Bodenuntersuchungen

[427] Bodenuntersuchungen (taking borings; sondages du terrain; assaggi di terreno). Beim Neubau, wie bei der Unterhaltung und Ergänzung der Eisenbahnen leisten die B., die aus Schürfen und Bohrungen bestehen, wertvolle Dienste.


I. Zweck der Untersuchungen.


Bodenuntersuchungen dienen:



a) der Beschaffenheit des Gebirges,
b) der Lagerung des Gebirges,
1. zur Feststellungc) etwa in oder über einem bestimm-
ten Horizont zusetzenden Wassers,
d) der Temperaturen unterhalb
der Erdoberfläche.
2. zur Erschließunge) des Wassers,
nutzbarerf) des Mauersandes u. Kieses,
Materialieng) des Tons und
h) der Bausteine.

1 a) In erster Linie gelten hier die Bodenuntersuchungen der Feststellung des Schichtenprofils, das vielfach große Mannigfaltigkeit besitzt. Es setzt sich in Deutschland beispielsweise die untere, 80–100 m mächtige Abteilung des Muschelkalks, der Wellenkalk, aus 15–30 in ihrem Verhalten den Bauarbeiten gegenüber recht verschiedenen Schichten zusammen.

Ferner kommt die nicht nur in horizontalem Sinne, sondern auch nach der Tiefe hin sehr wechselnde petrographische Beschaffenheit ein und desselben Gesteins in Frage. So ändert sich im Sandstein oftmals das Bindemittel auf engem Raum, es besteht in dicht übereinander lagernden Schichten aus Kalk, Mergel oder Ton (s. Geologische Vorerhebungen).

Sodann wechseln auch die physikalischen Eigenschaften der Gesteine häufig rasch von der Oberfläche nach der Tiefe zu. Beispielsweise weist die an den Eisenbahnen des deutschen Mittelgebirges, so im Rheinischen Schiefergebirge, im Kellerwald, im Thüringer Wald und Harz anzutreffende paläozoische Grauwacke häufig in den obersten 5–10 m nur geringe Zähigkeit und Festigkeit auf – letztere geht bis auf 60 Atm. Druckfestigkeit herab – während in der Tiefe bei demselben Gestein nicht selten bis zu 1900 Atm. Druckfestigkeit zu beobachten ist. Ähnlich verhält es sich mit der Porosität mancher Gesteine, u. zw. sowohl loser als auch verfestigter Massen. Angewitterte Schiefertone vermögen an der Oberfläche des öfteren an Wasser bis zu 50% ihres eigenen Volums aufzunehmen, während sie in größerer Tiefe frei von Wasser, wassertragend, sind.

1 b) Bei der Untersuchung der Lagerungsverhältnisse des Gebirges handelt es sich um die Feststellung des Grades und der Richtung des Schichteneinfallens sowie der Verwerfungen. Beide sind an der Oberfläche nicht immer zu erkennen. Einerseits werden die Schichtenköpfe der ausstreichenden Gesteine größtenteils von ungeschichteten Verwitterungsprodukten bedeckt, die kaum die Art des Gesteins, geschweige denn seine Lagerung erkennen lassen. Anderseits sind die Schichtenköpfe vielfach durch Hangschub, im Gebiet der diluvialen Vereisung auch durch den Schub des Eises verbogen, so daß sie in den obersten Teilen völlig anderes Einfallen zeigen, als darunter (Abb. 188).[427]

Weit schwieriger sind in vielen Fällen Verwerfungen und diskordante Überlagerungen an der Oberfläche zu erkennen (s. Geologische Vorerhebungen).

1 c) Bei der Aufsuchung der Wasserhorizonte leistet besonders die Spülbohrung wertvolle Dienste. Die von der Druckpumpe in das Bohrloch eingeführte Spülung tritt so lange unvermindert wieder zutage, als keine unterirdischen Wasser angetroffen werden.

Sobald aber die Bohrung einen Wasserhorizont antrifft, bleibt sofort die Spülung aus. Es läßt sich dann mit Genauigkeit feststellen, in welcher Tiefe die unterirdischen Wasser zusetzen. Selbstverständlich machen sich auch etwaige Druckwasser, sobald sie angebohrt werden, unverweilt durch Aufsteigung im Bohrloch bemerkbar.

