Anakreontisch

[56] Es ist unglück zu buhlen und nicht zu buhlen.


Der, welcher buhlet, hat vil plag

und der nicht buhlet, hat all tag

auch müh gnug, sein herz zu verdrießen;

der aber hat mehr pein und reu,

der nach bewehrter lieb und treu

kan seiner diensten nicht genießen.


Lehr, adel, tugend, kühnheit, zucht

seind zu der lieb nun gar ohn frucht,

den künsten die leut nichts nachfragen;

und die jungfrauen diser zeit

(schier alle feil) erheben weit

die, so am mehrsten geld zutragen.


O daß der jämerlich verderb

und greulich sterb und wider sterb,

der das gold erstlich hat erfunden!

dardurch verblindet die blutsfreind,

mehr, dan natürliche todsfeind,

sich hassen, von geiz überwunden.


Daher entspringet alle not,

verdruß, neid, zwietracht, krieg und tod,

angst, trauren, sorgen und mistrauen.

darum, ihr jüngling, seid doch weis,

zu hüten euch mit allem fleiß

für allen geizigen jungfrauen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 56-57.
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