Strohdach

[377] Strohdach, einfachste und wohlfeilste Dachdeckung ländlicher Gebäude; sie bietet wirksamsten Schutz gegen Kälte und Hitze und ist undurchlässig für Regen und Schnee; für den Landwirt vorteilhaft, weil er das nötige Material selbst baut, und zum Decken nur einen einzigen geübten Mann nötig hat. Die Feuersgefahr dieser Deckweise ist eine sehr große; letztere kann daher nur bei einzelstehenden Gebäuden zur Ausführung gelangen. Zur Verminderung der Feuersgefahr kommt Lehm in Verbindung mit Stroh zur Anwendung (s. Lehmschindel, Bd. 6, S. 117).

Die Dachneigung ist gleich 1 : 1. Als Dachform wird das Walm- oder Halbwalmdach[377] bevorzugt. Die Unterlage der 25–30 cm dicken Strohlage bilden Latten oder halbrunde Stangen, welche in 25–30 cm Weite auf den 1–1,30 m voneinander liegenden Sparren befestigt sind. Die Halme werden, die Spitzen nach unten gekehrt, dreimal gebunden. Zuerst werden die Traufschöfe oder -schauben befestigt; dann die Deckschöfe, welche, 12–15 cm dick, an 1,5–2,0 m lange Bandstöcke oder Strohtaue gebunden werden. Diese Stöcke werden mit Bindweiden (in neuerer Zeit mit Draht) an die Lattung festgebunden (Fig. 1). Besonders sorgfältig sind die rittlings aufwärts stehenden Firstschöfe zu beseitigen, damit sie nicht durch den Sturm weggerissen werden. Fig. 2 ist im Schwarzwald gebräuchlich. In der norddeutschen Tiefebene dienen hierfür sogenannte Firstböcke (Fig. 3) oder Flechtwerk oder ein halbrunder Wulst aus Heidekraut, der mit Holznägeln befestigt wird [4]. Bei dieser Art entsteht an den Enden der Firste eine dreieckige Oeffnung (Fig. 4), zum Zwecke, dem Rauche aus dem Hausinnern Abzug zu gestatten. Das Eindecken geschieht auf dem Deckbaum, welcher, 4–6 m lang, von der First aus mit Seilen befestigt ist und allmählich von der Traufe bis zum First aufwärts gezogen wird. Das eingedeckte Stück heißt ein Baumgang. Eine andre Art ist die Eindeckung auf Leitern; sie ist jedoch ungenügend, weil nur Bahnen von 1–1,20 m Breite auf einmal gedeckt werden können. Zu 1 qm Strohdach sind 4,5–5 Bund Stroh nötig. Die Dauer beträgt etwa 15 Jahre.


Literatur: [1] Gilly, Handbuch der Landbaukunst, II, Braunschweig 1822, S. 221. – [2] Breymann, Allgem. Baukonstruktionslehre, Bd. 2, Konstruktionen in Holz. – [3] Gottgetreu, R., Lehrbuch der Hochbaukonstruktionen, II. Zimmermannsarbeit, Berlin 1880. – [4] Das Bauernhaus im Deutschen Reich und seinen Grenzgebieten. Dresden 1901/03.

Weinbrenner.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 377-378.
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