Lieb gegen lieb

[298] Demnach mich Amor selbs numehr ein lange zeit

gezüchtiget und recht zu kriegen underrichtet,

hat endlich sich mein mut, mein lang erwünschte beut

oder den schönsten tod zu erwerben, verpflichtet.

Darum als in dem feld sich Myrta nicht mehr weit

von mir forchtlos befand und neue list erdichtet,

hab, wie sie wider mich, ich wider sie, den streit

anfangend, die geschoß der anblick stracks gerichtet:[298]

Das treffen war sehr groß; dan ihrer augen blick

nicht nur wie pfeil und blitz, sondern wie große stück

zerschmetterten mein herz, vorhin voll tausend wunden;

Endlich hat meine kunst und müh den weg gefunden,

daß wie mein, so ihr herz, numehr mit gleichem glück

verwundet, sich ergab, sigreich und überwunden.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 298-299.
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