57.
Wie Gabriotto Reinharten seines leyds underricht, wie im Reinhart rieht, seiner lieben junckfrawen semlichs zů offenbaren.

[333] Gabriotto nach des knaben abscheyd Reinharten, seinen allerliebsten gesellen sůchen gieng, damit er ihm sein leyd[333] klagen möcht. Als er in nun fand unnd im sein anligen gäntzlich entdecket, Reinhart mit grossem leyd umbgeben ward, nit wissen mocht, mit was fůgen, doch der sachen zů begegnen wer. Dann das in auch der nechst weg sein daucht, wie im dann Gabriotto selbs fürgesetzt hatt, wiewol im schwer was mit im zů ziehen. Dann in die liebe, so er zů seiner allerliebsten Rosamunda trůg, hindersich zoch, wiewol seiner Gabriotto nit begeren thet; dann im sein gsell lieber in Engelandt was, damit er ihm nach seinem abscheyden embieten möcht, wie es umb Philomena, sein allerliebste junckfraw, stünd, auch was seinenthalben an dem küniglichen hoff geredt würd. Als sie nun zů beyder seit ires scheydens halben manchen frembden anschlag umbsunst machten, zůletst eins wurden, mit einander zů der junckfrawen Philomena zů gon und ir den anschlag zů wissen thůn, so über Gabriotten gemacht was.

Als sie nun nach irem begeren die junckfraw Philomena und Rosamunda an irem gewonlichen fenster fanden, die beyde von der zůkunfft irer ritter grosse freüd empfiengen; dann inen ir leyd noch gantz verborgen was. Dann Gabriotto der junckfrawen Philomena den brieff noch nit geantwurtet, darumb sie noch nichts von dem handel wissen mocht; aber nit lang anstund, sie es mit grossem leyd erfaren thett. Als nun Gabriotto und Reinhart ire allerliebsten junckfrawen ersehen hatten, sie sich nit frölichen wie andre mal erzeygten. Davon die züchtigen und schönen junckfrawen zům theil zů trawren bewegt wurden, wol gedachten, die sach nit nach irem willen stünd.

In dem Reinhart zů inen nahet, zů der junckfrawen Philomena sprach: ›Allergnädigste junckfraw Philomena, Gabriotto, der betrübt ritter, begert, wo es müglichen wer, ein klein mit euch zů reden; dann im ein seer schwere sach angelegen ist.‹ Die junckfraw Philomena dem ritter antwort: ›So sag im, das er sich gleich zů unser Laureta gemach fügen thů! Dann ich sein daselbs warten will.‹

Reinhart seinem gesellen zůhandt solche bottschafft zů wissen thet. Der sich nit lang saumet, mit Reinharten seinem gesellen zů Laureta gemach kamen, die thür auffgeschlossen[334] funden, hinein giengen, ire allerliebsten junckfrawen mit gantzem fleiß ir warten funden.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 333-335.
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