Vom Cakyane-bo Cololo.1

[144] Als einst Cakyane spazieren ging, traf er eine Geiß, welche Junge hatte, und sagte zu ihr:[144]

»Mutter, laß mich deine Kinder hüten.«

Die Geiß willigte ein. Am nächsten Tage ging die Geiß aufs Feld; Cakyane blieb mit den Kleinen zu Hause. Da nahm er eins von den Kleinen und kochte es. Als es gar gekocht war, aß er davon und setzte das übrige der Alten vor, indem er sagte:

»Mutter, da ist feiner Braten von einem Wilde. Ich hörte von Leuten draußen großen Lärm, worauf ich hinauslief und es erlegte.«

Die Geiß aß, und als sie damit fertig war, sagte sie:

»Laß mich meine Kinder sehen.«

Cakyane ging, sie zu holen; brachte aber eins zweimal, damit die Mutter nicht merkte, daß eins fehlte. So machte es Cakyane jeden Tag, indem er eins nach dem andern schlachtete und dafür eins der Jungen so oft brachte, daß die Alte nichts merkte. Als nur das letzte noch übrig war, hatte er auch mit diesem kein Erbarmen, sondern schlachtete es und setzte es der Alten vor. Sie aß und fragte nach den Kindern. Cakyane sagte:

»Ich werde sie holen,« ging hinaus und rief, als er draußen war:

»Oho, ho! du hast deine Kinder gegessen statt Wildbret.«

Da sprang die Geiß auf und ihm nach. Cakyane lief ans Flußufer und fand den Fluß voll Wasser. Auch die Geiß lief dorthin, sah aber von Cakyane nichts mehr, da sich derselbe inzwischen in einen Stein verwandelt hatte. Sie nahm den Stein und rief, indem sie ihn über den Fluß hinüberwarf:

»O höchster Geist, du hast Cakyane gesehen, triff' ihn mit diesem Steine.«

Drüben angekommen, verwandelte sich der Stein wieder, und Cakyane rief:[145]

»Helele! du hast mich ja prächtig über den Fluß gesetzt! Mich, den Cakyane-bo-Cololo, welchen du kennst!«

Cakyane ging nun weiter, bis er an einer Hütte anlangte. Er ging hinein und traf daselbst ein altes Weib an. Dieses redete er an mit den Worten:

»Mütterchen, komm; wir wollen einander kochen!«

Die Alte gab ihre Zustimmung. Hierauf sagte er, sobald man Hitze verspüre, möge man rufen:

»Ich bin gar gekocht!«

Bei ihm solle begonnen werden. Die Alte war damit einverstanden, und Cakyane wurde in den Kessel gesetzt und gekocht.

Nach einer Weile rief er:

»So, genug jetzt! ich bin gekocht!«

Die Alte hob den Deckel weg, und Cakyane kam heraus. Dann stieg die Alte hinein. Nach einer Weile rief sie:

»So, nun genug! Ich bin gekocht!«

Aber Cakyane entgegnete:

»Wie kannst du, altes Weib, sagen, daß du schon gekocht seist, da doch ich viel länger im Kessel war als du! Ich bin noch jung, indes du alt bist. Dein Fleisch braucht schon etwas länger zu kochen!«

Sodann legte er neues Holz unter den Kessel. Die Alte jammerte und rief immerfort:

»Ich bin gesotten, ich bin weich gekocht!«

Aber die Antwort war immer:

»Noch nicht genug; – nur Geduld!«

Cakyane mahlte nun Amabele (Kaffernhirse) auf dem Steine, kochte davon einen Brei, nahm denselben, als er fertig gekocht war, heraus und stellte ihn als Gericht für die Söhne des alten Weibes hin, welche noch kommen sollten. Er selbst aß hierauf, nahm den ledernen Rock[146] von der Alten, in den er sich einhüllte, und stellte sich, als er die Söhne kommen hörte, schlafend. Die Söhne, welche jetzt eintraten, hatten ein Reh bei sich, das sie auf der Jagd erlegt hatten. Cakyane tat, als ob er aufwache, und sagte:

»Bravo, bravo, meine lieben Kindeskinder! Seht, dort habe ich euch ein Essen gerichtet! Laßt es euch schmecken; denn ihr scheint müde und hungrig zu sein!«

Sie aßen alsdann.

Während des Essens sagte der jüngere von den Söhnen:

»Schau' doch einmal dorthin; das scheint die Hand unserer Großmutter zu sein!«

Darauf entgegnete der ältere:

»Schweige; siehst du denn nicht, daß die Alte am Sterben liegt!«

Cakyane aber erwiderte mit verstellter Stimme:

»Hört, diesen undankbaren Menschen!«

Als sie das vernommen, schwiegen beide, aßen und tranken, bis sie satt waren. Da sagte Cakyane:

»O Kinder meines Kindes, richtet mir doch das Reh schön zu, welches ihr mitgebracht habt!«

Während sie dasselbe zubereiteten, ging Cakyane hinaus, warf, als er eine Strecke entfernt war, den Rock auf die Erde und rief:

»Hurra, hurra, ihr habt ja eure Großmutter gegessen!«

Da sprangen beide auf und ihm nach; aber auch Cakyane rannte, so gut er konnte, davon, und verwandelte sich schließlich am Ufer des nächsten Flusses in einen Holzklotz. Die Söhne kamen dorthin und warfen den Klotz über den großen Fluß, indem sie sagten:

»O großer Geist, du kennst Cakyane und weißt, wo[147] er sich aufhält! Erschlage ihn dort, wo du ihn siehst, mit diesem Klotze«. Drüben verwandelte sich Cakyane wieder und rief lachend den Söhnen zu:

»Ei, ihr Herren, ihr habt mich ja prächtig über den Fluß gesetzt!«

Sprach's und ging seines Weges weiter; – jene aber blieben ärgerlich auf der anderen Seite des Flusses zurück.

Cakyane traf im Weitergehen einen Greis, welcher Brot aß. Er nahm es ihm ab und lief davon. Der Alte lief ihm nach und rief:

»Lege mein Brot nieder, Cakyane!«

Der aber hörte nicht, sondern lief weiter, bis er an einen hohlen Baum kam, in welchen er schnell hineinkroch. Gleich darauf kam der Alte auch an und steckte seine Hand in das Loch, den Bösewicht herauszuziehen. Als er ihn so gefaßt hatte, rief Cakyane:

»O Tor, du hast ja die Wurzel des Baumes gefaßt.«

Da ließ der Alte ihn los und faßte die Wurzel des Baumes; Cakyane aber rief:

»Laß mich los, du bringst mich ums Leben!«

Der Alte, hoch erfreut, bemühte sich jetzt, den vermeintlichen Cakyane herauszuziehen. Dieser jedoch aß währenddem das Brot, sprang sodann heraus und lief davon.

1

Im Zulukaffrischen führt das Wiesel den Namen u Cakide; u Cakyane ist die Verkleinerungsform hiervon und bedeutet demnach soviel als »Wieselchen«; bo Cololo ist ein bloßer Ehrentitel; ein weiterer Ehrentitel desselben lautet »u Mahlab indoda iseme« und bezeichnet einen, »welcher den noch stehenden Mann niedersticht«. Das Tierchen hat diesen Beinamen wegen seiner Gewandtheit und Klugheit, und es spielt im kaffrischen Märchen- und Fabelkranze ungefähr die gleiche Rolle wie Reineke Fuchs im deutschen.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 144-148.
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