15.
Lasarus und Reichart kumen morgens auff die spůr.

[159] Lasarus der goldschmidt alsbald er des morgens auffgestanden unnd sich angethon hett, ist er den nächsten zů Reicharten gangen. Die zwen riffiener aber sind noch also in iren pantzeren angethon uff der strassen gelegen. Umb sie ist ein grosse menge des volcks gestanden, die dann gemeinlich dise bösen und verwegenen bůben gekant haben, auch darneben wol ermessen künden, das sie auff semliche abentheur umbgangen sind. Lasarus hat sich auch hinzůgestelt, damit er doch von dem volck eines jeden rhatschlag und meinung vernemen möcht. Da aber ist nicht anders gesagt worden, dann das in beiden ir verdienter und bescherter lohn worden sey.

Als nůn Lasarus zů Richarten kumen ist, hat er im einen gůten morgen gewünscht; haben einander zů beiden theilen früntlich gegrüßt, demnach mit einander hingezogen von einem scherhaus zů dem andern. Und als sie yetzund in das fünfft scherhaus oder balbierershaus kumen sind, haben sie den jungen, welcher den riffienern den lohn gegeben, den Richarten umbzůbringen, funden. Er lag dort uff der gautschen gar uff den todt verwundt. Alsbald er nun den Lasarum, welcher in also verwundet het, ersahe, sind im die wunden so hefftig wider angangen blůten, das im der balbierer die in keinen weg mehr hat künden stellen. Unnd er auch an ihm selb wol befand, das sein sach nit mehr sein würd, hat er angefangen Richarten gar früntlich bitten, ihm zů verzeihen, dieweil er ihm on alle schuld findtschafft getragen und also bey nächtlicher weil auff in gewartet mit einem anhang, deren dann zwen hindurch weren; so gedecht er wol seinen letsten tag auch schon gelebt haben. Richart bat in gar früntlich, das er ihm doch die ursach seiner feindtschafft anzeigen wolt, dieweil er in doch mit wissen nie erkant het. Da sagt er: ›Fürwar so hab ich nie begert, das euch solt ein har geschworen haben, binn aber ewerem schweher von gantzem meinem hertzen feindt gewesen und dieselbige feindtschafft, so ich ihm getragen, understanden an euch zů rechen.[160] Das blat aber hatt sich umbgewendt; dann ich bin, der die grůben getolben hat, und zů dem ersten hineingefallen.‹ Also fieng er an gar schwach zů werden, so das er gar nicht mer antwurten noch reden kund; und ehe dann ein stund vergon thet, ist er gäntzlich verscheiden.

Die zwen aber sind mit einander rhätig worden, den vierden auch zů erfaren. Als sie aber lang hinach getast, hand sie erfaren, das er darvon gewesen ist. Also haben sie solche sach der oberkeit, so darzů verordnet gewesen, angezeiget. Als aber dieselbig verstanden, das nit mer dann noch einer in leben und aber hin und weg sey, haben sie die zwen riffiener dem nachrichter bevolhen, das er sie hinaus an das hochgericht schleiffen solt und vergraben. Reicharten aber und Lasarum haben sie heissen zů haus gehn und frölichen sein, darbey bevolhen, wann inen mer semlich sachen begegnen, das sie gleicher gestalt handlen wöllen wie dissmals.

Also sind sie mit einander gangen zů dem alten Roberto; dem habend sie alle verloffnen sachen erzalt, dabey den jungen, so dise practic angericht, zů erkennen geben. Von stund an hatt der alt gemerckt, wohar der neid erwachsen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 159-161.
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