Gemälde, unvollkommenlich begreifend die unbegreifliche vollkommenheit, damit Frau Amelia Elisabeth, landgräfin zu Hessen gezieret

[265] O Musen, die ihr mich durch eurer lieb genuß

in krankheit, arbeit, leid und des hofs überfluß

mit arznei, ruh, trost, maß erquicket und erhalten,

erweiset dieses mal durch ein besondre gunst,

die ich von euch ersuch, daß eurer lieb inbrunst,

wie mein herz gegen euch, kan nimmermehr erkalten.

Gleichwol wan ich bedenk, daß euch, wie mir, bewust

mit wie getreuer lieb und mit wie keuschem lust[265]

ich stets euch und ihr mich geehret und gelehret,

daß ich auch eure lehr und ehr nicht gab dahin

für einiger geilheit, golds oder gelts gewin,

so weiß ich, daß ihr mich in allem gern gewehret.

Zwar die, für welche nu ich eure gunst begehr,

hat eure eigne zucht und jeder tugend lehr,

alsbald vom himmel sie zu uns herkam, empfangen,

da ihr geburtstag dan, des Teutschlands freudenfest,

weil ihr der himmel gab das schönest und das best,

war von den tugenden und euch selbs gern begangen.

Da sanget ihr zumal mit klar und wahrer stim:

»Willkom, du himmelskind, von dem des himmels grim,

welchen er wider uns, soll bald gestillet werden!

willkom der tugend seel, willkom der schönheit leib,

denen gleich keine Nymf, noch keines helden weib,

willkom des himmels lieb, willkom die zierd der erden!

Dich göttin des Teutschlands will gottes gnadenhand

mit allem seinem schatz, auf daß doch in Teutschland

die treu erhalten werd, vollkommenlich begaben:

und du, landgräfin, solt auf ganz gleichlose weis

mit wunderreicher müh, mit heldengleichem fleiß

des höchsten wort und volk handhaben und begaben.

Dan wolt schon mancher held mit deiner schönheit pracht,

mit deiner weisheit schatz, mit deiner tugend macht

sein herz, sein volk, sein land erquicken, segnen, zieren,

soll ihrer keiner doch zu seiner frechheit straf,

weil keiner deiner wert, dan allein ein landgraf,

zwar nur ein kurze zeit mit deinem schmuck prachtieren.

Dan demnach in Teutschland die fürsten mehrer theils

verachtend gottes wort, nichts achtend des volks heils,

feig, üppig, ungerecht, nur ihrem lust nachtrachten,

daher der himmel will, daß sie, wie sie dan wert,

einander, voll und doll, mit ihrem eignen schwert,

mit ihrem wein ihr blut und schand vermischend, schlachten:

Hat dich der höchst gesandt, ein fürstliches geschlecht,

das ihm sehr lieb, und dan die gotsforcht, treu und recht,

von zwang und undergang erhaltend, zu vermehren,

und soll das teutsche reich dein götlicher verstand,[266]

den helden ein beispiel, wie auch dein mund und hand

sein alte redlichkeit und wohlfahrt wieder lehren.

Wolan, so wachs nu bald an gottes lieb und gnad

zu aller frommen trost; gewiß auf unserm pfad

soll über allen wunsch dir stets so wol gelingen

und sollen deine werk so herrlich und so vil

und unvermehrlich sein, daß unser stim und spil

wird sein zu schwach und schlecht, dich nach gebühr zu singen.«

Und dieses sangen sie mit süßer melodei

und noch vil mehr darzu, als eine prophecei,

die man mit großer freud sah ohn verzug erfüllen,

dan dieses himmelkinds geschmöll, spil und anblick

bezeugten, daß sie solt, verhindrend das unglück,

vorkommen ihrer zeit und des volks klagen stillen.

