VII. ›Bärenfell bemalen‹.

[239] Eine fast nur in Nordeuropa vertretene Sage erzählt, wie der Fuchs den Bären einst bemalen wollte.1 Die Urform ist nach Krohn folgende:


Der Fuchs und der Bär sehen einen Specht auf dem Baume. Der Fuchs erklärt, schon einmal einen Specht bemalt zu haben. Der Bär fragt, ob er auch so bemalt werden könnte, was der Fuchs bejaht. Der Bär bittet den Fuchs darum. Der Fuchs führt den Bären an einen Heuschober und befiehlt ihm hinaufzusteigen. [Er beginnt Feuer anzuzünden. Beruhigt den fragenden Bären.] Er steckt den Heuschober in Brand. Wie der Bär das Feuer wahrnimmt, will er hinuntereilen. Der Fuchs heißt ihn noch ein wenig warten, damit die Farben stärker würden. Dem Bären werden vom Feuer die Haare versengt. Und seitdem sehen seine Haare noch jetzt versengt aus.


Die obige, ursprüngliche Ätiologie zu dieser Erzählung scheint nur in Finnland verbreitet zu sein2, wir finden aber auch noch andere deutende Schlüsse. So z.B. in einer Variante aus Estland:


1. Die Hirtenkinder hatten an einem kalten Herbstabend ein Feuer gemacht, um sich zu wärmen. Hatten es aber, als sie fortgingen, vergessen zu löschen. Der Wind führte einige Funken in einen nahen Heuschober, welcher in Flammen aufging. Ein Fuchs kam und wärmte sich beim Feuer. Auch ein Wolf (susi) kam und fragte, was der Fuchs mache. Der Fuchs erwiderte schlau: Ich will meinem Pelz[239] eine andere Farbe geben, damit mich die Jäger, welche mich verfolgen, und die Hühner, welche mich fliehen, nicht erkennen. Deswegen habe ich dieses Feuer gemacht. »O,« sagte der Wolf, »lehre mich auch, ehe das Feuer verlöscht, die Pelzfarbe ändern. Die Hirten erkennen mich gar zu leicht und ich kann kein Schaf stehlen.« Der Fuchs sagte: »Drück deine Augen zu und spring durchs Feuer, so wird dein Pelz eine andere Farbe erhalten.« Der Wolf schloß die Augen und lief in die Richtung des Feuers. Aber er hatte sich etwas in der Richtung geirrt und lief scharf am Feuer vorbei, so daß nur einzelne Haare seines Pelzes versengt wurden. Seitdem hat der Wolf immer den Geruch von Versengtem an sich. Der Fuchs hatte natürlich das Weite gesucht.


  • Literatur: Aus dem hdschr. Nachlaß von Hurt.

Entsprechend ihrem veränderten Personal hat eine Fassung der afrikanischen Neger einen ebenfalls abweichenden ätiologischen Schluß. Hier handelt es sich um die Hyäne und deren buntgezeichnetes Fell.


2. Der Schakal stand einst am Wasser und fing sich Fische; bald hatte er eine beträchtliche Anzahl gefangen, zog sie heraus und aß davon. Als er gesättigt war, da dachte er: »Wer soll nun die übrigen Fische verzehren, die ich gefangen habe?« Während er das noch bei sich überlegte, kam die Hyäne des Weges. Sobald der Schakal ihrer ansichtig wurde, rief er sie heran und sagte: »Siehst du all diese Fische hier, Hyäne? Iß davon, wenn du magst.« Die Hyäne fraß gierig den ganzen Vorrat auf; das verdroß indessen den Schakal. – Inzwischen kam ein Perlhuhn herbei, ließ sich auf einem Baume nieder und sang: »Kilkal, Kilkal!« Als die Hyäne das schön gesprenkelte Gefieder des Perlhuhns bemerkte, rief sie: »Ach hätte ich doch auch ein so herrlich geflecktes Fell!« »Weißt du, wer diese bunten Sprenkel macht?« entgegnete der Schakal, »das tue ich!« »Ach,« rief die Hyäne, »wolltest du mein Fell doch auch mit diesen schönen Flecken schmücken!« »Warum denn nicht,« meinte der Schakal scheinbar gutmütig; »wenn du so gern ein derartig gesprenkeltes Fell haben willst, so hole mir nur ein scharfes Messer und etwas weiße Erde.« Die Hyäne, die in ihrer Dummheit nicht ahnte, daß der Schakal über ihr gieriges Fressen ärgerlich sei, lief davon und kehrte bald mit ein wenig weißer Erde zurück, auch ein scharfes Messer brachte sie mit sich. Der Schakal gebot ihr nun, sich niederzusetzen, hielt sie mit der einen Hand beim Kopfe fest, während er mit der anderen lustig hier und dort Einschnitte in ihren Rücken machte, dabei sang er fröhlich:


»Du aßest meine Fische

Ich rudre nun auf deinem Rücken.«


Endlich riß sich die Hyäne los und humpelte voller Schmerz mit ihrem schöngezeichneten Körper davon. Der Schakal aber lachte ganz unbändig, daß er den Rücken der Hyäne so schön hatte zurichten können.


  • Literatur: Bleek, Reineke Fuchs in Afrika, S. 83 f., Märchen der Haussa.

Hierher gehört auch eine Sage der Maliseet, die zwar keine Ätiologie besitzt, aber doch dadurch interessant ist, daß sie den aus Europa importierten Stoff mit eigenartigen Arabesken versehen hat.


3. Lox3 begegnete dem Bären am See, und die beiden setzten sich zusammen und unterhielten sich. Als sie nun so am Seeufer saßen, sagte Lox, als eine große weiße[240] Möwe vorbeiflog: »Sieh diesen Vogel. Wie stolz er ist! Er wäre nicht so weiß, wenn ich ihn nicht so gemacht hätte.« Der Bär meinte, er möchte wohl auch so weiß sein, und fragte Lox danach, der ihm sagte, er könne ihn weiß machen. »Wenn du tust, was ich sage, wirst du so weiß wie Schnee werden.« »So möchte ich werden,« sagte der Bär. Lox ging an die Arbeit und machte eine starke Hütte. In der Mitte grub er ein Loch, nahm Felsenstücke und tat sie hinein. Danach machte er ein Feuer darüber an. Als das Holz zweimal niedergebrannt und die Steine glühend heiß waren, machte er ein festes Dach auf die Hütte mit einem Loch in der Mitte, durch das er auf die heißen Steine Wasser gießen konnte. Er ließ den Bären hineingehen und schloß die Tür. Lox goß nun Wasser auf die Steine, daß es dem Bären glühheiß wurde. Er konnte es nicht mehr aushalten, und bat, herausgelassen zu werden. [Als er das zweite Mal hineingeht, läßt ihn Lox darin, bis er tot ist.]


  • Literatur: Journ. of Am. Folkl. VIII, 198.

Fußnoten

1 Krohn, S. 67. Über ›Bemalen‹ im allgemeinen vgl. Natursagen Bd. 3, Register s.v. Bemalen.


2 In Varianten, deren Text mir nicht zugänglich ist. Vgl. Krohn S. 69.


3 Lox ist sehr schlau im Verkehr mit anderen Tieren und hat sie zum besten.


Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 241.
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