31.

[100] Es war ein Mann, der heiratete, und ein Junge und ein Mädchen wurden geboren. Da starb seine Frau, und er heiratete eine andere. Da fing der Junge an, aufs Land und zum Lesen (in die Schule) zu gehn. Eines Tages ging sein Vater aufs Land. Da machte seine Stiefmutter (eig. Tante) Wasser heiß, wetzte das Messer und sagte zu der Schwester des Jungen: »Ich will deinen Bruder schlachten; rufe ihn! Aber hüte dich, es irgend jemand zu sagen, sonst schlachte ich dich wie ihn. Geh, rufe ihn aus der Schule.« Sie ging zu ihrem Bruder und sagte zu ihm: »Komm und komm nicht, komm und komm nicht, komm und komm nicht; komm nach Hause, wir wollen dir den Kopf waschen (?).« Der Junge kam und fand das Wasser heiß. Da sagte seine Stiefmutter: »Setze dich in den Kessel, damit ich dir den Kopf wasche (?).« Er setzte sich hinein, und sie holte die Messer und schlachtete ihn. Der Junge starb, und sie nahm den Kessel und kochte von ihm; Essen. Am Abend kam sein Vater, und sie setzte ihm das Essen, das Fleisch des Jungen, vor. Er sagte: »Wo ist der Junge?« Sie sagte: »Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist.« Er setzte sich zum Abendessen, da fand er (im Essen) den Penis (des Jungen). Da sagte er zu ihr: »Ist das ein Penis oder ein Stück Fleisch?« Sie sagte: »Ein Stück Fleisch.« Als er mit dem Abendessen fertig war, sammelte seine Schwester die Knochen, legte sie hin und sprengte Safran über sie. Da flogen die Knochen des Jungen auf und wurden ein Vogel. Jeden Tag flog er hin über den Kopf seines Vaters, setzte sich hin und sagte: »Kikiki, meine Stiefmutter ist eine Schlächterin, kikiki, mein Vater ist ein Esser, kikiki, meine Schwester ist barmherzig, sie hat meine Knochen gesammelt und über sie Safran gesprengt.« Da sagte der Vater zu ihr: »Höre, wir wollen sehen, Mädchen, wir wollen sehen, was dieser Vogel ruft.« Da sagte er: »Sage es mir, sonst töte ich dich.« Da sagte sie zu ihm: »Meine Stiefmutter hat ihn geschlachtet.« Da erschoß er seine Frau und warf sie dann ins Meer.

Quelle:
Bergsträsser, G[otthelf] (Hg.): Neuaramäische Märchen und andere Texte aus Malula. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1915, S. 100-101.
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