sich so gänzlich wider Willen in diesen Kampf verwickelt sah. Seine Stellung an der Spitze der Mahoganni-Krieger erlaubte ihm aber nicht, seinen Befürchtungen Ausdruck zu geben.

Was Lionel anging, so erhob diesen sein Patriotismus über jeden Zweifel.

Der junge Schreiber kam übrigens mit dem Erstaunen über das unerwartete Wiedererscheinen seines Helden gar nicht hinweg. – Johann ohne Namen war der Sohn eines Simon Morgaz!... Der Abbé Joann der Sohn eines Verräthers!

»Nun wohl, wiederholte er sich dann, sind deshalb Beide weniger gute Patrioten? Und hatte Fräulein Clary nicht ganz Recht, für Johann und seine Mutter einzutreten? O, die wackere junge Dame!... Das war edel von ihr!... Das war einer Vaudreuil würdig!«[381]

So war der Gedankengang Lionels, der mit seinem Enthusiasmus nicht feilschte und nimmer glauben konnte, daß Johann die Insel Navy verlassen habe, um diese nicht wieder zu betreten. Nein, nein! Johann ohne Namen würde wiedererscheinen, und wäre es nur, um bei der Vertheidigung der nationalen Sache zu sterben!

Dann kam der junge Schreiber auch bald zu folgender, ganz gerechtfertigter Anschauung:

»Warum sollten die Kinder eines Simon Morgaz nicht die besten Menschen sein können, da ja der letzte Abkömmling einer kriegerischen Rasse ebenfalls nicht das Geringste von seinen Vorfahren geerbt hatte, da der Stamm der Sagamores – sogar in einen Notar auslief!«

Was Lionel von Johann ohne Namen glaubte, das glaubten ebenso Thomas Harcher und seine Söhne, die ihn ja schon lange in seinem Thun und Treiben beobachten konnten. Hatte denn Johann, indem er hundertmal sein Leben in die Schanze schlug, das Verbrechen Simon Morgaz' noch immer nicht wett gemacht? Wahrlich, wären sie bei jenem häßlichen Auftritte anwesend gewesen, sie hätten sich nicht beherrschen können, hätten sich auf die tobende Menge gestürzt und jene abscheulichen Schmähungen mit dem Blute der Verblendeten abgewaschen. Und hätten sie gewußt, wohin Johann sich zurückgezogen hatte, so gingen sie bestimmt dahin ihn zu suchen, ihn zu den Blaumützen zurückzuführen und an deren Spitze zu stellen.

Zur Ehre der Menschheit müssen wir übrigens erkennen, daß sich seit der Vertreibung Johanns und Bridgets eine völlige Umwandlung der Gemüther vollzogen hatte. Die Gefühle Lionels und der Familie Harcher wurden jetzt von der Mehrzahl der Patrioten getheilt.

Gegen elf Uhr Vormittags begann nun das Vorspiel des Angriffs. Die ersten Vollkugeln der Batterie von Chippewa sausten über das Lager hinweg und einige Bomben trugen Tod und Verderben über die Insel. Es wäre unmöglich gewesen, sich gegen diese Geschosse zu schützen, da das Terrain ziemlich flach, nur von einzelnen Baumgruppen unterbrochen und durch ziemlich dünne Hecken abgetheilt war, während den Vertheidigern nur einige Schulterwehren, welche nach der Seite des Stromes zu mit beraster Erde bedeckt waren, zu Gebote standen. Der Oberst Mac Nab suchte offenbar erst den Uferabhang zu säubern, ehe er den Uebergang über den Niagara unternahm – eine Operation, welche trotz der beschränkten Anzahl der Vertheidiger immerhin ihre Schwierigkeiten hatte.[382]

Die meisten Kämpfer umringten jetzt das Haus des Herrn de Vaudreuil, das wegen seiner Lage am rechten Ufer, gegenüber von Schlosser, dem Feuer der Geschütze weniger ausgesetzt war.

Beim ersten Kanonendonner hatte Herr de Vaudreuil Befehl gegeben, daß alle Personen, welche nicht Combattanten waren, sich auf amerikanisches Gebiet begeben sollten. Die Frauen und Kinder, welche bisher hier geduldet worden waren, mußten sich also einschiffen, nachdem sie ihren Gatten, ihren Vätern und Brüdern Lebewohl gesagt, und wurden nach dem anderen Ufer übergeführt. Auch das war nicht ohne Gefahr, denn die stromauf- und stromabwärts von Chippewa aufgestellten Geschütze bedrohten die Boote von beiden Seiten. Einige Kugeln schlugen sogar auf amerikanischen Boden ein – was natürlich die berechtigtsten Reclamationen seitens der Bundesregierung hervorrief.

Herr de Vaudreuil hatte auch von seiner Tochter verlangt, daß diese nach Schlosser entfliehen sollte, um daselbst den Ausgang des Kampfes abzuwarten. Clary weigerte sich aber ihn zu verlassen.

»Mein Vater, erklärte sie, ich muß in Deiner Nähe weilen und werde also dableiben. Das ist meine heilige Pflicht.

– Und wenn ich den Königlichen in die Hände falle?...

– O, so werden sie mir nicht verwehren, Dein Gefängniß zu theilen.

– Und wenn ich getödtet werde, Clary?«...

Das junge Mädchen antwortete nicht; Herrn de Vaudreuil gelang es jedoch nicht, ihren Widerstand zu beugen. Ja, sie stand an seiner Seite, als er in den Reihen der vor dem Hause versammelten Patrioten Platz nahm.

