Sprengtechnik [1]

[225] Sprengtechnik, die Lehre von der Zertrümmerung fester Massen, besonders das Losreißen von Gesteinsstücken aus ihrem natürlichen Verbände durch die mechanische Wirkung der Spannkraft von Gasen geeigneter Sprengstoffe [1] nach ihrer Entzündung auf die Seitenwandungen entsprechend gelegener Hohlräume.

Die wichtigsten Aufgaben der Sprengtechnik sind: Eisenbahn-, Straßen-, Hafen- und Strombauten in kürzester Zeit zu ermöglichen; reiche Kohlen- und Erzlager in Kürze zu erschließen und abzubauen; Metallmassen, deren Volumen und Gewicht sie der gewöhnlichen Verarbeitung entzieht, zu zerkleinern; Klärung großer Waldflächen von den in der Erde zurückgebliebenen Baumstöcken (Stockroden); Lockerung des Untergrunds auf Tiefen, in die kein Ackergerät hinabreicht (Sprengkultur [2]); endlich Angriff und Verteidigung im Kriege. Die Hilfsmittel der Sprengtechnik sind nebst den Explosivstoffen, den Zündvorrichtungen und Zündmitteln die Maschinen (s. Bohr- und Sprengarbeit) und Werkzeuge zur Herstellung der Bohrlöcher für die Aufnahme der Ladungen (Minen) [3]. Bei manchen zu sprengenden Körpern wird der Sprengstoff auch nur auf dieselben frei aufgelegt, in welchem Falle größere Mengen erforderlich und besondere Vorrichten zu beobachten sind; ebenso können mittels aufgelegter Sprengladungen Felsen in Flüssen zerstört werden [4]. Bei den gesprengten Minen kann man als Wirkungszonen die Zermalmungs-, Verschiebungs- und Trennungszone unterscheiden. Je brisanter der Explosivstoff (s. Sprengstoffe) ist, d.h. je rascher er sich nach dem Entzünden zersetzt, desto größer werden bei gleicher Ladungsmenge die beiden ersten Zonen; bei geringerer Brisanz der verwendeten Sprengmittel nehmen die kubischen Inhalte der ersten beiden Zonen ab, dagegen wächst die Trennungszone. Minenladungen aus Schwarzpulver erzeugen fast gar keine Zermalmungs- und eine mittelgroße Verschiebungszone, dagegen eine verhältnismäßig große Trennungszone. Die richtig gelegte und geladene Dynamitmine streut hingegen sehr wenig, denn es findet kein Nachschub von Gasen statt. Je nach den zu sprengenden Körpern sind auch verschiedene Dynamitsorten zu verwenden, und je mehr brechende und zermalmende Kraft eine Sprengarbeit erfordert, desto stärker soll die Dynamitsorte für die Ladung gewählt werden, und umgekehrt, je mehr bloße Trennung gewünscht wird, eine desto schwächere Dynamitsorte ist zur Ladung zu nehmen. Beim Vortriebe oder Abteufen enger Stollen und Schächte sind starke Dynamitsorten, dagegen beim Ausweiten von Tunnels, Beseitigung fester Gesteinsmassen in Einschnitten, Gewinnung von Bau- und Werksteinen in Steinbrüchen, minder starke Dynamitsorten, und zum Sprengen von Holz- oder Eisenbestandteilen durch frei aufliegende Ladungen die stärksten Dynamite zu verwenden [5]. Besondere Erwähnung verdienen die neuen Sprengstoffe »Ammonal« (eine Mischung von Ammonitral und Aluminium, ein Sicherheitssprengstoff von fester, bisher unerreichter Kraftleistung, der auf der Verbrennung und Umsetzung des im Sprengstoffe enthaltenen Aluminiums beruht), »Vigorit« und »Holmgrens«. »Vigorit« ist ein Ammonsprengstoff, welcher eine Wirkung haben soll, die der von Dynamit- und Pikrinsäure nicht nachsteht, dagegen soll es billiger herzustellen, bei der Handhabung gefahrlos sein und keine Explosivgase entwickeln. Dieser Sprengstoff besteht nach der englischen Patentschrift aus 76 Teilen Ammonsalpeter, 10 Teilen Kalisalpeter, 2 Teilen Harz, 2 Teilen Kaliumperchlorat und 10 Teilen Kohlenwasserstoff. »Holmgrens« soll dieselbe Wirkung wie Pikrinsäure besitzen und ein gefährlicher Konkurrent derselben sein. Bei gleicher Ladedichte in Geschützen soll der relative Gasdruck infolge der hohen entwickelten Wärme den der Pikrinsäure noch etwas übersteigen [6].


Literatur: [1] Romocki, S.J. v., Geschichte der Explosivstoffe, Hannover 1895/1896. – [2] Hamm, Sprengkultur, Berlin 1877; Böckmann, Fr., Die explosiven Stoffe und deren praktische Anwendung, Wien 1895. – [3] Guttmann, Oskar, Handbuch der Sprengarbeiten, Braunschweig 1892; Höfer, H., Beiträge zur Spreng- und Minentheorie, Wien 1880; Lauer, J., Mauerwerkssprengungen mit Dynamit und Pulver, Wien 1873. – [4] Ders., Methode zur Zerstörung von Felsen in Flüssen, Wien 1892. – [5] Mahler, Julius, Die Sprengtechnik, Wien 1878; Mahler und Eschenbacher, Die Sprengtechnik, Wien 1881; Rziha, s. v., Die kulturelle Bedeutung der Sprengarbeit, Wien 1878; Krause, Die moderne Sprengtechnik, Leipzig 1881. – Nähere Angaben über die Sprengarbeit mit und ohne Anwendung von Maschinen, über die Bohrleitungen, über die Sprengwirkung der verschiedenen Sprengmittel und ihren Verbrauch sowie über die Kosten sind in Fr. Rzihas Lehrbuch der gesamten Tunnelbaukunst, 1. Hälfte, Berlin 1864, und im Handb. der Ingenieurwissensch. von Edm. Heusinger v. Waldegg, Leipzig 1880, enthalten. – [6] »Vigorit und Holmgrens«, Zeitschr. f. das gesamte Schieß- und Sprengwesen, München 1906; Ueber Vigorit, Bayr. Industrie- und Gewerbeblatt, München 1905.

Ziffer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 225.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika