Der bestrafte Verrath des Tanuki.1

[46] Die Jäger hatten viele Jahre einen Wald so stark beschlossen daß zuletzt alles Wild daraus entschwunden war. Kein Hase ließ sich blicken, Hirsche und Eber gab es schon lange nicht mehr, und selbst der wilden Taube, welche sonst so hübsch in allen Zweigen gurrte und ihr Nest in jede dichtbelaubte Krone baute, war der Garaus gemacht. Nur drei Thiere waren übrig[46] geblieben und hausten allein in dem großen Walde auf einem Berge, wo sie allesammt ihre Wohnungen hatten. Es war ein Tanuki und eine Füchsin mit ihrem kleinen Söhnchen. Die Füchsin und der Tanuki waren nicht nur sehr klug, sondern auch zauberkundig, und diesen Eigenschaften hatten sie es zu verdanken, daß sie nicht schon längst das Schicksal ihrer armen Gefährten getheilt hatten. Denn hörten sie auch nur von weitem eine Büchse knallen, so kamen sie nicht zum Vorschein, und selbst wenn der Hunger sie plagte, wußten sie sich klüglich zu beherrschen und kamen keiner Falle zu nahe, die man ihnen stellte, selbst wenn dieselbe die schönsten Leckerbissen blicken ließ. So waren sie denn freilich einem mörderischen Schicksal entgangen, aber zuletzt war doch guter Rath theuer, denn weit und breit war keine Nahrung zu finden, und nur mühsam fristeten sie ihr Dasein und mußten oft Hungerpfoten nagen. Als sie nun eines Tages recht sorgenvoll zusammen saßen und beriethen, wie sie es wohl anfingen, ein besseres Dasein zu führen, da hatte der Tanuki einen gescheidten Einfall, den er auch sofort der Füchsin mittheilte. »Ich werde mich todt stellen,« sprach er zu seiner Freundin, »du nimmst Menschengestalt an und trägst mich zum Verkauf aus. Gewiß wird sich bald ein Käufer finden; du kaufst dann für das erlöste Geld Speisen, gehst damit zurück in den Wald, und ich werde bald Mittel und Wege finden, mich frei zu machen. Wer wird auch auf einen todten Tanuki achten?« Als der Tanuki dies gesagt, da lachte die Füchsin und freute sich des Vorschlages. Sie war damit einverstanden, daß er sogleich ausgeführt würde, und willigte gern ein, daß auch sie sich todt stellen und vom Tanuki zum Kauf ausgetragen werden sollte, wenn der Streich gelänge und dann die eingekauften Speisen verzehrt wären. Gesagt, gethan; man ging ans Werk, und Alles gerieth aufs Beste. Im nächsten Dorfe schon verkaufte die Füchsin den Tanuki, den die Leute natürlich für todt hielten, für ein hübsches Stück Geld. Er blieb in einem Winkel liegen, man achtete nicht auf ihn, und sehr bald ergriff er die Flucht und verschwand im Walde. Hier[47] erwartete ihn eitel Freude, duftende Speisen wurden aufgetragen, und lange, lange waren die versammelten Freunde nicht so lustig und guter Dinge gewesen, wie heute. Die nächste Zeit verstrich auch noch gut, aber bald war doch alles aufgezehrt und die alte Noth hielt wiederum ihren Einzug. Da kam die Reihe an die Füchsin, sich todt zu stellen, und der Tanuki, der sich in einen Bauer verwandelt hatte, trug sie in das Dorf zum Verkauf. Als er aber den guten Handel abschloß, da kamen ihm böse Gedanken, und verrätherisch, wie er im Grunde stets gewesen, gab er dem Manne, der seine alte Leidensgefährtin kaufte, heimlich einen Wink und sagte ihm, die Füchsin sei nicht ganz todt, sondern sie lebe noch und könne ihm weglaufen. Der Käufer faßte sich kurz; er gab ihr einen Keulenschlag und machte mit einem Streiche ihrem Leben ein Ende. Der Tanuki aber strich das Geld ein und dachte bei sich, daß die Speisen, die er dafür kaufen könne, nun weit länger ausreichen würden, da die Füchsin nicht mit esse, und deshalb freute sich der Betrüger und lachte boshaft in sich hinein. Als er zu Hause angelangt war, ließ er es sich gut schmecken und gab auch dem kleinen Füchslein nichts ab, das, wie es der böse Tanuki meinte, auch gewiß zu Grunde gegangen wäre, wenn es sich nicht schlau zu helfen gewußt hätte. Es suchte sich sein Futter auf eigene Hand, so gut es gehen wollte, und wartete ruhig auf seine Mutter. Aber ach, die Zeit verging und die alte Füchsin kam nicht wieder. Da sah das Füchslein denn nur allzu gut, daß der Tanuki Verrath an seiner Mutter geübt habe und daß sie durch ihn ums Leben gekommen sei. Aber es ließ sich nichts merken und war unverändert freundlich gegen den schlechten Kerl. Im Herzen zürnte es ihm dafür desto mehr und nahm sich fest vor, den Tod seiner Mutter zu rächen.

Als sie nun beide, der alte Tanuki und das Füchslein, eines Tages beisammen saßen, da behauptete der Fuchs kecklich, er hätte die Zauberkunst von seiner Mutter erlernt und sei darin viel bewanderter, als der Tanuki. Das nahm diesen Wunder,[48] und er sprach gegen den Kleinen sehr entschieden seine Zweifel aus; das Füchslein jedoch that so klug und war seiner Sache so sicher, daß der Tanuki eine Wette anbot, er würde den jungen Burschen in jeder Gestalt wieder erkennen. »Ich will in die Nähe des Dorfes gehn,« so schlug er vor, »und wenn du dann über die Brücke kommst, welche über den Fluß führt, so will ich dich erkennen, du magst anfangen, was du willst!« Das Füchslein ging die Wette ein und lief sofort in die Gegend, welche der Tanuki bezeichnet hatte; es hütete sich aber wohl, irgend eine fremde Gestalt anzunehmen, sondern es setzte sich nur in der Nähe der Brücke in einen Schlupfwinkel, wo Niemand es sehen konnte, während es selber alles beobachtete, was auf der Brücke vorfiel.

Und kaum hatte es ein Weilchen gewartet, so schlich auch schon der Tanuki herzu und legte sich ebenfalls auf die Lauer. Wieder dauerte es nicht lange, da kam von weitem der Zug eines Fürsten daher. Der Fürst selbst saß in einem schönen Tragkorbe und war von vielen Kriegern und Dienern umgeben. Beide, Tanuki und Füchslein, sahen den Zug mit freudiger Erwartung näher und näher kommen; der Tanuki dachte nämlich, das Füchslein habe sich in den Fürsten verwandelt. »Mich kannst du nicht überlisten,« murmelte er in den Bart, und kühn sprang er hervor, gerade als der Fürst mit seinem Gefolge die Brücke betrat, und verlangte den Preis seiner Wette. Aber nun war es um dem Sünder geschehen, denn kaum erblickten ihn die Leute des Fürsten, so ward er unbarmherzig todt geschlagen, und das Füchslein hatte die große Genugthuung, den Tod seiner armen Mutter an dem Bösewichte auf diese Weise gerächt zu sehen. Vergnügt sprang es in den Wald zurück, und wenn es ihm dort nicht zu einsam geworden ist, so lebt es wohl noch heute darinnen.

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S. Märchen: des Tanuki Scherflein, S. 26.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 46-49.
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