Sumnerlinien

[398] Sumnerlinien, Positionslinien, Standlinien werden bei einer besonderen Art der Bestimmung der Schiffsposition zur See verwendet. Diese Linien sind Projektionen kleiner Stücke von sogenannten Kreisen gleicher Höhe auf die nautische Karte (Merkatorprojektion oder »reduzierte« Karte der Seeleute, das ist eine winkeltreue zylindrische Abbildung der Erdoberfläche). Die Methode trägt ihren Namen nach der Publikation des Kapitäns Th. Sumner im Jahre 1843 [1].

Denkt man sich auf der Erdkugel die Punkte, von denen aus ein gewisses Gestirn in einem bestimmten Augenblick unter demselben Höhenwinkel erscheint, miteinander verbunden, so ist diese Verbindungslinie offenbar ein Kleinkreis der Kugel, der den Endpunkt des nach dem Gestirn führenden Erdhalbmessers (den Punkt der Erde, in dessen Zenit das Gestirn im Augenblick der Beobachtung stand) zum sphärischen Mittelpunkt hat. Hat man also zu bestimmter Zeit (bestimmtem Chronometerstand) auch nur die Höhe nach einem Gestirn genommen, so ist damit bereits eine Bestimmungslinie (im geometrischen Sinn ein geometrischer Ort) für den Schiffsort im Augenblick der Beobachtung gegeben, nämlich eben ein solcher Kreis gleicher Höhen oder, für eine kleine Strecke, dessen Tangente (Positionslinie, Standlinie). Eine zweite spätere Beobachtung liefert eine zweite Positionslinie; wird die erste auf die zweite wegen der inzwischen vor sich gegangenen Versetzung des Schiffes (Versegelung, Kurs und Fahrt) reduziert, so ergibt der Schnittpunkt der zwei Bestimmungslinien den Ort des Schiffes im Augenblick der zweiten Messung. Die Methode ist wichtig und wird in den neueren Navigationslehrbüchern sehr eingehend behandelt. Sie ist sehr bequem und liefert, richtig verbanden, auf einfache Weise durch Konstruktion einen guten, allerdings von dem angenommenen Chronometerstand (der Greenwicher Zeit) abhängigen Schiffsort; ein Fehler in der Chronometerkorrektion verschiebt die Linie, allerdings ohne ihre Richtung zu ändern, nach W. oder O. Aber die Breite erhält man gut und einfach durch solche Höhen außerhalb des Meridians. Ueber das Nähere, besonders das Eintragen der Sumnerlinien in die nautische Karte, muß aber auf die (sehr reichhaltige) Literatur verwiesen werden, z.B. [2]–[6] als nautische Schriften; auch manche Handbücher der mathematischen Geographie und der sphärischen und praktischen Astronomie enthalten Notizen. – Vgl. Navigation.


Literatur: [1] Sumner, A new and accurate Method of finding a ship's position at Sea, Boston 1843, deutsch von Tobiesen, Neue Methode, den Standpunkt eines Schiffes auf See durch Projektion auf Mercators Karte zu bestimmen, Hamburg 1855. – [2] Handbuch der Navigation, herausgegeben vom Reichsmarineamt, 4. Aufl., Berlin 1899. – [3] Guyon, Les Problemes de Ja Navigation et la Carte marine, Paris 1896. – [4] Collet, Navigation astronomique simplifiée au[398] moyen de la méthode de Sumner et des Tables de Sir William Thomson, Paris 1891. – [5] (Deutsche Seewarte, Anweisungen, Heft Nr. 3) Bolte, Die Praxis der Sumnerschen Standlinien; an Bord, Hamburg 1894. Auch in Heft Nr. 2 derselben Reihe, [6] Ambronn, Breitenbestimmungen zur See, Hamburg 1894, ist S. 21–24 die Methode kurz auseinandergesetzt. – [7] Marcuse, Beiträge zur nautischen Astronomie, Marine-Rundschau 1897, Heft 8, und 1898, Heft 3; der erste Artikel gibt besonders das Historische, der zweite die Förstersche Methode, die besonders nach Ausführung der projektierten Höhentafeln bequem sein wird. – [8] Bolte, F., Neues Handbuch der Schiffahrtskunde, Hamburg 1899, S. 99. Sehr ausführlich und alles für die Praxis Nötige umfassend.

Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 398-399.
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