Probefahrt

[244] Probefahrt mit Schiffen dient zur Feststellung der meist kontraktlich ausbedungenen Schiffsgeschwindigkeit sowie zur Erprobung der Schiffsmaschinen mit Bezug auf die Ermittlung der höchsten Kraftleistung, Kohlenverbrauch und Manövrierfähigkeit sowie zur Erprobung der Seefähigkeit und der Drehfähigkeit des Schiffes.

In der Handelsmarine begnügt man sich in der Regel mit der Ermittlung der größten Schiffsgeschwindigkeit sowie der entsprechenden Maschinenkraft und des Kohlenverbrauchs, da diese Resultate für den Reeder allein von Bedeutung sind. – Vor Beginn der Probefahrten ist das Schiff möglichst zu docken und mit einem neuen Bodenanstrich zu versehen, damit es bodenrein ist. Alsdann sind alle Daten festzustellen, welche für die späteren Versuche von Wert sind, die Belastung mit Ausrüstungsgegenständen, Kohlen, Wasser u.s.w., der entsprechende Tiefgang vor und nach der Probefahrt sowie die wichtigsten Konstruktionsdaten des Schiffes. – Zur Ermittlung der Schiffsgeschwindigkeit benutzte man früher das Log (s.d.); dasselbe gibt jedoch bei hohen Geschwindigkeiten keine zuverlässigen Werte. Man ist daher dazu übergegangen, an den Küsten genau abgedeckte und durch Baken kenntlich gemachte Strecken in einem Kurse parallel zu dieser Strecke mit dem Schiff abzulaufen und die hierzu erforderliche Zeit festzustellen. Da man die Geschwindigkeit der Schiffe pro Stunde allgemein nach Knoten oder Seemeilen = 1852 m bemißt, so macht man die Länge der abgesteckten Strecke gleich einer Seemeile. Es entspricht also eine Durchlaufszeit von 10 Minuten einer Geschwindigkeit von 6 Knoten. Das Fahrwasser für Meilenfahrten muß möglichst tief und frei von Strömungen sowie Ebbe und Flut sein, da sonst die Genauigkeit der Messungen beeinträchtigt wird. Auch dürfen die Windstärke und der Seegang ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Die gemessene Meile wird mehreremal auf und ab gelaufen und die mittlere Geschwindigkeit ermittelt. Bei längeren forcierten Fahrten läuft man, um den jedesmaligen Fahrtverlust beim Wenden nach Ablaufen der Meile zu umgehen, größere gerade Strecken mit derjenigen Umdrehungszahl ab, welche bei den vorher stattgefundenen Meilenfahrten der mittleren Maximalgeschwindigkeit entspricht. – Zur leichteren Verwertung der Probefahrtsdaten hat man zuerst in England nach dem Vorgang von Denny die Progressivprobefahrten eingeführt. Die [244] Meilenfahrten beginnen mit niedriger Geschwindigkeit, und dieselbe wird nach dem jedesmaligen doppelten Ablaufen der Meile stetig bis zur höchsten Maschinenleistung gesteigert, wobei jedesmal die Leistungen der Maschinen durch Indikatordiagramme festgestellt werden. Die für die einzelnen Geschwindigkeiten sich ergebenden Werte der indizierten Pferdestärken, der Umdrehungszahl, des Schraubenslip u.s.w. werden alsdann als Ordinaten von Kurven aufgetragen, deren Abszisse die entsprechende Geschwindigkeit in Seemeilen ist. Auf diese Weise ergibt sich ein klares Bild über den Zusammenhang dieser einzelnen Daten. – Zur Ermittlung der Maschinenleistung müssen bei allen Meilenfahrten und bei Dauerfahrten in bestimmten Zeitabschnitten Indikatordiagramme genommen werden und zwar auf beiden Kolbenseiten eines jeden Zylinders; desgleichen ist die mittlere Umdrehungsanzahl und der mittlere Dampfdruck im Hauptdampfrohr und in den einzelnen Zylindern sowie das Vakuum im Kondensator aus einer entsprechenden Anzahl Beobachtungen festzustellen. Wenn möglich, ist der Verbrauch an Speisewasser zu ermitteln. Der Slip des Propellers wird aus der Steigung, der Umdrehungszahl und der Geschwindigkeit berechnet, und alsdann werden alle Daten zu Tabellen vereinigt.

In der deutschen Marine erstrecken sich die Probefahrten auf eine Vorprobefahrt zur Konstatierung der Gangbarkeit der Maschinen, auf eine 6stündige forcierte Fahrt zur Ermittlung der höchsten Maschinenleistung und der größten Geschwindigkeit, auf eine 24stündige Dauerfahrt mit allen Kesseln ohne Forcierung, auf eine 24stündige Fahrt mit Marschgeschwindigkeit zur Bestimmung des Kohlenverbrauchs. Hieran reihen sich alsdann Fahrten zur Erprobung des Rudergeschirrs und der Drehfähigkeit des Schiffes, zur Festsetzung der Manövrierfähigkeit der Maschine sowie zur Erprobung des Schiffes in schwerer See.


Literatur: [1] Krieger-Johow, Hilfsbuch für den Schiffbau, Berlin 1902. – [2] Busley, L., Die Schiffsmaschine, Kiel 1886.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 244-245.
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