Auch kan die weite welt kein liecht, blum oder stein

des himmels, lands und meers, wie immer klar, schön, rein,

als diser unser stern, ros und perlein bereichen;

sich kan kein andre zierd mit disem höchsten schmuck

diser vollkommenheit, des himmels meisterstuck,

genant Amelia Elisabeth, vergleichen.

Der spiegel, welchen sie stets zu gebrauchen pflag,

war die fürsichtigkeit, die sie dan nacht und tag

bald ihre schuldigkeit und der welt thorheit lehret:

daher ohn anstreichfarb, ohn fürwitz und ohn kunst

ist ihr nichtfalscher pracht die höchste zierd und gunst,

mit denen die natur ihr ehr und zucht gewehret.

Der schönheit, so ihr gold, erquickend reicher glanz

krönet ihr wertes haupt mit wahrer weisheit kranz,

ihr leib von tugenden, als kleinoten, ganz glänzet;

gleich einem güldin stuck die gotsforcht um und um

ganz ihren leib und geist, gleichwie ein heiligtum,

wie dan die göttin selbs, erleuchtet und ergänzet.

Alsbald sie frölich nun ankam bei dem schiedweg,

da der ein flach, breit, gut für die weich und träg,

der ander aber hoch, rau und eng durchzukommen,

hat sie sich nicht so lang als Herkules bedacht,[267]

sondern für ihre reis mit großem mut und macht

der tugend rauen rank zu treten fürgenommen.

Kein wollust, kurzweil, spil, gedicht, noch buhlerschrift,

und was der zeit verlust, und was der jugend gift,

kont ihren fleiß und ernst von dieser reis abwenden;

je höher die steg war, je frischer ihre reis.

und jemehr solcher paß erfordert müh und schweiß,

je mutiger ist sie, den weg wol zu vollenden.

Ihr götliche vernunft, von aller eitelkeit

und allem anstoß frei, mit kluger fertigkeit

half über ihren feind ihr mutig allzeit sigen,

bis sie, stets fahrend fort, mit lieblichem bestand,

mit angenehmer müh und götlichem beistand

den gipfel und den thron der höchsten ehr erstigen.

Daher ward mancher held von ihres werts gerücht

und ihrer schönheit kraft durch das ohr und gesicht

mit wunder und mit lieb versehret und verzehret;

doch selig ward mit ihr allein der große prinz,

dem, als der götter freind, daß sein haus und provinz,

durch sie vermehret würd, der himmel sie bescheret.

Der fürst, erkennend wol, wie köstlich sein gewin

an diesem kleinot war, zog selbs nach Hanau hin,

da sie dan über ihn, er mit ihr triumfieret;

und auf daß er fürhin mit seinem volk und land

from, frei und frölich blieb, hat mit getreuer hand

er diese göttin selbs gesegnet heimgeführet.

Zwar ihrer schwanen lied und ihrer Nymfen leid,

damit der Main und Rhein vermischten ihre freud,

ließ hochzeit noch heimfart so frölich nicht abgehen,

daß nicht, Europa gleich, das väterliche feld

verlassend, sie, die zierd des lands und aller welt,

süß seufzend sich aus lieb nach ihnen must umsehen.

Doch froh ist Hessenland, da sich dan mancher fluß,

wald, forst, feld und gebürg mit allem überfluß

an fischen, wild, vih, frucht, holz und gevögel findet;

da auch manch schöne stat, fleck, vestung und gebäu

und sonderlich ein volk, from, redlich, kühn, getreu,

sich selbs und seinen feind gemeinglich überwindet.[268]

Zu Cassel jederman, den fürstlichen einzug

zu ehren, zeiget sich geflissen, kunstreich, klug,

beschönend jeden paß mit reichen triumfbogen,

darunder dan mit freud die göttin überklar,

von aller ritterschaft und der halbgötter schar

durch des volks herzliche glückwünschung eingezogen.

»Willkom, du unsers heils bekräftigung, willkom!«

erklangen durch die luft die Nymfen um und um

mit dem getös der Fuld und Weser laut zusammen:

»o lang begehrter trost und nu gewehrter ruhm!

des himmels süße lieb, des erdreichs schönste blum!

willkom, zu segnen uns mit deinem schönen namen!

