Bodenuntersuchungen [1]

[132] Bodenuntersuchungen sind für alle Arten von Bauten erforderlich, da bereits bei Aufstellung des Bauentwurfes festgestellt werden muß, ob ein für den zu erstellenden Bau genügend tragfähiger Untergrund vorhanden ist, wie tief mit den Fundamenten hinabgegangen werden muß, ob wasserführende Schichten vorhanden sind, ob eine Gleichgewichtsstörung des Bodens infolge des Vorhandenseins geneigter Schichten, die ins Gleiten kommen könnten, durch Anschneiden des Bodens oder durch seine Belastung zu befürchten wäre, und ob der Boden leicht oder schwer zu lösen ist.

In vielen Fällen, besonders bei Hochbauten, genügt es durch Sondierung mittels zugespitzter Rundeisenstangen, sogenannten Sondier- oder Visitiereisen, oder durch Einschlagen von Probepfählen, die Lage und Stellung der tragfähigen Bodenschicht zu erkennen. Bei Erdarbeiten wird es sich außerdem darum handeln, die Beschaffenheit der vorkommenden Erdarten zu ermitteln. Dies kann durch Schürfarbeiten, durch Abteufen von Versuchsschächten, wobei die betreffenden Schichten vollständig erschlossen werden, und durch Bohrungen, die im günstigsten Falle Bodenproben liefern, geschehen. Bei Abträgen wird der Versuchsschacht bis auf die Grabensohle des Einschnittprofils oder bis auf vorkommenden Fels abzuteufen sein. Läßt sich aus der Gestaltung der Oberfläche schließen, daß sich die geologische Beschaffenheit ändert, so sind in entsprechenden Abständen mehrere Versuchsschächte anzuordnen, die in der Regel rechteckig, etwa 1,5 m breit und 2 m lang, mit entsprechender Verzimmerung angelegt werden (s. Schacht). An den Wandungen des Schachtes kann die Art der durchstochenen Schichten erkannt und ihre Mächtigkeit genau gemessen werden. Zur Feststellung des Streichens und Fallens der Schichten sind um einen solchen Schacht in Entfernungen von 20–60 m Bohrlöcher niederzutreiben. Hierzu verwendet man bei weicheren Bodenarten den Erdbohrer, der zwar nur für geringe Tiefen brauchbar ist, aber gute Proben liefert, ferner für größere Tiefen den Löffelbohrer, der jedoch schlechte Proben ergibt, und endlich den Ventilbohrer, der aus beliebigen Tiefen Proben zu entnehmen gestattet. Bei hartem Felsboden wird der Meißel- oder Kronenbohrer und der Diamantringbohrer verwendet. Beide ergeben nicht unmittelbar Bodenproben, jedoch gibt der von Zeit zu Zeit abzubrechende und heraufzuholende Kern des Ringbohrers die natürliche Lagerung des Gesteins selbst. Bohrungen in Kies, Sand, Schlamm und unter Wasser müssen verrohrt werden. Die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen[132] werden entweder tabellarisch zusammengetragen oder in die Erdprofile eingeschrieben. Zeigt dabei die Lage, die Mächtigkeit, die Neigung, die Aufeinanderfolge und die Art der Schichten eine Uebereinstimmung, so liegt eine regelmäßige Formation vor, während im entgegengesetzten Falle weitere Untersuchungen zur genauen Feststellung der begehenden Verwerfungen und Verschiebungen und der vorhandenen Gleichgewichtslage auf ihre Beständigkeit notwendig werden; s.a. Schürfen und Tiefbohren.


Literatur: Handb. d. Ing.-Wiss., Leipzig 1900, 3. Aufl., 1. Bd., 3. Abt., 6. Kap., S. 5; Handb. d. Baukunde, Berlin 1892, 3. Abt., 4. Heft, S. 2.

L. v. Willmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 132-133.
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