LV.

[219] 1. Die ganze Welt war ein grosses Meer, und Christus schwebte wie ein Vogel über dem Wasser; dann blies er in die Meere, dadurch erhob sich der Himmel aus den Meeren, und auch Fische stiegen mit ihm empor, durch Christi Gnade wurden diese zu Sternen; aber die Fische fürchteten sich am Tage, weil er da das Meer in Bewegung gesetzt hatte; daher kommen sie bei Tage nicht hervor, sondern bei Nacht, und schauen herunter, und Gott schickt den Mond als Hüter für die Sterne.

2. Gott und ein Engel waren im Himmel. Da rief Gott: »Engel.« »Ja.« »Geh, hole mir Staub von den vier Enden der Welt, damit wir Adam erschaffen.« Da ging der Engel fort. Inzwischen aber holte Christus, ihm sei Ehre, Staub und schuf den Adam; so dass er wurde wie er. Als der Engel zurückkam und jene beiden da sassen, konnte er nicht unterscheiden, welcher von beiden Christus sei. Da sagte er: »Gott segne«, Adam antwortete: »Gott segne dich.« Darauf trat der Engel vor Christus. Der aber sagte: »Ich brauche keinen Staub mehr.« Hierauf setzte er Adam in der Gegend von Jerusalem auf die Erde.

3. Adam war auf der Tenne; da befal er den Tieren: »Esst kein Korn, sondern eure Augen sollen darüber wachen, bis ich die Scheune erbaut habe.« Als er zurückkam, sagten ihm die Tiere: »Der Rabe hat sieben Körner gefressen, noch sind sie in seinem Munde.« Da sprach Adam: »Seine Kehle soll durchbohrt sein und die Körner sollen zu Boden fallen.« Eines aber hatte er vorher verschluckt; sechse fielen zu Boden. Von dem Tage an, wo Adam dies gesagt hat, ist die Kehle des Raben durchbohrt, bis auf den heutigen Tage durch göttliche Fügung; wenn er sieben Happen isst, fallen sechs zu Boden und einer nur bleibt ihm und geht in den Magen hinab. Er bekommt zwei Junge, der Hals des Männchens hat ein Loch, der des Weibchens aber nicht.

Quelle:
Prym, E./Socin, A.: Syrische Sagen und Märchen aus dem Volksmunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprechts Verlag, 1881, S. 219.
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