Des weiblichen geschlechts gleichlose zier und ehr,

des fürstlichen geblüts weis und gerechte lehr,

mit deiner gegenwart kom uns nu zu erquicken!

du einiges beispil des hochgebornen stands,

du spiegel alles werts, du göttin des Teutschlands,

mit deinem süßen glanz kom uns nu zu beglücken.

Schau und erken uns nu, uns, die wir numehr dein!

laß uns, laß dises land nun deine fürsorg sein,

dan dir der feinden list und anschläg nicht verborgen;

beschau, beschütz, besitz durch unsers fürsten hand

und deinen weisen rat die kirchen und das land

und thu, wie wir für dich, du für uns freindlich sorgen!

Glückselig manches jahr wird mit dir dein gemahl,

als dem die weite welt kein würdigere wahl,

dan dich, der welt selbs wert, verleihen kont wolleben;

und göttin (dan dir ja kein weibsbild jemal gleich)

got will vil freud, hilf, glück ihm, disem land und reich

durch deine weisheit, müh und leibsfrucht endlich geben.

Wan aber mit der zeit (dan eines jeden zil

vest, unveränderlich) der held aus der welt spil

wird zu der götter zunft von dir und uns gerissen,

alsdan dein großer mut und götliche vernunft,

allzeit bereitend dich zu alles leids ankunft,

wird dich nach gottes wort schon zu bequemen wissen.

Jedoch bleib, göttin, du, wie du bist, wol zu mut,

genieß, wie wir durch dich, so du mit uns, das gut,[269]

so der höchst beederseits freigebig uns mittheilet,

bedenkend, wan es gnug, daß ja ein jeder tag,

wan got will, mit geduld erduld sein eigen plag,

daß der allein, der uns versehret, uns auch heilet.

Wolan, bleib frölich hier und emsiglich erfüll

dein sauersüßes ampt und was got haben will,

und bleib nu des lands sonn, davon wir stark und munder,

des fürsten bester schatz, der frommen hohe freud,

der kirchen liebes liecht, der feinden tiefes leid

des rats und staats gestirn, der welt phönix und wunder.«

Hiemit in höchster freud war sie gen hof gebracht,

da mäniglich bekant, daß nicht mit größrem pracht

die göttin Cynthia in vollem glanz zu sehen;

ja, alle göttinnen, wie immer schön, weis, reich,

als die mit allem schmuck der unsrigen nicht gleich

müssen an schönheit ihr und tugent weit nachgehen.

O große mayestet! o süßer herzenzwang!

o zimliche statur! o göttingleicher gang!

o seelgewinnende bewegung, stand, geberden!

o herzeinnemende recht weise red und sprach!

o stim, errettend uns von allem ungemach!

holdselig sanfte art, daran nichts von der erden!

Von welches engels mund kan aber mein verstand,

von welcher Nymfen form kan aber meine hand

so vil vernunft und kunst zu lernen recht begehren,

davon er ihres geists und höchsten weisheit macht,

davon sie ihres leibs und höchsten schönheit pracht

gelehret, völliglich die weite welt mög lehren?

Zwar ihrer seelen schatz und ihrer tugend ruhm,

zwar ihres leibs gestalt und ihrer schönheit blum

der sterblichen gesicht natürlich fürzubringen,

muß ich, was immer gut, holdselig, schön und pur

an göttern, göttinnen, an Nymfen und natur

zu sein mit wahrer kunst gesungen, von ihr singen.

