XLVI.

[190] Es war einmal ein Fürst, der hatte einen Garten. Einst fand er einen Kern, da rief er die Gärtner und sagte ihnen: »Schaut euch mal diesen Kern an und seht, was das für ein Kern ist.« Sie besahen ihn sich, aber sie wussten nicht, was es war. Darauf setzten sie ihn im Garten, und er ging auf und ward ein Granatbaum. Er setzte einen Granatapfel an, und der Fürst empfal dem Gärtner, ein wachsames Auge auf ihn zu haben. Als der Apfel reif geworden war, kam ein Riese und nahm ihn weg. Als nun der Fürst fragte, wo der Apfel sei, antwortete der Gärtner: »Bei[190] Gott, ich weiss nicht, wer ihn weggenommen hat.« Der Fürst aber liess dem Gärtner den Kopf abschlagen. –. Im folgenden Jahre schlief der Sohn des Fürsten Nachts vor dem Baume bis zum Morgen. Aber wieder kam der Riese und nahm den Apfel weg. Als nun der Fürst fragte, wo der Apfel sei, sagte sein Sohn: »Ich weiss nicht, wer ihn geholt hat.« Da liess sein Vater ihn festsetzen. –. Wiederum trug der Baum Frucht: da sagte der jüngste Sohn: »Vater, ich will ihn bewachen.« Als es Nacht wurde, legte er sich vor denselben hin bis zum Anbruch des Morgens. Aber er ritzte sich seine Hand auf und tat Salz hinein. So sass er und hielt sein Gewehr gefasst. Als nun der Riese kam, nach dem Apfel griff, legte jener das Gewehr auf ihn an und verwundete ihn. Dann pflückte der Prinz den Apfel und brachte ihn seinem Vater. Dieser brach ihn entzwei, und es fanden sich drei Kerne in ihm, von welchen er einen ass: da ward er wieder ein schöner junger Mann. –. Der Sohn aber verfolgte nebst seinen beiden Brüdern die Blutspur des Riesen und sie gelangten auf ihr bis zum Rand einer Cisterne. In diese liessen sie den ältesten Bruder hinab; als er aber bis zur Mitte der Cisterne gelangt war, schrie er: »Ich ersticke, zieht mich hinaus.« Da zogen sie ihn wieder heraus. Darauf liessen sie den zweiten Bruder hinab, aber auch dieser rief, bis zur Mitte gelangt: »Ich ersticke, zieht mich hinaus«, und sie mussten ihn wieder herausziehen. Nun sagte der jüngste Bruder: »Bindet mir den Strick fest um den Leib und lasst mich hinunter in die Cisterne; wenn ich sage: ich ersticke, dann zieht mich nicht in die Höhe.« So liessen sie diesen ganz hinunter, und er gelangte auf den Boden der Cisterne. Dort erblickte er den Riesen, der verwundet war; sein Kopf ruhte auf den Knieen einer Gurdsch. Da fasste er sein Schwert und hieb dem Riesen den Kopf ab. Dann liess er die Schöne zu seinen Brüdern hinaufsteigen, indem er sagte: »Diese ist für meinen ältesten Bruder.« Darauf trat er in die Höle ein und fand ein zweites Mädchen: »Die ist für meinen zweiten Bruder,« sagte er. Weiter ging er und fand noch eine dritte. Er befal, sie in die Höhe zu ziehen, und jene zogen sie. »Die soll für mich sein,« sagte er. Darauf zogen sie auch ihn selber wieder hinaus. Als alle hinaufgekommen waren, begaben sie sich nach Hause; dort veranstalteten sie ihr Hochzeitsfest und heirateten. –. Der jüngste Sohn sagte: »Vater, der Riese war es, der solches tat und die Granatäpfel wegnahm; aber ich habe ihn getödtet und diese drei Frauen von ihm weggeholt.«[191]

Die drei Frauen aber verwandelten sich in Tauben und flogen davon, und nun ist's aus.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 190-192.
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