Im übrigen verstatten aber die Bohrungen auch schon auf Grund des durchsunkenen Profils eine genaue Festlegung der Wasserhorizonte, wie sie jeweils da vorkommen können, wo ein sprödes zur Zerklüftung neigendes Gestein über dichten elastischen Schichten, z.B. harter Kalk über Tonen u. dgl. lagert.

1 d) Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, daß manche Tiefbohrungen bei der Feststellung der geothermischen Tiefenstufen wertvolle Dienste geleistet haben. Über die Möglichkeit derartiger Untersuchungen für den Tunnelbau sind einige Angaben in »Geologische Vorerhebungen« gemacht. Die interessanten Temperaturmessungen in dem gegenwärtig tiefsten Bohrloch der Erde bei Czuchow in Schlesien, das 2240 m Tiefe erreicht hat, sind im Jahrbuch der Königl. Preuß. Geologischen Landesanstalt 1910, Heft 1, näher beschrieben.

2 e) Im Gegensatz zu den unter 1 c berührten Bodenuntersuchungen, die die Feststellung von unterirdischen, den Bau von Tunneln oder eine tiefe Gründung irgend eines Bauwerks erschwerenden Wassern bezwecken, kommt hier die Erschließung von Gebrauchswasser für Wasserstationen, Werkstätten u.s.w. in Betracht.

Im Flachlande sind tatsächlich die oft drei- oder viermal untereinander auftretenden Grundwasserhorizonte, die, durch Lehmdecken voneinander getrennt, je nach der Mächtigkeit der wasserführenden Kies- und Sandlager sehr verschiedene Mengen von Wasser liefern, nur durch Bohrungen oder durch Schürfungen zu ermitteln und auf ihre Ergiebigkeit zu prüfen. Gerade hier leisten diese Untersuchungen um so wichtigere Dienste, als sich an der Oberfläche keine Anhaltspunkte für die Mengen und Tief lagen der Grundwasserströme finden lassen. Im Hügellande und Gebirge sind anderseits vielerorts Schicht- und Spaltquellen vorhanden, die gewaltige, nicht selten unter starkem Druck stehende Wassermassen führen. Quellen von Hayingen bei Gravelotte mit 200 m3 in der Minute. Dabei ist ihr Zutagetreten nicht selten lediglich durch geringmächtige Lehmüberlagerungen gehindert, so daß das Vorhandensein der Quellen erst nach Durchbohrung der Lehmdecke erkannt wird.

2 f, g und h) Die Lager von Sand und Kies für die Mörtelbereitung wie auch für sonstige Bauzwecke, ferner von Ton und Baugesteinen sind vielfach von Verwitterungsprodukten, aber auch von lagerhaften Gebirgsschichten bedeckt. Ihre Aufsuchung ist daher häufig nur durch Vornahme von Schürfungen oder Bohrungen zu ermöglichen. Daneben dienen letztere aber auch zur Ermittelung der Abbauwürdigkeit jener Baustoffe, die von der Mächtigkeit der Deckschichten und dem Grade der Verwitterung und der Zertrümmerung des aufgesuchten Gesteins durch Gebirgsdruck abhängig ist. Die große Zahl verlassener Steinbrüche, Sand- und Kiesgruben, aber ebenso der schlechte Zustand vieler Bauwerke mit verwittertem und brüchigem Mauerwerk läßt erkennen, wie notwendig es ist, vor Beginn des Abbaubetriebes sorgfältige Bodenuntersuchungen vorzunehmen.


II. Arten der Bodenuntersuchungen.



a) die Schürfgrube,
1. Schürfungen.b) der Schürfgraben und -schlitz
c) der Schacht,
d) der Stollen.
a) Handbohrungen,
2. Bohrungen.b) Seichtbohrungen,
c) Tiefbohrungen,
d) Horizontalbohrungen.

1. Die Schürfgrube.


1 a) Die Schürfgrube erhält zweckmäßig bei der Ausführung durch einen Mann Seitenlängen von 1∙0 und 1∙5 m, bei einer solchen durch zwei Mann Seitenlängen von 1∙0 und 2∙0 m, bei größerer Tiefe auch 2∙0 und 3∙0 m. Mit Rücksicht auf die kurze Zeit, für die sie zumeist offen zu halten ist, können die[428] Wände vielfach senkrecht oder steil geböscht gehalten werden. Macht die Beschaffenheit des Gebirges eine Verzimmerung notwendig, so ordnet man sie als wagerecht liegende Gevierte von Rundhölzern mit senkrechtem Bohlenverzug an. Nötigenfalls werden die in den Ecken auf Gehrung gestoßenen Rundhölzer durch Eisenklammern verbunden. Falls angängig, werden zwischen den einzelnen Bohlen Zwischenräume belassen, die auch nach der Fertigstellung der Grube noch eine Beobachtung des Gebirges zulassen.

1 b) Der Schurfgraben und der Schurfschlitz unterscheiden sich von der Schurfgrube dadurch, daß sie eine größere Länge erhalten, der Schlitz einerseits offen ist. Ist Verzimmerung erforderlich, so besteht sie aus stehenden Rundhölzern und wagerechten Bohlen, die tunlich nicht dicht übereinander liegen, sondern Streifen der Wände zur Beobachtung des Gebirges frei lassen. Der Abstand je zweier im Graben oder Schlitz einander gegenüberstehender Rundhölzer wird durch Spreizen gewahrt. Wenn es nicht erforderlich ist, den Schurfgraben längere Zeit offen zu halten, lassen sich Ersparnisse an Zeit und Kosten dadurch erzielen, daß man, an einem Ende beginnend, nur etwa 2 m Graben aushebt, den Boden seitlich ablagert, Beschaffenheit des Gebirges feststellt und den Graben stückweise derartig fortsetzt, daß immer der Boden des einen Aushubs zur sofortigen Verfüllung des vorhergehenden Grabenstücks benutzt wird. Vielfach kann hierbei Verzimmerung entbehrt werden.

1 c) Das Abteufen von tieferen Schächten für Untersuchungszwecke wird wegen größerer Kosten im allgemeinen seltener vorkommen. Zumeist werden Schurfschächte bei B. für tiefere Tunnel und Einschnitte, auch für größere Gründungen sowie vor oder gleichzeitig mit der Wiederherstellungsarbeit zu Bruche gegangener Bauwerke zur Ausführung gelangen. Sie bedürfen stärkerer Auszimmerung, wenn sie in druckhaftem Gebirge abzuteufen sind. Es wird Bolzenschrotzimmerung mit Verpfählung, auch Getriebezimmerung verwendet (s. Tunnelbau). Der Schacht erhält dabei 1∙0 bis 2∙0 m Seitenlänge. Bei Verwendung dieser Schächte zur nachherigen Bauausführung werden die Abmessungen größer, 2–3 m Seitenlänge, gewählt.

Bei starkem Gebirgsdruck läßt sich mit Vorteil ein kreisförmiger Querschnitt des Schachtes und eine Zimmerung verwenden, die aus Bodenuntersuchungen-Eisenringen mit hölzerner Getriebezimmerung dahinter besteht. Die Eisenringe werden durch eiserne Stehbolzen gegeneinander abgestützt. Bei der Aufwältigung des Bruches im Altenbeckener Tunnel wurde ein solcher Schacht von 1∙5 m Lichtweite zur Untersuchung der Bruchschlotte über dem Tunnel abgeteuft, der 54 m Tiefe erhielt. Zur bequemeren Haltung der aus dem gebrächen Gebirge zusetzenden Wasser wurde zunächst im Mittelpunkt des Schachtes ein Bohrloch bis ins Tunnelniveau niedergebracht, das beim Abteufen die Wasser einem von einer Tunnelnische hergetriebenen Querschlage zuführte, von wo sie dem Tunnelkanal zuflossen.

1 d) Schürfstollen finden namentlich beim Bau von Gebirgsbahnen zu Bodenuntersuchungen für Tunnel und Einschnitte an den Lehnen, auch für größere Wiederherstellungsarbeiten Verwendung, weil sie hierbei meist zweckmäßiger sind als Schächte. Sie werden dann oft für die Ausführung der Arbeit selbst vorteilhaft benützt; ihre Abmessungen sind dementsprechend zu wählen und betragen 1∙5 m, 1∙8 bis 2∙5, 2∙8 m. Die Zimmerung ist den Abmessungen und Druckverhältnissen anzupassen (s. Tunnelbau).

Die Schürfschächte und Stollen erhalten fortlaufende Nummerbezeichnungen und werden in den Lageplänen und Längsschnitten der Bahn genau angegeben, damit sie rasch aufgefunden werden können. Ihre Anzahl und Lage hängt von den Gebirgsverhältnissen ab,[429] die in den Hauptumrissen aus den geologischen Vorerhebungen bekannt sind.

Der aus den Gruben, Schächten und Stollen gewonnene Boden ist, soweit er für die Beurteilung der Gebirgsbeschaffenheit in Frage kommt, in der Nähe der Mündungen abzulagern, um später namentlich bei Vergebung der Bauten an Unternehmer leicht besichtigt werden zu können. Außerdem sind die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen in Zeichnungen, wie ein Beispiel in Abb. 189 zeigt, und in Verzeichnissen oder Protokollen darzustellen und anzugeben.


II. Bohrungen.


a) Handbohrungen.


Die Handbohrungen, die 1–2 m, bei besonders weichem Gebirge ohne allzu große Mühe auch wohl bis 4 m tief, niedergebracht werden können, reichen nur bei weichem Gestein zur Feststellung der Bodenbeschaffenheit aus. Sie sind aber von großem Wert für die Bestimmung der Ansatzpunkte der tieferen, unter 2 b und 2 c beschriebenen Bohrungen namentlich da, wo geringmächtige Schwemmgesteine ältere Schichten überdecken und verschleiern.

Unter den zahlreichen Handbohrern, die vorkommen, sind nachstehend die beiden handlichsten und die besten Bodenproben fördernden beschrieben.


A. Der Löffelbohrer.


Er besteht aus einem 1–2 m langen Rundeisen von 15–20 mm Stärke, das unten eine kurze Spitze und eine 30–40 m lange Auskehlung zur Aufnahme der Bodenprobe besitzt. Der Griff aus Hartholz wird von der Seite her in die Grifföse des Rundeisens eingesteckt und kann leicht ersetzt werden. Ist das Gebirge so hart, daß es ein Eindrehen des Bohrers mit der Hand nicht zuläßt, so wird er mittels eines Hammers eingetrieben.


B. Der Tellerbohrer.


Sein Rundeisen ist 20–30 mm stark. Für mehr als 2 m tiefe Löcher besteht das Rundeisen aus mehreren Teilen, die durch Schraubengewinde miteinander verbunden werden. Statt des in Form einer flachgängigen Schraube angeordneten Tellers (Abb. 190) werden auch Anordnungen nach (Abb. 191 u. 192) in Form von Holzbohrern zweckmäßig verwendet.


b) Seichtbohrungen.


Hierzu werden Schappen oder Meißelbohrer, seltener Kernbohrer verwendet.

Mit der Schappe, welche drehend wirkt, lassen sich Tiefen bis 25 m, bei günstigen Gebirgsverhältnissen sogar bis 40 m und mehr erreichen. An Bohrgeräten sind erforderlich: die Schappe, das Gestänge, die Bohrwinde nebst Seil, das Bohrgerüst und unter Umständen Futterrohre.

Die Schappe besitzt Lichtweiten bis zu 40 cm und wird nur noch aus Stahlblech hergestellt. Für die Zwecke der B. im Eisenbahnbau ist die Form Abb. 193 die vorteilhafteste. Ihre Verbindung mit dem Gestänge erfolgt bei kleinem Durchmesser mittels eines einseitig angenieteten Flacheisens, auch wohl so, daß das Schappenblech selbst direkt eine Verlängerung angeschnitten erhält. Bei größerem Durchmesser wird an das obere Ende der Schappe ein Bügel angenietet, der das Gestängeschraubengewinde trägt. Das Gestänge ist als Vierkant- oder Rundeisen ausgebildet. Die einzelnen Stangen sind 2–5 m lang und miteinander durch Schraubengewinde verbunden. Über Tage greift durch einen starken Gestängekopf ein 2armiger wagerechter Griff, der Krückel, mittels dessen die im Kreise herumgehenden Arbeiter das Drehen der Schappe besorgen. Am Kopf der obersten Stange ist ferner das Bohrseil mit Karabinerhaken befestigt, welches über eine Seilrolle im oberen Teile des Bohrgerüstes und von da zur seitlich stehenden Bohrwinde verläuft. Das Seil dient zum Einhängen und Aufholen des Gestänges und der Schappe im Bohrloch. Die Bohrwinde, eine einfache Bauwinde, besitzt 2 Kurbeln und wird von Arbeitern bedient. Das Bohrgerüst ist als Dreibein mit starkem Verbindungsschraubbolzen am Kopf konstruiert. Der Schraubbolzen trägt die Seilrolle. Neben hölzernen Dreibeinen kommen neuerdings auch solche aus Walzprofilen, Bodenuntersuchungen-Eisen zur Anwendung. Sofern das zu durchbohrende Gebirge so wenig Zusammenhang besitzt, daß die Wände des Bohrloches »zusammengehen«, müssen diese durch Futterrohre gestützt werden, welche entweder als Nietrohre oder als geschweißte Rohre von je 5 m Länge durch Schraubengewinde miteinander verbunden und der Schappe folgend, in das Loch eingedreht oder durch Belastung des oberen Rohres eingepreßt werden.

Beim Bohren wird die Schappe schraubend in den Boden hineingesenkt, u. zw. so lange, bis sie entweder gefüllt ist, oder bis der Widerstand, der sich dem weiteren Absenken entgegenstellt, so groß wird, daß er von den Arbeitern nicht überwunden werden kann. Alsdann wird das Gestänge und die Schappe mittels Seil und Winde aufgeholt, wobei die einzelnen Stangen der Reihe nach von oben nach unten abgeschraubt werden, und das Bohrgut aus der Schappe entfernt. Nachdem die letztere sorgfältig gereinigt ist, erfolgt das Wiedereinlassen der Schappe, wobei die Stangen in umgekehrter Reihenfolge wieder aufgeschraubt werden. Die Tagesleistung der Schappenbohrung bewegt sich je nach dem Verhalten des Gebirges zwischen 2 und 10 m, wobei teilweise sehr vollständige und gut erhaltene Gebirgsprofile erbohrt werden können.

Meißelbohrungen können von Hand, ungefähr bis zu 100 m Tiefe ausgeführt werden. Bei der Meißelbohrung tritt an die Stelle der Schappe der Meißel (Abb. 194), die übrigen Geräte sind im wesentlichen die gleichen wie unter d beschrieben, doch kommt noch eine Schlammbüchse hinzu.

Die Form des Meißels ist dieselbe wie bei den Tiefbohrungen, ohne daß indes bei den Seichtbohrungen so schwere Meißelprofile Verwendung finden (s. Tiefbohrung).

Der Meißel wirkt stoßend und zertrümmert das Gebirge auf der Borlochsohle. Beim Bohren wird das Gestänge mit dem Meißel durch das Seil und die Winde oder aber durch einen Bohrschwengel angehoben und dann fallen gelassen (Abb. 195). Die Hubhöhe richtet sich nach der Festigkeit des Gesteins und schwankt zwischen 10 und 30 cm. Größere Fallhöhen gefährden das Gestänge zu sehr. Gleichzeitig mit dem Heben und Fallen bewirkt ein Arbeiter durch Drehen des Krückels das erforderliche Umsetzen des Meißels. Falls das zu durchbohrende[430] Gebirge wasserfrei ist, muß dem Bohrloche von Zeit zu Zeit etwas Wasser zugeführt werden. Der auf der Lochsohle lagernde Bohrschlamm wird mittels der Schlammbüchse (Abb. 196) aufgeholt. Das Schlämmen erfolgt, nachdem Meißel und Gestänge aus dem Bohrloch gezogen sind, derartig, daß die Schlammbüchse statt des Meißels ans Gestänge geschraubt und zur Lochsohle eingelassen wird. Nachdem sie sich dort bei mehrfacher kurzer Auf- und Abbewegung durch das Fußventil genügend gefüllt hat, wird sie gehoben und entleert. Dies ist so lange zu wiederholen, bis die Lochsohle hinreichend vom Bohrschlamm befreit ist. Viel Zeit läßt sich beim Schlämmen sparen, wenn man die Schlammbüchse nicht unter das Gestänge schraubt, sondern unmittelbar mittels des Seiles, das entsprechend lang sein muß, zur Sohle führt, damit das An- und Abschrauben der Stangen vermieden wird.


c. Tiefbohrungen


sind für B. im Eisenbahnbau nur ausnahmsweise ausgeführt worden, obwohl sie namentlich für tiefer gelegene Tunnel in vielen Fällen vorteilhaft gewesen wären und größere nachträglich eingetretene Schwierigkeiten hätten vermieden werden können. Namentlich sind es die Kernbohrungen, die hierbei sehr gute Dienste leisten können.

Besondere Anerkennung verdienen die von der Bauverwaltung der italienischen Staatsbahnen in den Jahren 1910–1911 ausgeführten Tiefbohrungen zur Ergründung der Gebirgsbeschaffenheit des 18.510 m langen Apenninentunnels zur kürzesten Verbindung von Bologna mit Florenz.

Es wurden hierbei 7 Bohrlöcher mit der Größttiefe von 380 m bis auf Tunnelsohle mittels Kernbohrung hergestellt, wobei über 2 m lange Gesteinkerne herausgeholt und zu einem geologischen Profile zusammengestellt wurden.

Über die Mittel zur Tiefbohrung s. Art. Tiefbohrung.


III. Vor- und Nachteile der verschiedenen Arten von B.


1. Vorteile der Schürfungen.


Die Schürfungen bieten den Vorteil, daß die Lagerungsverhältnisse der Gesteine mit voller Sicherheit festgestellt werden können und daß in vielen Fällen infolge der größeren Fläche, die durch die Schürfung freigelegt wird, auch technisch wichtige Einzelheiten des Gebirges sichtbar werden, die dem Beobachter an der Bohrprobe entgangen sein würden. Dabei fällt zu gunsten der Schürfung vor allem der erste Punkt ins Gewicht. Die Schürfung erschließt das Gestein so, daß das Streichen und Fallen der Schichten, ihre Zerklüftungsrichtung, die Lage und Richtung etwaiger Verwerfungen an Ort und Stelle gemessen,[431] auch die Druckhaftigkeit des Gebirgs beobachtet werden kann. Dabei ist das der Schürfung entnommene und seitlich abgelagerte Gebirge auch für spätere Beobachtungen meist sehr geeignet. Demgegenüber lassen sich aus dem Ergebnis der Bohrungen weit weniger sichere Schlüsse ziehen. Schappen- und Meißelbohrungen geben nur bis zu einem gewissen Grade sichere Kunde über Beschaffenheit und Schichtenfolge der durchbohrten Gesteine. Kernbohrungen gestatten allerdings die Aufnahme eines bezüglich der Beschaffenheit des Einfallwinkels und der Mächtigkeit der Schichten ziemlich genauen Profils. Allein über die Richtung des Streichens und Einfallens der durchsunkenen Schichten vermögen sie keine Auskunft zu geben; und gerade diese Auskunft ist in vielen Fällen, z.B. im Tunnelbau, sehr erwünscht.

In der mit vielen gänzlich ungleich verteilten erratischen Blöcken verschiedenster Größe durchsetzten Diluvialdecke der norddeutschen Ebene können nur Schürfungen, nicht aber Bohrungen, sicheren Aufschluß geben über das Vorhandensein, die Größe und die Art der Verteilung der Findlinge und Blockpackungen, die auf die Durchführung von Erd- und Gründungsarbeiten bedeutenden Einfluß haben.

Hiernach besitzen die Schürfungen gegenüber den Bohrungen den großen Vorteil der Möglichkeit genauester Gebirgsaufnahmen.


2. Nachteile der Schürfungen.


Als Nachteile der Schürfungen, wenigstens der Schächte und Stollen sind die höheren Kosten und die längere Dauer der Arbeiten, daneben bei den Schürfschächten in vielen Fällen der Wasserandrang zu bezeichnen.

Die Kosten schwanken bei den verschiedenen Gebirgsarten derart, daß sich darüber keine allgemeinen Angaben machen lassen, doch sei bemerkt, daß bei den Bohrungen wohl in allen Fällen der Meterpreis nur einen Bruchteil von demjenigen des Schachtabteufens darstellt. Beispielsweise stellt er sich bei einer Kernbohrung in mittelfestem Sandstein in etwa 100 m Tiefe auf 18 M. Selbstkosten, während er beim Abteufen eines Schürfschachtes in dem gleichen Gebirge und bei gleicher Teufe unter der Voraussetzung, daß keine Wasser zusetzen, nicht unter 55 M betragen würde.

Was sodann die Zeitdauer anbelangt, so muß in dem Gebirge des eben angeführten Beispiels und bei der Verwendung von Bohrhämmern eine Tagesleistung von 3 m Abteufen oder Stollenauffahren schon als eine gute bezeichnet werden, während mit der Meißelbohrung oft mehr als das 8fache, aus der Kernbohrung das 4- bis 5fache erreicht werden kann.