Wie an dem morgen klar der sonnen klarer schein,

also auf ihrem haupt ein haar von gold sehr rein

den himmel ihres leibs erleuchtet und bereichet,

und ihrer haaren schatz ist so unschätzlich reich[270]

daß ihm der sonnen gold, dem es zwar nicht ungleich,

gleichwie die morgenröt auch ihrem antlitz weichet

Nächst zu des haupts gezelt ist ein glatweißer plan,

da stiften vil kurzweil die Liebelein oft an,

die doch die mayestet zu der gebühr verbindet,

und dise marberbahn ist gleichsam das gestad

des fließenden goldstroms, darauf sich straf und gnad

mit keuschheit und mit lieb stets in gespilschaft findet.

Ihr angesicht gleichlos ist ein gleichloser gart.

ein gart? nein, sondern wol ein wunderreiche chart,

darein des himmels hand der schönheit land begränzet;

jedoch mit dem geding, daß sich ein jedes glid

des leibs darzu bequem, auf das ein edler frid

in dieser schönheit reich bleib (mangellos) ergänzet.

Zwar ist es als ein gart, alda mit höchstem fleiß

der höchste gärtner wolt die blumen rot und weiß

stets unverwelklich süß vermischen und versetzen

und da mit ernst und scham die reine gilg und ros

vermählet spreissend sich in ihrer reichtum bloß,

das herz und aug zugleich verletzen und ergetzen

Ein artliches gebäu, ein hübsch erhabne zier

des gartens, streckend sich, absöndert ihn, und schier

unsichtbarlicher weis erreichet die augbrauen

darunder man dan kan der lieb und tugend stärk,

darunder man dan muß der natur wunderwerk,

zwar ohn verwundrung nicht, doch auch mit ehr, anschauen.

Gewölbet beederseits erheben sich zugleich

aus solchem marbergrund, an schein und farben reich,

zween bogen, diser welt die schönste triumfbogen,

darunder kommen dan lieb, schönheit, süßigkeit,

mit keuschheit scham und ehr, zucht mit holdseligkeit

und alle tugenden prachtierend eingezogen.

Und dises plans gewölb, der lieb und tugend schanz,

ist für der keuschheit schmuck ein doppelt halber kranz,

damit die tugend, sich beschönend, wird gekrönet.

nein, dises firmaments gedoppelter neumon[271]

ist von liechtbraunem gold ein zwiefach reiche kron,

damit die schönheit selbs, sich krönend, mehr beschönet.

Nu zwischen diser schanz, in disem ehrensaal,

sih ich, ich weiß nicht recht, was ich sih für ein mal,

der schönheit maß und mark, der mayestet merkzeichen:

der schönen Griechin stirn hat gleiches mal und pracht,

jedoch nicht gleichen sin, noch gleicher tugend macht,

dan hier die götter selbs aus forcht und ehr verbleichen.

Wie der lieb bogen nun und wie des weisheit stirn

der schönheit wunder seind: also auch ein gestirn,

das unvermehrlich klar, ereuget sich darunder;

ereuget? nein, vilmehr mit sonnengleicher hitz

erzeiget glanzreich sich der lieb und keuschheit sitz,

der schönheit schönstes liecht, der schönsten wunder wunder.

Zween augstern, ein gestirn, ganz schein- und schönheitreich,

die, blau, dem firmament und, hell, der sonnen gleich,

bewegend götlich sich die seelen selbs bewegen;

und ihrer klarheit liecht, als unvermehrlich klar,

als ihrer wirkung kraft unwiverständlich wahr

erweckend die gotsforcht den schnöden lust bald legen.

Gleichwie ein rosengart zu frischer frühlingszeit,

erzeiget blühend sich auf ein und andrer seit

die zarte lieblichkeit gedoppelt ihrer wangen,

da dan die ros schamrot, da dan die gilg schneeweiß

vermischend ihren ruhm, der natur kunst und fleiß

beweisen, indem sie als eine blum beed prangen.

Ihr mund, süß schmollend schön, kan mit gnad oder buß

bald allen andern mund, weil ihn ein jeder muß,

doch nicht gnug loben kan, eröfnen und beschließen;

auch söndert sich niemal ihr rubinlefzenschatz,

dan nur, des himmels lehr und der weisheit gesatz

dem menschlichen gemüt durch das ohr einzugießen.

