Die holländische Schule.

[128] Es streift ans Unbegreifliche, welche Menge von Malern von entschiedenem Talent und großen Leistungen das sechszehnte Jahrhundert in Holland erzeugt hat. Ich pflege zu sagen, es gab damals mehr große Maler in Städten, wie Delft, Leiden Harlem, Amsterdam u.s.w., als es gegenwärtig Anstreicher und Thürpinsler gibt. Und das ist wahrlich nicht übertrieben. Glaubt man nach jahrelangem Studium holländischer Meister so ziemlich alle Namen von Bedeutung zu kennen, so muß man sich fast täglich von seinem Irrthum überführen lassen, und bald aus diesem, bald aus jenem Winkel ein unbekanntes Gesicht auftauchen sehen. Die erste Anregung kam freilich von Antwerpen, und nach Antwerpen aus Italien. Allein die holländischen Künstler fanden sich bald im nationellen Element zurecht und haben dasselbe, mit[129] Ausnahme einiger Wenigen, glücklich bis auf diese Zeit fest gehalten1. Ihre Stücke sind in der ganzen Welt zerstreut, und es erregt nicht allein die Zahl der Künstler, sondern auch die Zahl ihrer Producte, Staunen und Bewunderung. Wie der Seidenwurm nichts thut und thun kann als spinnen, bis er sich todt gesponnen, so scheinen auch diese echten Künstler nur malend gelebt und mit der Palette in der Hand gestorben zu sein.


Die mir bekannten und besonders werthen Künstler finde ich in meinen Papieren, auf meine Weise nach gewissen Haupt- und Lieblingsfächern eingetheilt, mit Namen und Jahreszahlen aufgezeichnet, und theile das Verzeichniß hier dem Leser mit, der mir vielleicht einigen Dank dafür wissen wird. Kurze charakteristische Noten, die ich beigeschrieben hatte, streiche ich aus, sie gehören mehr mir, als dem Publicum an. Von den Meisten giebt es Stücke auf dem Museum zu Amsterdam und im Haag; wo dies nicht der Fall, habe ich angemerkt. Noch einmal bemerke ich, daß mein[130] Zweck nicht Vollständigkeit war. Ich schreibe keinen Namen, von dem mir nicht dies oder jenes Meisterstück vor der Phantasie schwebt.


Quelle:
Ludolf Wienbarg: Holland in den Jahren 1831 und 1832. Erster und Zweiter Theil, Hamburg 1833, S. 128-131.
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