Die Kanonen krachten jetzt mit erschreckender Gewalt; das Lager mußte bald nicht mehr zu halten sein. Immerhin war ein eigentlicher Landungsversuch noch nicht gemacht worden, sonst hätten das die hinter den schwachen Uferverschanzungen stehenden Blaumützen sicherlich gemeldet

Vor dem Hause befanden sich jetzt Vincent Hodge, Clerc und Farran, Thomas, Pierre, Michel und Jacques Harcher. Hier standen auch Meister Nick und Lionel mit den Mahoganni-Kriegern, welch' letztere ihre gewohnte Ruhe selbst in diesem gefährlichen Augenblicke bewahrten.

Da nahm Herr de Vaudreuil das Wort.

»Kampfgenossen, sagte er, wir stehen vor der Aufgabe, das letzte Bollwerk unserer Unabhängigkeit zu vertheidigen. Wenn Mac Nab uns besiegt, so ist der Aufstand niedergeschlagen, und wer weiß, wann einmal neue Anführer und[383] neue Kämpfer die Waffen einst wieder erheben können. Werfen wir die Angreifer zurück, gelingt es, uns hier zu halten, so wird auch aus Canada von überall her Hilfe herbeieilen. Unsere Parteigänger werden neue Hoffnung schöpfen, und dann machen wir aus dieser Insel eine uneinnehmbare Festung, in der die nationale Sache stets einen sicheren Stützpunkt findet. – Seid Ihr bereit, sie zu vertheidigen?

– Bis zum Tode! antwortete Vincent Hodge.

– Bis zum Tode!« wiederholten dessen Genossen.

Da schlugen einige Vollkugeln etwa zwanzig Schritte davon in die Erde ein, ricochettirten eine Strecke hin und wirbelten eine mächtige Schneewolke auf.

Keiner der Blaumützen machte die geringste Bewegung. Sie erwarteten die Befehle ihres Führers.

Herr de Vaudreuil fuhr also fort:

»Es ist nun Zeit, uns nach dem Ufer zu begeben. Die Artillerie von Chippewa muß bald schweigen, denn die Königlichen werden den Uebergang zu erzwingen suchen. Zerstreut Euch also längs des Uferabhanges, sucht Schutz hinter den Felsen und wartet, bis die Boote in Schußweite herankommen. Die Söldner Mac Nab's dürfen nicht aus Land kommen...

– Sie werden keinen Fuß darauf setzen, sagte William Clerc, und wenn es ihnen doch gelänge, treiben wir sie in den Niagara zurück!

– Auf unsere Posten, Freunde! rief Vincent Hodge.

– Ich werde mit Euch gehen, erklärte Herr de Vaudreuil, so lange mich die Kräfte nicht verlassen...

– Bleibe hier zurück, Vaudreuil, bat Farran. Wir werden immer in Verbindung mit Dir sein...

– Nein, Freund, erwiderte Herr de Vaudreuil, ich werde da sein, wo ich sein muß!... Kommt!...

– Ja, vorwärts, Patrioten!... Die Boote sind schon vom canadischen Ufer abgestoßen!«

Alle drehten sich bei diesen mit lautschallender Stimme gesprochenen Worten um.


Der Uebergang wurde mit Gewalt erzwungen. (S. 389.)
Der Uebergang wurde mit Gewalt erzwungen. (S. 389.)

Johann stand vor ihnen. In der verwichenen Nacht hatte ein Boot ihn wieder nach der Insel geschafft, Niemand aber ihn erkannt. Nachdem er sich auf der Seite nach Chippewa zu verborgen gehalten, hatte er die Vorbereitungen des Oberst Mac Nab beobachtet, ohne sich um die Geschosse zu bekümmern,welche den Uferabhang zerrissen. Als er dann bemerkte, daß die Angreifer sich zum gewaltsamen Uebergang anschickten, war er gekommen – offenen Gesichts gekommen, seine Stelle unter den früheren Waffengefährten einzunehmen.

»Ich wußte es doch!« rief Lionel.

Clary de Vaudreuil war an den jungen Patrioten herangetreten, gleichzeitig mit Thomas Harcher und dessen Söhnen, die sich um ihn drängten.

Herr de Vaudreuil bot Johann die Hand.

Johann nahm dieselbe nicht.

»Ihr Vertheidiger der Insel Navy, sagte er, meine Mutter ist todt, ist der Schmach erlegen, die Ihr der Armen angethan habt. Jetzt ist von der Familie, welche ein unseliges Geschick der Verachtung preisgegeben, Niemand mehr übrig als ich! Unterwerft Euch der Schande, einen Morgaz an Eurer Seite kämpfen und für die Freiheit der französischen Canadier sterben zu sehen!«

Begeisterte Beifallsrufe erschallten nach diesen Worten, alle Hände streckten sich Johann entgegen – doch auch jetzt verhinderte er es, daß sie die seinigen berührten.

»Leb' wohl, Clary de Vaudreuil! sagte er.

– Leb' wohl, Johann! antwortete das junge Mädchen.

– Ja, und... zum letzten Male!«

Dann stürmte er, Herrn de Vaudreuil, seinen Gefährten und allen denen voraus, die wie er den Tod suchen wollten, nach dem linken Ufer der Insel.

Quelle:
Jules Verne: Die Familie ohne Namen. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LVII–LVIII, Wien, Pest, Leipzig 1893, S. 377-385,387.
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