Die person, die einmal nur einen süßen blick

von diser göttin aug, das allerhöchste glück,

so das aug haben kan, kan seinem aug verleihen,

die mag dem himmel wol, wan er ihr schon mehr nicht[272]

solt einiges gestirn, noch schönes angesicht

nach lust zu schauen an, verleihen, gern verzeihen.

Und dises liebgebäu, der tugenden lusthaus,

ergänzet seine zierd und herrlichkeit durchaus

durch ein weißglatte seul, die sich darunder strecket

an zweier hügel schnee und an der gilgen thal

die doch erbebend sanft bewegen sich zumal,

seind vor des menschen aug verhüllet und bedecket.

Wer? wer sah doch jemals ein so zart weiße hand,

die würdig nicht allein das schwürige Teutschland,

sondern den erdkreis ganz zu stillen, zaumen, zieren?

zwar ist an schönheit sie nicht einig und allein,

dieweil der himmel wolt mit gleicher schönheit schein

ein andre zwillinghand zu ihrer hilf formieren.

Auch dise werte hand für dise schwere zeit

und für die schlimme welt voll aufruhr, krieg und streit

hat got zu unserm schutz und trost so vil gelehret,

daß, nachdem sie des lands regierungszaum annam,

das land alsbald davon erleichterung bekam,

weil sie zu solchem werk geübet und bewehret.

Ach, dises lebens freud, so brüchig als ein glas

und unser leben selbs verdörrend als das gras,

will, daß wir alles schwach und nichts langwürig glauben;

kein mensch ist von geburt und von dem glück so hoch,

der sich nicht neigen muß auch under des tods joch,

den nicht ein augenblick kan seines ruhms berauben.

Des wollusts und der freud ist leid und klag die zucht,

des samens der kurzweil ist traurigkeit die frucht,

des lachens süßigkeit die thränen oft versauren;

und daß die sterblichen aus schwachheit nimmermehr

vergessen ihres stands, wird ihr ruhm, pracht und ehr

zu nichts und ihr triumf verändert sich in trauren.

Daher, als der landgraf, um den cypressenkranz

verwechslend den lorber, verdunkelt unsern glanz,

den uns die fürstin gab, kont uns kein liecht mehr taugen;

dan weil ihr haupt, brust, leib mit schwarzem wittibkleid,

als einer finstern nacht, bezeuget unser leid,

genießen wir allein des tags von ihren augen.[273]

Zwar dieses schwarz gewand kan nicht den scharfen schein

eines so klaren liechts und feuers, das so rein

und übermenschlich uns erleuchtet, dunkel machen;

dan ja die höchste sonn hat mit so hoher kraft

begabet ihre seel, daß sie nicht mangelhaft,

sondern vollkommen gut zu allen hohen sachen.

Gleichwie, wan Progne sich mit ihrem schnellen flug,

gleichwie, wan Alcyon will künstlich, frei und klug

sich nisten auf dem meer, sie beede sich beglücken

und dan den grund mit gras, mit blumen alles feld,

mit lust, gesang und laub die vögel und die wäld

mit sanftem luft die lüft und mit freud uns erquicken.

Also alsbald nach wunsch wir diser göttin huld

erworben und sie kam von dem Main zu der Fuld,

da hat sie alle forcht und schwürigkeit gestillet:

auch hat stets ihr gemahl, nach ihrem weisen rat

fürnemend seine werk, vollführend seine that,

sie, sich selbs und sein land mit lieb, lob, lust erfüllet.

Nun aber nachdem er früh in des himmels saal

getreten und numehr der großen götter zahl

vermehret und dann ihr das regiment verlassen,

hat sie derhalb allein mit götlichem verstand

mit unverzagtem mut, mit heldengleicher hand

das steuer in dem sturm zu halten gern erfassen.

