An Karl August

[65] Der König zu Sanct Ildefons

versuchte – (den kleinen Reim auf ons

bitt ich mir heute zu creditieren)

sich Königlich zu divertieren,

versuchte nicht mit mehr Geduld

auf seinen Tapeten Gaul zu steigen

als ich, – mit guter Art der Schuld

des leidigen Gratulanten-Reigen

bei Eu. Durchlaucht auszubeugen –

auf meinen lahmen Pegasus,

(nicht glücklicher als Carolus)

mich aufzuschwingen heut versuchte;

wiewohl ich Olymp und Tartarus

auf gut poetisch zu Hülfe fluchte.

Der Gaul zwar, wie ich rühmen muß

stund frömmer als ein Palmtags-Esel –

Hier fehlt mir, da der wackre Rösel

bekannter maßen nur Keller Esel

in seinem berühmten Insektenwerk

geliefert, schon wieder ein Reim auf esel,

so wie, wenn mir Herr Kriegsrat Merk

nicht gleich zu Hilfe käm, auf werk.


Ich seh aus diesem Reimen-Mangel,

(und da ich, statt sie Scharenweis

ins Garn sonst fliegen, mit Angst und Schweiß

durch Rösel und Merk bis von Archangel

die Reime zusammentreiben muß)

daß selbst Hans Sachsens Genius,

den ich zu Hülfe herbei zitiert,

um meine Not sich wenig schiert.[65]

Ich bitte, gnädigster Völker-Hirt,

Sie wolln an meinen Platz sich setzen,

und hocherleuchtet ermessen und schätzen,

wie unser einem zu Mute wird,

der Tausend schöne Sachen zu sagen

so schuldig als erbötig wär,

und gleichwohl eher, ohne Zagen,

gleich jenem edeln Schwabenheer

sich gegen sechs Hasen mit Einem Speer

getraute, als einen Reim zu erjagen.


Indes, wer auch sonst nichts vermag

vermag doch Wünsche am heutgen Tag.

Es ist nicht viel, das weiß der Himmel!

Allein, wer mehr hat, gebe mehr!

Und also empfangen Sie, gnädigster Herr!

hiemit von mir den schönen Schimmel

(wofern's ein Schimmel war) auf dem

die Söhne Haymons einst geritten,

den Hippogryphen, der gar bequem

auf Wolken geht, und Astolfen mitten

ins Land des Mannes im Monde trug,

und nebst der vogelschnellen Alfane

das gute Schwert, die Durindane,

womit auf einen einzgen Zug

Herr Carl, der große und weise Kaiser

Armeen von Heiden nieder schlug;

sodann das Horn, das Mauern und Häuser

zu Boden warf mit seinem Ton;

den Stein des weisen Zoroaster,

den Lilienstab des Oberon,

die Sense des frommen Roboaster,

und, wenn der Wunsch den jedes Bürgerherz

zum Himmel schickt, in diesen Scherz

sich mischen darf, – zum Unterpfand

Gemeiner Wohlfahrt diesem Land,

als Erben von Vater- und Mutter-Tugend

bald einen tapfern Prinzen der Jugend!


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Werke. Band 4, München 1964 ff., S. 65-66.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
C. M. Wielands sämtliche Werke: Band IX. Gedichte
Wielands Oberon: Ein Gedicht in Vierzehn Ges Ngen
Oberon: Ein Gedicht in Zwolf Gesangen

Buchempfehlung

Hume, David

Dialoge über die natürliche Religion

Dialoge über die natürliche Religion

Demea, ein orthodox Gläubiger, der Skeptiker Philo und der Deist Cleanthes diskutieren den physiko-teleologischen Gottesbeweis, also die Frage, ob aus der Existenz von Ordnung und Zweck in der Welt auf einen intelligenten Schöpfer oder Baumeister zu schließen ist.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon