Der Geizhals.

[73] Einem Geizhals war sein Vater und seine Mutter gestorben und er wollte die übliche Koranlesung für sie lesen lassen. Zu dieser Festlichkeit kaufte er Reis, eine Ziege, Gewürz und Zwiebel, überhaupt jeglichen Vorrat, nur Kokosnüsse hatte er noch nicht eingekauft.

Er fand die Kokosnüsse zu teuer. Obwohl er selbst auf die Kokospalme zu klettern verstand, ging er zum Markte und fragte: »Wie teuer sind die Nüsse?« Man sagte ihm: »Zwei für einen Pesa, aber wenn Du weiter gehst, findest Du drei für einen Pesa.« Das reizte ihn und er ging dorthin und fragte: »Wie teuer sind die Kokosnüsse?« Man antwortete ihm: »Drei Stück für einen Pesa, aber wenn Du noch weiter gehst, findest Du vier für einen Pesa.«

Er ging weiter und fragte: »Wie teuer sind die Nüsse?« Man antwortete ihm: »Von diesen giebt es vier für einen Pesa, wenn Du jedoch nach Kiungani1 gehst, dort suchen sie einen tüchtigen Kokosbaumkletterer, wenn Du das kannst, erhältst Du die Hälfte der Nüsse.«

Er begab sich nun nach Kiungani und als er die Nüsse sah, fragte er: »Wie teuer sind sie?« Sie antworteten ihm: »Es giebt zehn für einen Pesa, aber hier[73] in der Nähe sucht man jemand, der auf die Kokospalmen klettern kann; wenn Du das verstehst, so gehe hin und steige hinauf.« Er antwortete: »Das verstehe ich.« »Gut, so gehe hin und steige hinauf; Du wirst reichlich Kokosnüsse bekommen.« Er bekam Verlangen danach und ging hin; als sie ihn sahen, hiessen sie ihn auf die Kokospalmen klettern.

Unterdessen waren zehn Tage verstrichen, seit er die Koranlesung für seinen Vater und seine Mutter wollte abhalten lassen und man wartete damit auf ihn.

Als er oben auf die Palme geklettert war, stürzte er und blieb mit den Füssen in den in der Baumkrone zusammenlaufenden Ästen hängen und mit den Händen hielt er sich unten an einem Aste; seine Füsse waren verletzt, nur mit Händen und Füssen hielt er sich noch.

Da kam ein Mann vorüber und er sprach zu ihm: »Ich bitte Dich, wenn Du mich aus meiner Lage befreist, werde ich Dir dreihundert Thaler geben.« Das reizte diesen und er kletterte hinauf, um jenen aus seiner Lage zu befreien. Seine Hände verwickelten sich jedoch in die Füsse des andern und so hingen sie beide da, als wenn sie aufgehängt wären.

Nun kam ein anderer vorbei und sie sprachen zu ihm: »Wenn Du kommst und uns hier herausziehst, werden wir Dir Geld geben.« Dieser fragte: »Du, der Du oben bist, wieviel wirst Du mir geben?« Jener antwortete: »Wenn ich heil herauskomme, gebe ich Dir vierhundert Thaler.« Dieser fragte weiter: »Und Du, der Du unten hängst, wieviel wirst Du mir geben?« Dieser antwortete: »Ich werde Dir vierhundert Thaler geben.«

Das reizte diesen sehr und er überlegte: »Das sind achthundert Thaler, davon werde ich hundert nehmen und einen Esel kaufen, für zweihundert werde ich mir[74] ein Steinhaus kaufen, ein kleines wird mir schon genügen; für hundert Thaler kaufe ich mir Mantel, Turban und Dolch, das übrige Geld lege ich mir auf meiner Pflanzung bei Seite und gebe es aus, wenn ich dahin zurückkehre.«

So überlegte und überlegte er, bis er schliesslich mit sich im Klaren war; und wie er auf die Palme klettern wollte – da stürzten plötzlich alle beide mit ihrem Ast herunter und blieben tot liegen. So hatte auch diesen seine ganze Ueberlegung nichts genutzt, denn sie waren beide tot.

1

Vorort von Zanzibar.

Quelle:
Velten, C[arl]: Märchen und Erzählungen der Suaheli. Stuttgart/Berlin: W. Spemann, 1898, S. 73-75.
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