Rotblauartikel

[512] Rotblauartikel, im Zeugdruck, die Bezeichnung für ein Druckgenre, das rote Muster auf einem blauen Boden zeigt. Je nach der beanspruchten größeren oder geringeren Echtheit kann der Artikel auf baumwollenem Gewebe in mannigfaltiger Art hergestellt werden. Im folgenden sei dies an einigen Beispielen erläutert.

1. Boden: Indigo; Muster: Alizarinrot.

a) Verfahren von Basile [1]. Das uniblaugefärbte Gewebe wird mit Kaliumbichromat geklotzt, sodann mit einer verdickten Mischung von essigsaurer Tonerde, Salpeter- und Oxalsäure bedruckt. Hierauf wird es zur Befestigung der Tonerde durch Ammoniak oder durch ein Kuhmist- und Kreidebad genommen, gewaschen und im Alizarinbade gefärbt, um schließlich den zur Belebung des Rot dienenden Avivierungsoperationen zu unterliegen. Nach der Methode von Brandt [2] wird das indigoblaugefärbte Gewebe mit einer Aetze bedruckt, bestehend aus einer verdickten Mischung von chlorsaurer Tonerde, Bromnatrium, Jodkalium und Schwefelkupfer, alsdann gedämpft und mit Alizarin gefärbt. Nach Storck und Pfeiffer [3] zerstört Aluminiumbromat, auf Indigo gedruckt, letzteren vollständig beim Dämpfen unter gleichzeitiger Fixierung von Tonerde, ohne das Gewebe anzugreifen.

b) Glukoseverfahren von Schlieper und Baum [4]. Das Gewebe wird mit Natriumaluminat geklotzt, auf dem Dampfzylinder getrocknet und in der Oxydationskammer verhängt. Hierauf wird es nacheinander durch kaltes Wasser und durch ein lauwarmes Kreidebad gezogen, um nach auf diese Weise erfolgter Befestigung des Calciumaluminates im Alizarinbade ausgefärbt zu werden. Das Gewebe ist nun unirot gefärbt. Es wird weiterhin in Traubenzuckerlösung geklotzt und gut getrocknet. Jetzt wird die Indigodruckfarbe aufgedruckt, bestehend in einer verdickten Mischung von sein gemahlenem Indigoteig mit möglichst konzentrierter Natronlauge. Nach dem Druck, der unter schwacher Pression stattzufinden hat, damit die Farbe möglichst auf der Oberfläche des Gewebes bleibt, so daß sich auf dem Stoff gewissermaßen zwei Schichten befinden, die eine aus Traubenzucker, die andre aus Indigodruckfarbe bestehend, wird das Gewebe in einer Hotflue in heißer Luft getrocknet, um die Bildung von Natriumkarbonat tunlichst zu verhindern, und nun in einem kleinen kontinuierlichen Dämpfkasten in luftfreiem Dampf während einiger Sekunden gedämpft, was die Bildung und das Eindringen von Indigweißnatrium in das Gewebe und die Zersetzung des Alizarinlackes zur Folge hat. Wird nun das Gewebe, am besten im Rollenständer, in Wasser gewaschen, dann durch verdünnte Schwefelsäure und wieder durch Wasser genommen, so wird an den vorher mit der Indigofarbe bedruckten Stellen der Alizarinlack zerstört, das Alizarin entfernt und an seiner Stelle der Indigo befestigt sein.

2. Boden: Indigo; Muster: Paranitranilinrot (Azophorrot PM) [5].

Verfahren der Höchster Farbwerke. Dasselbe beruht auf der Oxydierbarkeit des Indigblau zu Isatin durch Chromsäure und auf der relativen Beständigkeit des Paranitrodiazobenzols gegenüber dieser Säure. Nach einem W. Elbers 1890 patentierten Verfahren ist nur die Diazoverbindung des Amidoazobenzols genügend chromsäurebeständig, um der Chromatätze[512] hinzugefügt werden zu können. Es hat sich indessen gezeigt, daß sich das Paranitrodiazobenzol besonders in seiner haltbaren Form als Azophorrot vorteilhaft als Chromatätzfarbe verwenden läßt. Das mit Naphtholnatrium imprägnierte, indigoblaugefärbte und getrocknete Gewebe wird mit der Aetzrotdruckfarbe, bestehend aus einer mit Tragantschleim verdickten Mischung von Natriumbichromat und Azophorrotlösung, bedruckt, getrocknet, durch das 60° C. warme Aetzbad (Schwefel- und Oxalsäure) passiert und gewaschen.

3. Boden: Dianisidinblau; Muster: Paranitranilinrot.

a) Aetzreserveverfahren der Höchster Farbwerke [5], Das an den mit der Dianisidinblaudruckfarbe bedruckten Stellen überschüssig vorhandene Betanaphthol wird durch Oxydation mittels Ammonium- oder Kaliumpersulfat in eine nicht mehr kupplungsfähige Verbindung übergeführt, so daß sich bei nachfolgender Passierung durch das Paranitrodiazobenzolbad an diesen Stellen kein Rot entwickeln kann. Die zu bedruckende Ware wird naphtholiert, mit der Dianisidinblaudruckfarbe (diazotiertes salzsaures Benzidin, essigsaure Weizenmehltragantverdickung, Kupferchlorid und Kaliumpersulfat) bedruckt und nach dem Trocknen möglichst bald am Foulard im Rotentwicklungsbade gefärbt. Beim Austritt aus den Quetschwalzen wird das Gewebe breit gewaschen, darauf bei 60° C. mit Seife und oxalsauerm Ammon breit und dann nach Bedarf im Strang auf gleiche Weise geseift. Hierbei verhindert der Zusatz von oxalsauerm Ammon zum Seifenbade die schädliche bräunende Wirkung des Kupfers der Dianisidinblaudruckfarbe auf das Paranitranilinrot.

b) Reserveverfahren von Tschudi & Co., übertragen an die Elberfelder Farbenfabriken [6]. Dasselbe beruht auf der reservierenden Wirkung des diazotierten Dianisidins durch Aluminiumsulfat. Man druckt auf das mit Naphthol präparierte Gewebe eine Mischung von diazotiertem Paranitranilin und Aluminiumsulfat, trocknet und passiert durch eine diazotierte gekupferte Dianisidinlösung. Letztere wird durch das Aluminiumsulfat reserviert, und es gelangt daher das Blau nur an den nicht bedruckten Stellen zur Entwicklung.

4. Boden: Diaminfarben; Muster: Paranitranilinrot.

Verfahren von L. Cassella & Co. Das mit einer blauen Diaminfarbe (z.B. Diaminreinblau oder Diaminogenblau) vorgefärbte Gewebe wird mit β-Naphthollösung, der chlorsaures Natron zugesetzt wird, auf dem Foulard präpariert. Hierauf wird es scharf getrocknet und mit verdickter, mit rotem Blutlaugensalz versetzter Paranitrodiazobenzollösung bedruckt. Nach dem Drucken wird die Ware einige Minuten gedämpft bezw. durch den Mather-Platt passiert, gewaschen und geseift.

5. Boden: Preußischblau (Berlinerblau); Muster: Paranitroanilinrot.

Verfahren von Marius Richard [7]. Auf eine Präparation von β-Naphthol, Natronlauge und Rizinseife wird eine Reserve aus Ferrocyanzinnpaste, gelbem und rotem Blutlaugensalz, Oxalsäure, Weinsäure, Salmiak und Verdickung gedruckt. Hierauf färbt man durch eine ganz kurze Passage durch ein mit Tragant verdicktes Entwicklungsbad mit Paranitrodiazobenzol, lüftet, chromt sofort, seist, wäscht, säuert mit Salzsäure, spült und trocknet.


Literatur: [1] Persoz, Impression des tissus, Paris 1846, Bd. 4, S. 374. – [2] Lehnes Färberzeitung 1891/92, S. 191. – [3] Ebend., S. 296. – [4] Bulletin de Mulhouse, Bd. 53, S. 585, 600; Dinglers Polyt. Journ., Bd. 250, S. 373. – [5] Farbwerke vorm. Meister, Lucius & Brüning in Höchst a. M., Die auf der Faser erzeugten unlöslichen Azofarben, 1898; D.R.P. Nr. 83964. – [6] D.R.P. Nr. 84701. – [7] Lehnes Färberztg. 1902, S. 96.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 512-513.
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