Fürsichtig, from, gerecht und weis kan sie geschwind

durch ungewitter, sturm und ungestümen wind,

wie immer groß die not, forchtlos und frei passieren;

dieweil allzeit der höchst ihr gleit, ihr stern, ihr port,

der sie mit ihrem volk, gehorchend seinem wort,

kan und will sicherlich erhalten, segnen, führen.

Die fablen melden uns, daß Cybela, mit mut

und mit geschicklichkeit der löwen grim und wut

zäumend, sie zu dem zug des wagens angerichtet:

die wahrheit weiset uns, daß diser fürstin kunst

der kriegsleut grausamkeit und, mit ernst oder gunst,

des volks halsstörrigkeit und alles unglück schlichtet.

Ihr arbeit müh und sorg ist einig und allein,

daß das gemeine gut mög wol versorget sein[274]

und daß des volks wolfahrt bleib sicher und bedecket;

da dan die gotsforcht ihr zu solchem schweren werk

verleihet alle hilf und mehret ihre sterk,

daß under ihrem schutz sie kein gefahr erschrecket.

Daß niemand hören mög ein oder andre klag

wird ihre hand nicht müd ab dem schwert, noch der wag,

so die gerechtigkeit in ihre händ vertrauet;

daher von ihrer hand, die niemal schwach, müd, alt,

davon den tugenden ihr bester aufenthalt

ihr haus zu wehren stets wird wieder neu erbauet.

Bedenkend was sein mag zu lützel und zu vil,

erreichet ihr anschlag allzeit sein rechtes zil,

weil mit der weisheit liecht der weg sich keichtlich findet;

und ist ihr glanz so groß, daß des feinds list und lust

mit seinem frechen stolz und zorn aus seiner brust

ausbrechend, ihn selbs stracks verblindend, gar verschwindet.

Ihr urteil und gericht, scharfsichtig, ist so klar,

daß darauf andrer red gegründet allzeit wahr,

daß unverwürflich auch ihr reden und ihr schreiben:

daher die götter dan durch das ohr und gesicht

von ihres schönen munds und ihrer schrift bericht

gleichsam verzaubert, selbs ganz unbeweglich bleiben.

Stets wacker, niemal müd, und emsig ohn beschluß,

ohn ablaß arbeitsam und wachsam ohn verdruß,

doch der gemeinen ruh begirig und beflissen,

bekriegend unsern feind für des lands frid und ruh

durch ihres kriegsvolks faust, thut sie das aug nicht zu

und will vergessen nichts, vil sorgen, alles wissen.

Versehen ist ihr mut mit solcher freindlichkeit,

und ihre mayestet mit solcher höflichkeit,

mit solcher güt und gnad ihr ernst und ihr ansehen,

daß selten eine seel, rau, grob, wild, ohn ein joch,

daß selten ein gemüt, wie immer hart, stolz, hoch,

kan ihres augs befelch und willens dienst entgehen.

In krankheit, theurung, leid barmherzig, gütig, mild

ist sie der armen arzt und der bedrangten schild,[275]

die dan durch ihre hand bald bessern und genesen;

auch pfleget freindlich sie die tugend, fromkeit, kunst

von ihrer armut frost und von des unglücks brunst,

freigebig als die sonn und das meer, zu erlösen.

Betreffend gärten, weid, feld, weinbau und viehzucht

kan in dem land und haus mit blumen, korn, wein, frucht

für ihr kein heidengot noch göttin mehr bestehen;

sie weiß des regiments und der haushaltung kunst,

der zeit vergehet ihr kein augenblick umsunst,

alles kan sie allein verstehen und versehen.

Ein solches werden stets und (dankbar) thun auch schon

vil, deren müh und lehr der Musen grüne kron

gebühret, nach gebühr unsterblich stets bezeugen:

ja jeder nation und einer jeden sprach

wär es unleugbarlich ein große schand und schmach,

wan sie ihr lob und ehr und namen solt verschweigen.

Was aber sing ich vil, wan ihr verdienst so groß,

daß mein gesang, ihm gleich zu sein, sein must endlos,

dan meinen mangel stracks ihr überfluß verhöhnet;

von nöten wär mir wol zu solchem werten werk,

daß der höchst meinen geist mit aller künsten stärk,

als ihren leib und seel mit wundern er beschönet.

Zwar ist sie an verstand und an schönheit schon gleich

und durch ihr wert und glück wie würdig also reich,

wolt ihr der himmel doch ein karges stück erweisen:

dan weil durch seine gnad sie diser welt gestirn

so lobreich als gleichlos, erschuf er doch kein hirn,

gelehrt und kunstreich gnug, sie würdiglich zu preisen.

Auch torecht wär ich wol, wan ich, wie immer gern

ich mein gesang erkling, wolt diesem klaren stern

vermehren seinen glanz durch meiner federn schatten;

villeicht, wie ich dan wünsch, vermag des himmels gunst

den schwanen ihres lands mit mehrer lehr und kunst

ein lied von ihr nach mir zu singen, wol gestatten.

Ein solches recht zu thun, den vortheil haben sie,

daß ihre fürstin gern will ihrer treu und müh[276]

mit kaum verdienter gnad (o große gnad!) begegnen:

da ich hingegen darf und will ein solches glück

kaum wünschen, daß sie solt mit einem gnadenblick

mein lied, wie immer wahr, doch gar zu nider, segnen.

O fürstin, deren wert der weiten welt bekant,

billich der kirchen trost, der frommen schutz genant,

des sterblichen verstands unsterbliches exempel!

zierd alles fürstlichen und höchstgeehrten stands!

o spiegel aller ehr! o göttin des Teutschlands!

o aller tugenden ganz himmelischer tempel!

Ihr, deren haupt und herz schier gar ohn ruh und rast

den sehr beschwerlichen kriegs- und regierungslast

kan allein, doch mit rat, versorgen, halten, tragen:

ich wär der kirchen heil und dem gemeinen gut

zuwider, wan ich solt verhindern eure hut,

wan ich solt länger euch aufhalten und mehr sagen.

Auch find ich jetzund erst, daß ich für dise sach,

betreffend euern ruhm, vil zu gering und schwach,

und muß, daß ein maulwurf an dem liecht blind, bekennen;

ja, ich empfind numehr, zwar spat und nicht ohn zorn,

daß ein alt lahmes pferd, ob schon von gold die sporn

es stüpfen, machen es doch kaum geschwinder rennen.

So lasset, bit ich euch, o göttin, deren wir

aufopfern mit begird die herzen nach gebühr,

mein willig reiches herz und armes lied gefallen!

von eurer augen glanz wird es bald so fruchtreich,

daß nach mir mäniglich ein solches jetzund gleich

und die nachkommenschaft auch künftig wird erschallen.

Entzwischen wird, weiß ich, euch keine müh noch pein

in disem teutschen sturm trüb und verdrüßlich sein,

ihr werdet, Iris gleich, schön wetter wider führen;

so seid nu wol zu mut! dan bald der theure prinz,

aus eurer keuschen schoß entsprossen, die provinz,

des ganzen reichs wol wert, wird selig mit euch zieren.

Er weiß wol die von euch empfangne wahre lehr,

daß die bäum, deren frucht ist wahre lieb und ehr,

nur allein in dem feld der harten tugend blühen;

und wer erlangen will endloses heil und lob,[277]

der muß from, weis und kühn, zu seines verdiensts prob,

weder beschwerlichkeit, trübsal, noch arbeit fliehen.

Wolan, so lebet lang, lang blühet, ihr und er,

stets zu der kirchen trost und zu des höchsten ehr,

die ungerechtigkeit und bosheit zu vertreiben!

doch wie weis auch der fürst kan sein, wie kühn, gut, groß,

seid ihr stets phönixgleich und ewiglich gleichlos

solt ihr, Amelia Elisabeth, verbleiben.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 265-278.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon