Luftbild

[399] Luftbild, der Sammelbegriff für alle aus Luftfahrzeugen, d.h. aus Frei- und Fesselballons, Luftschiffen und Flugzeugen angefertigten Aufnahmen. Als Mittel zur Durchführung wichtiger militärischer und wirtschaftlicher Aufgaben hat das Luftbildwesen große Bedeutung. Im Kriege ist es ein unersetzliches Aufklärungsmittel. Der Standort und die Bewegung feindlicher Streitkräfte, die Art, der Umfang und die Entwicklung ihrer Stellungen sowie der übrigen unmittelbar oder mittelbar im Dienst der Armee und Marine stehenden militärischen und wirtschaftlichen Anlagen werden durch das Luftbild festgestellt und so wertvolle Unterlagen zur Bestimmung der Kampf- und Wirtschaftskraft des Feindes geliefert. Im Dienste der Seekriegführung werden durch besondere Luftbildkammern unter Wasser befindliche Ziele, Minen und U-Boote gefunden. Im Frieden dient das Luftbildwesen vorwiegend weltwirtschaftlichen Aufgaben: der Erforschung der wenig bekannten, besonders der schwer beschreitbaren Gebiete, der Unterstützung der Landesvermessung, der Herstellung von Luftbildkarten, der Festlegung der Fahrtrinnen schiffbarer Flüsse und der Ueberwachung der Lage und Bewegung der das Fahrwasser störenden Hindernisse, der Sandbänke u.s.w. Das Fortschreiten großer Erdarbeiten für Wasserstraßen, Eisenbahnlinien u.s.w. kann im Luftbilde laufend festgelegt werden. Durch das Luftbildwesen werden ferner die Wetterkunde unterstützt, sportliche Interessen gefördert und schließlich wertvoller Lehr- und Unterhaltungsstoff auf all den Gebieten geschaffen; zu deren Bearbeitung das Luftbild verwandt wird.

Die Luftbilder werden vorwiegend durch Luftbildkammern und Reihenbildner hergestellt. Die Luftbildkammern sind aus den normalen Kameras entstanden. Entsprechend den besonderen an sie gestellten Forderungen besitzen sie große Lichtstärken (1 : 3,5–1 : 9), vorwiegend Schlitzverschlüsse, Brennweiten schwankend zwischen 25 und 200 cm. Die Plattengröße ist meist 13 : 18, der Bildwinkel der großbrennweitigen Kammern dementsprechend gering. Ihre Verwendung ist deshalb an sich unwirtschaftlich, aber notwendig, wenn aus besonderen Gründen (feindliche Gegenwirkung im Kriege, große Gebietsflächen ohne Landungsplatz) bedeutende Flughöhen innegehalten werden müssen, zugleich aber das Luftbild noch alle Einzelheiten wiedergeben soll, also im Maßstabe von mindestens 1 : 10000. Den Maßstab des Luftbildes erhält man durch Division der Flughöhe durch die Brennweite, eine senkrechte Aufnahme vorausgesetzt. Es werden vorwiegend senkrechte Aufnahmen durch im Flugzeug aufgehängte Luftbildkammern, Schrägaufnahmen nur für besondere Zwecke (plastisch wirkende Bilder für Luftfahrwesen u.s.w.) angefertigt. Besondere Luftmeßkammern dienen der Vermessung, Entzerrungsgeräte der Nutzbarmachung von Schrägaufnahmen für die Luftbildkarten. Einander überlappende Luftbilder[399] können stereoskopisch ausgewertet werden und so wertvolle Unterlagen über die Bodenformation geben. Im Kriege hat sich dieses Verfahren besonders bewährt.

Die Reihenbildner haben ähnliche Eigenschaften wie die Luftbildkammern. Anstatt der Platten werden Filme verwandt, die in Flugrichtung oder quer zur Flugrichtung laufen und fortlaufend belichtet werden. Hundert und mehr Kilometer können so in kurzer Zeit aufgenommen werden. An der Entwicklung der Luftbildkammern, die etwa 1914 einsetzte, sind hervorragend und vorbildlich auch für das Ausland die Firmen Zeiß, Goertz und Ernemann beteiligt. Der Reihenbildner wurde schon vor Kriegsbeginn in Frankreich erprobt, im Laufe des Krieges von den Firmen Meßter und Ernemann zu einem brauchbaren Gerät entwickelt. An den Fortschritten der Luftbildaufklärung und der Luftbildvermessung sind unter anderen hervorragend beteiligt: Der Oesterreicher Scheimpflug, der schon vor dem Kriege die Entwicklung ungemein förderte, und Miethe von der Technischen Hochschule zu Charlottenburg, der durch eingehende Versuche mit Bildgeräten, wie auch mit besonders geeigneten Negativen und Chemikalien das Luftbildwesen weiterentwickelt, außerdem genauere Untersuchungen in der Unterwasserphotographie angestellt hat.

Reimpell.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 399-400.
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