Drachenballon

[13] Drachenballon. Der Fesselballon ist bekanntlich ein Spiel des Windes, und man hat ihm aus diesem Grunde früher jede Brauchbarkeit für Zwecke militärischer Erkundung und Beobachtung abgesprochen. Hauptmann Gaede der preußischen Fußartillerie glaubte diesen Uebelstand damit beseitigen zu können, daß er einen Ballon mit einer großen Drachenfläche verband [1]. Er schuf mit dieser Idee den ersten Drachenballon.

Sein Projekt, das er 1873 veröffentlichte, stellte eine lanzettförmige Drachenfläche dar, die an ihrer Rückseite mit einem spindellförmigen Ballon durch ein Netz verbunden war. Der Gedanke kam, wenngleich mit einigen Abweichungen, zur Ausführung, als 1885 Professor E. Douglas Archibald in England Beobachtungen über Windgeschwindigkeiten in der Höhe anstellte [2], [3]. Archibald baute allerdings nur einen kleinen Drachenballon von 31/4 cbm Inhalt, der an einem leichten Drahtseil 225 m Höhe erreichte. Der Drache (vgl. Fig. 1) bestand aus einem Achteck, dessen Versteifung vier Bambusstangen bildeten. Zwei Enden dieser Versteifung waren am Ballonring[13] direkt befestigt, die vier oberen freien Enden wurden durch Bambusstangen mit der Krone des Ballons starr verbunden. Um ferner die Drachenfläche stabil zu erhalten und das lästige Stoßen und Schwanken des Drachenballons zu verhüten, wurde am Ring noch ein Schwanz aus sich selbst regulierenden Kegeln angebracht. Zum Schutz des Ballons vor dem Druck der die Drachenfläche umfließenden Luft versah Archibald diese mit einer Spitzenkappe (Top Hood).

Die Ergebnisse dieses, wenngleich im kleinen, so aber doch durchgeführten Versuchs werden wie folgt zusammengefaßt: 1. Der Drachenballon kann an einer viel größeren Zahl von Tagen aufzeigen als ein Fesselballon allein. – 2. Der Insasse kann Höhe und Azimut des Ballons ändern, indem er entweder die untere oder die Seitenbefestigung des Drachens anzieht. – 3. Mit dem Drachen ist, ausgenommen bei Windstille, ein kleinerer Ballon nötig, um ein gegebenes Gewicht zu heben. Die beste Lösung des Problems eines Drachenballons fanden die Hauptleute v. Parseval und Bartsch v. Sigsfeld, indem sie einen walzenförmigen Ballon wie einen Drachen unter einen bestimmten Neigungswinkel der Längsachse in den Wind stellten und mit Steuervorrichtung versahen (D.R.P. Nr. 75731). Diese in fast allen europäischen Armeen eingeführte Konstruktion (Fig. 2 und 3) besteht aus dem Gasraum G und dem Luftballone!. Letzteres füllt sich durch das Ballonetmaul O selbsttätig mit Luft und hält somit den Gaskörper unter einer Spannung, die seine Form im Wind dauernd erhält. Dehnt sich anderseits das Gas durch Erwärmen stark aus, so wird die Luft aus dem Ballonet durch eine kleine Oeffnung nach dem Steuersack St hin ausgedrückt. Im äußersten Falle öffnet sich selbsttätig das mit der Ballonetwand durch die Ventilkette L verbundene Ventil V und läßt einen Teil des Gases heraus. Hinten befindet sich zur Stabilisierung der Steuersack St, der sich durch das Maul P mit Luft füllt und bei dem kleinen Loch A solche herausläßt. Am hinteren Teil befinden sich außerdem noch zwei Segel C und ein mit Windtuten W versehener Schwanz. Der Drachenballon besitzt kein Netz, sondern einen am Aequator befestigten Gurt, an dem sowohl die Fesselung K KR als die Korbaufhängung KL J angebracht sind.

Die militärischen Drachenballons haben Größen von 600–800 cbm. Sie haben den Vorteil, bei Winden bis 20 m pro Sekunde oben in der Luft bleiben zu können.


Literatur: [1] Archiv für Artillerie- und Ingenieuroffiziere der preuß. Armee, Berlin 1873. – [2] Twenty-second Report of the Aeronautical Society of Great-Britain. – [3] Zeitschr. des deutsch. Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt 1887 und 1896; v. Parseval, Der Drachenballon, Beilage; v. Tschudi, Der Unterricht des Luftschiffers, 2. Aufl., Berlin 1905.

Moedebeck.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 2., Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 13-14.
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