3. Vorteile der Bohrungen.


Die Vorteile der Bohrungen bestehen in den geringeren Kosten und der kurzen Dauer der Arbeit, im Mangel an Wasserschwierigkeiten, ferner in der bequemen und gefahrlosen Art der Ausführung, endlich darin, daß keinerlei Unterhaltungsarbeiten für ein Bohrloch erforderlich werden.


4. Nachteile der Bohrungen.


Als Nachteil ist die Unsicherheit der Bestimmung der Gebirgslagerungsverhältnisse anzuführen, die allen, auch den Kernbohrungen anhaftet. Die Bohrarbeiten erheischen sodann die dauernde Anwesenheit sehr verläßlicher und sachkundiger Aufsicht und Beobachter.

Dem geologisch geschulten Ingenieur wird es nicht immer, aber in vielen Fällen möglich sein, einerseits durch ein eingehendes Studium der an der Erdoberfläche herrschenden Lagerungsverhältnisse, anderseits durch Einbeziehung der Ergebnisse etwaiger Nachbarbohrungen in das Profil der betreffenden Bohrung ein der Wirklichkeit nahe kommendes Bild der unter Tage herrschenden Gebirgslagerung und Schichtenbeschaffenheit zu entwerfen (s. Geologische Vorerhebungen).


IV. Anwendung der verschiedenen Arten von B.


1. Schürfungen.


Im allgemeinen werden Schürfungen da am Platze sein, wo die Untersuchungen in geringeren Tiefen, bis etwa 10 m, in nicht zu festem, wenig Wasser führendem Gebirge auszuführen sind. Sie werden namentlich in wechselndem Boden, wie besonders im Diluvium, kaum durch Bohrungen zu ersetzen sein.

Schächte und Stollen kommen hauptsächlich für tiefere Erd- und Tunnelbauten in Frage, und namentlich dann, wenn sie längere Zeit offen gehalten und auch noch anderen Zwecken dienen sollen.

Die Aufschlüsse sämtlicher Schürfarbeiten sind stets sofort nach ihrer Freilegung genau festzustellen und zeichnerisch aufzutragen, da die Mehrzahl der Gesteine bei Luftzutritt bald Veränderungen erleidet, die den Charakter des Gebirges verwischen. Es empfiehlt sich, derartige Abänderungen in den Aufzeichnungen zu bemerken.


2. Bohrungen.


a) Die Handbohrungen werden Schürfungen ersetzen können, wenn lediglich eine Untersuchung[432] der nur bis 2 m unter der Oberfläche lagernden Schichten erforderlich wird, wie dies bei Gründungen von Hochbauten und kleinerer Bauwerke der Fall ist. Voraussetzung ist, daß die Bodenschichten lediglich aus Sand, feinerem Kies, Ton, Lehm oder weichem Mergel bestehen. Da an einem Tage bis zu 100 Handbohrungen von etwa 1 m Tiefe und etwa 60 von 2 m Tiefe mit einem Bohrer gemacht werden können, lassen sich mit geschulten Arbeitern in kurzer Zeit große Flächen abbohren.

b) Die Seichtbohrungen gestatten die B. auf größere Tiefen. Die Schappenbohrungen sind insofern die wertvolleren, als sie die Bohrproben nicht, wie die Meißelbohrungen, in vollständig zerkleinertem Zustande, sondern in ziemlich zusammenhängenden, kernartigen Stücken zutage fördern (Abb. 197), so daß die Festlegung eines einigermaßen genauen Profils möglich ist; sie ist aber auf Sand, Kies, Ton, Lehm und ganz milden Mergel beschränkt.

Bei Bohrungen in festerem Gestein ist der Meißel nicht zu entbehren. Die Aufstellung eines Schichtenprofils mit sicherer Festlegung der Grenzen und Übergänge der einzelnen Schichten ist aber bei der Meißelbohrung sehr schwer zu erreichen, da hierzu nicht nur genaue Kenntnis und stete Beobachtung der Wirkungsweise des Meißels in den verschiedenen Gesteinen, sondern auch genügende Kenntnisse der petrographischen Eigenschaften der Gesteine erforderlich sind.

