Leitungen [2]

[385] Leitungen, elektrische. Die während des Krieges eintretende Kupferknappheit zwang sehr bald dazu, von diesem bisher fast ausschließlich zu Leitungszwecken und zu Maschinenwicklungen verwendeten Stoff abzusehen und Ersatz dafür zu suchen. Zunächst wurde Aluminium gewählt und als auch dieses knapp wurde, ging man zu Eisen und zu Zink über. Hierbei waren zunächst Schwierigkeiten zu überwinden, weil man die Eigenschaften der Ersatzmetalle in bezug auf ihre Verwendungsfähigkeit als Leiter zu wenig kannte und weil sie bisher in hierfür meist nicht günstigen Formen und Eigenschaften vorhanden waren. Bei allen war die dem Kupfer gegenüber erheblich geringere Leitfähigkeit und mit Ausnahme des Eisens auch die geringere Fertigkeit zu beachten.

Für Gleichstromleitungen lagen bei der Verwendung von Eisen keine Bedenken vor, während bei Wechselstromleitungen sich die von der Periodenzahl und von der Stromstärke abhängige sogenannte Hautwirkung (Skineffekt) durch Vergrößerung des Widerstandes störend bemerkbar machte. Bei Querschnitten von über 2,5 qmm ging man deshalb dazu über, bei Wechselstrom nur Drahtseile mit Einzeldrahtdurchmessern von etwa 1,5 mm Durchmesser zu verwenden. Eisen wird besonders als Freileitungsmaterial benutzt und hat sich auch bei den Oberleitungen (Fahrleitungen) der elektrischen Bahnen, bei Schleifleitungen von Krananlagen und dergleichen gut bewährt [7]. Für Installationen in trockenen Räumen Stellte man sogenannte Manteldrähte (MP) her, bestehend aus einem oder mehreren mit Papier isolierten Eisendrähten, in einen verbleiten Eisenmantel eingeschlossen. Um die Leitfähigkeit zu verbessern, versah man die Eisendrähte mit einer dünnen Kupferhaut [2]. Die Rostgefahr in feuchten Räumen wurde durch Verzinken oder durch Anstriche zu beseitigen versucht. Man wird auch in Zukunst darauf bedacht sein müssen, durch weitere Ausbreitung von Eiseninstallationen Leitungen aus teureren Stoffen, z.B. aus Kupfer, zu verdrängen [4], [5]. – Die Verwendung des Zinks,[385] die wegen der gegen Eisen besseren Leitfähigkeit (s. die nachstehende Tabelle) erwünscht ist, bot wegen der Brüchigkeit und des Verhaltens bei Temperaturschwankungen erheblichere Schwierigkeiten, die nur zum Teil überwunden werden konnten.


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Die geringe Fettigkeit und Fließgrenze, die Neigung zum Zerfall durch Elektrolyse bei feuchter Berührung mit anderen Metallen schränken seine Verwendung ein. Für Freileitungen ist Zink allein nicht geeignet, doch hat man mit sogenannten Verbundfeilen, bestehend aus Zink- und Stahldrähten, gute Erfahrungen gemacht [7]. Berührungsstellen von Zinkleitern mit Kupfer, Messing, z.B. in Schaltern, Sicherungen und dergleichen, müssen sorgfältig vor Feuchtigkeit geschützt werden (Lackanstrich). Zinkkabel erfordern, schon mit Rücksicht auf die Papierisolation, eine sehr vorsichtige Verlegung mit großen Krümmungsradien (je nach Kabeldurchmesser das Zwanzig- bis Dreißigfache desselben). Eine Belastungstabelle für Zinkkabel findet man in [3]. Aluminium ist wegen seiner hohen Leitfähigkeit und seiner sonstigen Eigenschaften ein guter Ersatz für Kupfer bei Leitungsanlagen und bei Wicklungen elektrischer Maschinen, und nur seine zunehmende Knappheit hinderte während des Krieges die ausgiebigere Verwendung. Nachdem auf Betreiben und mit Unterstützung der Reichsregierung in den letzten Jahren eine Anzahl neuer Aluminiumfabriken errichtet worden sind, ist anzunehmen, daß der Ersatz des Kupfers durch Aluminium für sehr viele Zwecke durchgeführt werden wird. Schwierigkeiten bereitet immer noch die Lötung, weshalb man (wie auch bei Zink und Eisen) andere Verbindungsarten verwendet [9]. Für Freileitungen ist, wie oben bei Zink erwähnt, die Ausführung als Verbundseil in Verbindung mit Stahldraht vorteilhafter [1], [12]. Auch die Legierungen des Aluminiums kommen für Leitungszwecke in Frage, z.B. das Elektron (10% Aluminium, 90% Magnesium), das Magnalium (90% Aluminium, 10% Magnesium), das Duralumin (90% Aluminium, 10% Kupfer).

Für die Isolierung der Leitungen ist ein allgemein befriedigender Ersatz noch nicht gefunden worden. In der ersten Kriegszeit konnte aus Altgummi ein einigermaßen brauchbares Regenerat erzielt werden, ebenso gelang es, künstlichen (synthetischen) Kautschuk herzustellen (KGZ-Draht). Später wurden auch hierzu die Rohstoffe knapp, und man ist seitdem auf Isolation durch Papierbandbewicklung und Papiergarnbespinnung [8] und auf Tränkung und Auffüllung mit bituminösen Stoffen angewiesen (KIZ-Draht), was nicht immer eine dauernd gute Isolation gewährleistet, da dieses Ersatzmaterial vielfach nicht eine genügende Isolationsfähigkeit und Zähigkeit sowie Undurchlässigkeit gegen Feuchtigkeit besitzt. Angaben über neuere Isolierstoffe s. in [7], [10]. – Die durch den Mangel an Leitungsstoffen hervorgerufenen Schwierigkeiten zwangen zu einer milderen Beurteilung der Ausführungen und es wurden deshalb von Zeit zu [386] Zeit die »Normalien, Vorschriften und Leitsätze des Verbandes deutscher Elektrotechniker« der allgemeinen Lage entsprechend geändert. Die letzten Festsetzungen, die auch für die Uebergangszeit gelten, findet man in [11]. Ueber neue Methoden der Leitungsberechnung s. [6], [13].


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Literatur: [1] Elektrotechn. Zeitschr. 1914, S. 747. – [2] Ebend. 1915, S. 572. – [3] Ebend. 1915, S. 670. – [4] Ebend. 1916, S. 207. – [5] Ebend. 1916, S. 108. – [6] Ebend. 1916, S. 397. – [7] Ebend. 1916, S. 561. – [8] Ebend. 1916, S. 687. – [9] Ebend. 1917, S. 401. – [10] Ebend. 1918, S. 433. – [11] Ebend. 1919, S. 41. – [12] Ebend. 1919, S. 221. – [13] Mahlke, Das Wechselstromfernleitungsproblem, Berlin 1919.

Holzt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 385-387.
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