68.
Wie man Philomena und Reinharten zů grab trůg, Rosamunda den leichen nachvolgt, bei dem sarch sich uff des ritters leich legt, also mit kleinem rumor irem liebsten ritter nachvolget und starb; also warden die vier uß befelch des künigs in einen sarch begraben.

[366] Demnach nun alles von dem ritter dem künig gesagt ward, gebot er, das man seiner schwester küniglich begrebnüß zůrichten solt. Das hertz des ritters ward auch in einem guldinen gefeß zů ir gelegt. Darzů verschůff der künig, das man Reinharten erlichen zů der erden bestatten solt. Als es yetz ward umb nonzeit, wurden die drei liebhabenden hertzen mit nander zů grab getragen mit einen herrlichen und großen gebreng, davon nit not zů schreiben. Dann da was das hoffgesind[366] den leichen nachfolgen; dergleich das gantz frawenzimmer in schwartzer kleydung hinnach folgten, und insunders Rosamunda, die sich mit grossem klagen und weynen zůnechst bei der leich Reinharten des ritters halten thet, von grossem schmertzen unnd kläglichem weynen zům dickern mal nidergesuncken wer, wo sie Laureta nit erhalten hett, die dann zů allernechst bei ir was.

In solchem kläglichem woynen und klagen sie yetzundt zů dem küniglichen grub kummen waren, die leich allda nider salzten. Rosamunda sich nit lenger enthalten mocht; mit vollem leib sie sich uff die leich des ritters niderließ, also züchtig on alles rumor irem leben ein end gab. So stillschweygendt zůgieng, das alle umbstender nit anders meynten, dann sie verharret allein also in irer klag. Zůletst Laureta hinzůgieng, understund die junckfraw uffzůheben; aber alles umbsunst was.

Davon Laureta zůmal grossen schrecken empfahen thet. ›O Rosamunda‹, sprach sie, ›wiltu mich arme, dein getrewe Laureta, allein in disem trawrigen leben vorlassen? Ach stand uff und ker wider mit mir in den küniglichen palast! O gott, mir armen verlassnen weib! Nun hab ich kein zůflucht auff allem erdtrich mer; dann ich die allerliebsten verloren hab.‹

Von disem geschrey der künig noch zů grösserm leyd bewegt ward, wiewol im der todt der junckfrawen noch verborgen was. Der künig seinen marschalck zů Laureta schicket, ließ ir gebieten, das sie von irem klagen und jamerlichem geschrey abstünd. Das also an sie gelangt ward, aber sie nit dest minder ir klag für sich fůrte. ›Ach gott‹, sprach sie, ›wie mag ich von meinem klagen lassen, dieweil meine allerliebsten junckfrawen allhie todt vor mir ligen!‹ – ›Wie?‹ sprach der marschalck, ›beide jungfrawen? Ist dann Rosamunda auch etwas leydts widerfaren?‹ – ›Ja leyder‹, sprach Laureta, ›dann sie gleich so wol als Philomena todt hie liegen thůt.‹ – ›Das erbarm gott‹, sprach der marschalck; damit von Laureta zů dem künig gieng, im all ding zů verston gab.

Der künig mit grossem unmůt [sich] schnell zů den toden cörpeln[367] füget; sein hertz im von newer in grösser leiden und leyd bewegt ward; dann im Rosamunda von wegen seiner schwester seer geliebt hat. Also verschůff der künig, das man die beyde zů seiner schwester und dem hertzen vergraben solt, dieweil sie in irem leben solche einbrünstige liebe gehabt hetten, des dann ir sterben ein gnůgsame anzeygung was. Nach dem mit sampt seinen räten wider in den küniglichen palast giengen. Da der künig lange zeit mit grossem leyd vertreiben thet, grossen rewen gewann, das er die vier personen nit in freüden bei einander gelassen hat; aber sein rewen gar zů spat was.

Dieweil sich nun semliche sachen verloffen hatten, was der alt Gernier nye anheymisch gewesen; dann er auß befelch des künigs ettlicher geschefften halben außgeritten was. Als er aber yetzundt wider heym kam, nit lang stund, im dise leydige geschicht zů wissen kam. Davon der gůt alt ritter in solchen grossen schmertzen kam, das nit ein wunder gewesen wer, der alt ritter wer ihn auch mit todt nachgefolgt.

›O gott, ich klag dir‹, sprach Gernier, ›das ich in Engelandt ye kummen bin. Dann ich dardurch meines sons beraubt, auch meinen gůten und lieben freünd Reinharten nit mehr sehen mag. So ist der künig auch umb sein schwester kummen, dergleichen Rosamunda, die zart unnd edel junckfraw, ir leben drumb geben hat. Weh mir armen verlassnen alten! Zů wem soll ich mich hinfürter kehren! Meine liebsten freünd unnd kind sind dahin. Gott wolt, ich nur auch bei in in ir begrebnüs leg!‹ Dergleichen ein ernstliche klag Gernier ein lange zeit an dem küniglichen hoff vertreiben thet.

Das ward dem künig zůletst angesagt. Der künig groß bedauren mit dem ritter hat, nach im schicket. Als nun Gernier für in kam, der künig anhůb unnd sprach: ›Gernier, dein leiden und kummer mir von hertzen leyd ist, und hab auch warlichen nit klein bedauren mit dir, dieweil du also ein alt betagt mann bist. Aber biß getröst! Ich will dich alles deines leyds ergetzen unnd dich mit einem rüwigen ampt versehen. Dann mir grossen schmertzen bringt, das ich deinen son Gabriotto und mein liebste schwester nit bei einander haben mag; das aber leyder nit mehr sein mag. Darumb,[368] Gernier, solt du an statt deines sons lieb wert an meinem hoff gehalten werden.‹

Der ritter dem künig seins erbietens dancksaget, also lange zeit seines liebsten sons nye vergessen mocht.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 366-369.
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