12.
Wie Philomena aber mit ir selbs ein gspräch haltet, eins theils in eyfer gegen Rosamunda fallen thet.

[220] Nach disen dingen die liebe Rosamunda gegen dem jüngling Reinhart größlich zůnam, wiewol sye gegen nyemandts dergleichen thet, so lang biß sich zůletst begab, das sye es nit mer verbergen mocht. Nit minder die junckfraw Philomena manchen seltzamen gedancken trůg, ir zům offtern mal fürnam, dem jüngling ir liebe selbs zů öffnen, wo sye nit grosse scham davon entzogen hette.

Als sye nun von Rosamunda, der junckfrawen, sich einig und verlassen sah, fieng sye mit ir selb an auff semlich meynung zů reden: ›Philomena, was gedenckest du, das du also mit einbrünstiger liebe gegen einem jüngling dich einlassest unnd doch nit wissen magst, ob du von im lieb gehalten seyest oder nit! Warumb sag ich, mich nit wissen von dem jüngling lieb gehabt werden! Hab ich sein nit genůgsam gezeügnüs von meiner junckfrawen Rosamunda! Was gewisse gezeügnüß hab ich dann von ir empfangen? Das sye sprach, der jüngling sich von stund an in seinem angesicht entferbt het, welches angesicht, zůvor mer todt dann lebendig erschinnen, was yetzundt als mit bleicher und roter farb sich erzeygen. Wie soll aber semlichs verstanden werden? Vielleicht ist die verkerung beschehen von übrigem zorn oder von grosser scham; oder aber würt Rosamunda mer von im geliebt dann ich. Das[220] mag aber auch nit auß semlicher ursach beschehen sein; dann zorn einem krancken menschen vorab kein fröliche farb in seinem angesicht geberen thůt sunder ein bleyche tödtliche farb mit züsamen gebissenem mund, mit wider und für sprintzenden augen und zitterem leib. So bin ich des auch gewissz, das er kein semliche liebe zů Rosamunda als zů mir tragen thůt. Sunst er sich der halben wort nit dörffen gebrauchen, vilmer würd er gesagt haben: Junckfraw Rosamunda, sagendt Philomena, das sye ir liebe selbs behalt, und gebendt ir mir die ewer dafür! Deßgleich wo in scham darzů geursacht, het er gantz sich solicher freündtlichen wort nit mögen gebrauchen, wie mir dann Philomena bekannt und gesagt hat. Darumb ich dann seiner liebe gantz sicher unnd gewissz bin. Nun warumb gib ich im das nit gründtlich zů verstohn, damit er meiner liebe auch ungezweyffelt sey? Wamit soll ich ihm aber das zů wissen thůn? Wie mag es mit fůgen beschehen? Gaht mir denn ab an dinnten, federn und papyr? Das wer aber ein seer unverschamptes ding einer junckfrawen, das sye ir liebe einem ritter so auß freflem můt zů wissen thet. Wie soll ich im dan mein lieb entdecken? Das soll beschehen durch fügliche weg, darinn kein unzucht gespürt werden mag, als wie also das ich mich zů zeiten frölich gegen dem jüngling erzeygen thů, etwann ein frölichen blick zůschiessen lassen, bei weilen auch mit hertzlichen seüfftzen gegen im gebar. Das alles im ein gnůgsame anzeygung meiner liebe gegen würt, so er anderst, als mir nit zweiffelt, ein rechter liebhaber ist.‹

Mit solchen seltzamen gedancken Philomena, die junckfraw, manche nacht ongeschlaffen vertreiben thet, so lang biß sie gantz ungezweyffelt wust, das sye der jüngling in gleichem fal lieb hat.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 220-221.
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