Es gehört beispielsweise recht große Übung dazu, um bei Meißelbohrungen in der Gruppe der Trümmergesteine auf Grund des aus der Schlammbüchse zutage geförderten Bohrschlammes festzustellen, ob der Meißel festgelagerten Sand oder Sandsteine, Ton oder Tonschiefer durchschlagen hat. Immerhin wird die Meißelbohrung in festeren Gesteinen, Eruptiven, Tuffen, kristallinen Schiefern, Grauwacken, Kalken, Dolomit, Gips und Anhydrit brauchbare Ergebnisse liefern können.

c) Tiefbohrungen werden im Eisenbahnbau nicht sehr häufig vorkommen, wenngleich sie bei der Aufsuchung von Wasser und bei Vorarbeiten für den Tunnelbau vortreffliche Dienste leisten werden.

Unter den Tiefbohrungen treten die Meißelbohrungen stark zurück, weil die Schwierigkeiten der richtigen Deutung des Gesteins mit der Tiefe der Bohrung schnell anwachsen. Sie sind indes insofern von Bedeutung, als sie vermöge der großen Bohrfortschritte sehr zur schnellen Erreichung eines tieferen Niveaus, in dem dann eine Kernbohrung einsetzen soll, beitragen können (s. Tiefbohrungen).

Mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die bei der Deutung der Meißelbohrrückstände bestehen, empfiehlt es sich gegebenenfalls, die Kernbohrungen bei den Untersuchungen des Eisenbahnbaues schon in geringen Tiefen, selbst bis 30 m hinauf, anzuwenden.

Wie bei den Schürfungen, so sind auch bei den Bohrungen die Gesteinproben sofort nach ihrer Förderung sorgfältig zu untersuchen. Die Bohrkerne sind abzuspülen; harte Gesteine können gebürstet werden. Nach dem Waschen läßt man die Kerne trocknen. Schnelles Trocknen kann bei manchen Gesteinen Abblättern und Zerfallen herbeiführen. Jeder Kern erhält eine Tiefenbezeichnung. Oberes und unteres Ende des Kerns sind zu bezeichnen.

Die Proben werden in Holzkisten oder Blechhülsen mit Deckel aufbewahrt. Das Einlegen in die Behälter darf aber erst erfolgen, nachdem die Kerne trocken sind.

Auf Grund der Bohrproben wird ein Profil angefertigt, das für jede Tiefe des Bohrloches die Bezeichnung des Gesteins, den gemessenen Einfallwinkel, die Bezeichnung etwaiger Klüfte oder Verwerfungen, Beobachtungen über Ausbleiben der Bohrspülung und andere charakteristische Erscheinungen, z.B. Kernverluste oder teilweise erfolgte Zerreibungen und Zerdrückungen des Kerns enthält.

Literatur: Tecklenburg, Handbuch der Tiefbohrkunde. Leipzig 1886–1896. – Ursinus, Kalender für Tiefbohringenieure; erscheint jährlich im Verlag des »Vulkan«, Frankfurt am Main. – Moderne Diamantbohrmaschinen von Oskar Ursinus, Frankfurt am Main. – »Vulkan«: Industrielle Zeitschrift und Anzeiger für Berg-, Hütten- und Maschinenindustrie. 12 Jahrgänge. 1900–1912. Frankfurt am Main. – Sonderprospekte und Kataloge der Fabriken für Bohrapparate, so: Internationale Bohrgesellschaft zu Erkelenz; Deutsche Tiefbohrgesellschaft zu Nordhausen; Heinrich Lapp, Aktiengesellschaft zu Aschersleben; Kontinentaltiefbohrgesellschaft vormals H. Thumann zu Halle; Albert Fauck & Co. zu Wien; Joh. Urbaneck zu Frankfurt am Main; Trauzl & Co. zu Wien; Büge & Heilmann, Berlin SO. – Wagner, Beziehungen der Geologie zu den Ingenieurwissenschaften. Wien 1884. – Singer, Bodenuntersuchungen für Bauzwecke. Leipzig 1911.

Hoyer.

Abb. 188.
Abb. 188.
Abb. 189.
Abb. 189.
Abb. 190.
Abb. 190.
Abb. 191.
Abb. 191.
Abb. 192.
Abb. 192.
Abb. 193.
Abb. 193.
Abb. 194.
Abb. 194.
Abb. 195.
Abb. 195.
Abb. 196.
Abb. 196.
Abb. 197.
Abb. 197.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 427-433.
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