33.1

[102] Es war ein Mann, der heiratete eine (Frau) und kaufte ihr einen Pantoffel von Gold. Sie brachte ein Mädchen zur Welt und starb. Sie sagte zu ihrem Gatten: »Ich bitte dich bei deinem Hals, Mann, heirate keine, wenn nicht dieser Pantoffel an ihren Fuß paßt.« Er nahm den Pantoffel und suchte im ganzen Ort, fand aber keine Frau, deren Fuß die Größe des Pantoffels hatte. Er kam zu seiner Tochter und probierte ihn an ihren Fuß an, und er stand (ihr) gut. Da sagte er zu ihr: »Willst du mich heiraten?« Sie sagte: »Gehe zum Kadi.« Er sagte (zum Kadi): »Gehört der Baum, der in deinem Hofe steht, dir oder deinem Nachbar?« Er sagte: »Dir.« Der Mann ging zu seiner Tochter (und sagte): »Der Kadi sagt: dir.« Da sagte sie zu ihm: »Ich will ein Bettgestell von Brettern, in dem ein Kämmerchen ist (?).« Er holte einen Zimmermann, der Zimmermann kam, und sie sagte zu ihm: »Ich will einen Verschlag so groß wie ich, der sich verschließen läßt und den man nicht sieht.« Er sagte: »Gut.« Er machte das Bettgestell und machte in ihm den Verschlag und das Kämmerchen (?). Da sagte sie zum Vater: »Hole ein Glas vom Markt.« Der Vater[102] ging; da stand sie auf, tat Vorräte für einen Monat in den Verschlag und machte ihn zu; sie war nicht mehr zu sehen. Der Vater kam und sah nach ihr, fand sie aber nicht. Er suchte in dem Kämmerchen, aber das Mädchen war nicht da. Er suchte noch einen Monat lang nach ihr, fand sie aber nicht. Da wollte er das Bettgestell verkaufen; und der Sohn des Sultans kaufte es. Er ging in sein Haus und fing an, in ihm (dem Kämmerchen) zu wohnen; jeden Tag brachten sie ihm das Essen hinauf. Er aß und ließ (etwas) übrig. Das Mädchen aber in dem Verschlag war hungrig; so ließ sie ihn einschlafen, kam dann herab, aß und stieg hinauf in den Verschlag. Und er fand immer das Essen verzehrt. Da sagte er: »Katzen gibt es nicht, und Jungen gibt es nicht, und Mäuse gibt es nicht, und Hunde gibt es nicht.« Eines Tages aß er und legte sich schlafen und stellte sich schlafend. Da kam das Mädchen aus dem Verschlage herab, aß und wurde fertig; dann wollte sie fortgehen. Er hielt sie fest und sagte zu ihr: »Du bist hier, und ich sage: ›Wer ißt außer mir?‹ So ist es also ein Mensch.« Sie sagte: »Erbarmen!« Er sagte: »Fürchte dich nicht.«

Und er hatte eine Braut, die Tochter des Wesirs. Es kamen die Tage der Wallfahrt, da sagte er zu seiner Mutter: »Ich bitte dich bei deinem Hals, laß jeden Tag einen Diener Essen hinaufbringen wie jeden Tag (bisher); die Männer Gottes sind da und essen; damit sie für mich beten, daß ich wohlbehalten zurückkehre.« Er ging fort, da kamen seine Braut und ihre Mutter, um sich das Kämmerchen des Sultans anzusehen, und brachten es hinaus. Der Verschlag war mit Glas versehen (?) über dem Kopf des Mädchens. In der Sonne wurde sie heiß, und der Kopfschmuck des Mädchens brannte (sie), und es öffnete den Verschlag und kam heraus. Die Frau des Wesirs und ihre Tochter sahen sie, schlugen sie und warfen sie in die Gärten. Der Herr des Gartens kam und hörte Stöhnen; er ging hin und fand das Mädchen. Sie sagte zu ihm: »Erbarmen!« Er sagte: »Fürchte dich nicht; ich bin dein Bruder durch Gottes Bund.« Er lud sie auf seinen Rücken, trug sie fort und ging nach Hause. Er sagte zu seiner Mutter: »Hole für dieses Mädchen einen Arzt.« Der Arzt kam und behandelte sie. Der Mann aß von nun an mit seiner Mutter (und ihr), und sie, das Mädchen, sagte zu ihr »meine Mutter«, und zu dem Mann »mein Bruder«.

Es gingen die Tage, es kamen die Tage, es kam der Sohn des Sultans. Er kam zum Schloß und ging in das Bettgestell (?), fand aber nichts. Da sagte er zu seiner Mutter: »Wer ist hierher gekommen?« Sie sagte: »Niemand ist gekommen, außer deiner Braut und ihrer Mutter.« Er sagte: »Bloß?« Der Jüngling wurde krank, und die ganze Stadt war in Aufregung. Jedweder kochte gute Speisen und brachte sie sie dem Sohn des Sultans. Wenn eine Speise kam, setzten sie sie ihm vor, und er steckte seinen[103] Finger so (Geste!) in die Schüssel und sagte: »Nehmt es weg!«, und aß nichts. Da sagte das Mädchen, es sagte zu seiner Mutter: »Komm, ich will dir etwas kišk kochen, und du gehe hin; vielleicht wird er gesund.« Sie kochte etwas kišk und tat ihn in eine Schüssel, und tat drei vier Rosenkränze (hinein) (?), und sie (die Mutter) ging fort. Da sagten sie (die Leute): »Seht diese, wie verrückt! Sie geht zum Sohn des Sultans!« Da kam ein Verständiger und sagte: »Laßt sie, vielleicht wird durch die Hilfe Gottes und durch die Hilfe dieser Frau der Sohn des Sultans gesund.« Sie ging hinein und gab es ihm. Er setzte sich auf und steckte seine Hand so in die Schüssel; da kam der Ring heraus. Er steckte seine Hand in die Tasche und holte fünf Goldstücke heraus und gab sie ihr. Sie ging nach Hause, und er schickte ihr einen Diener nach, der nachsah, wo ihr Haus war. Der Diener kam zurück, und er sagte zu ihm: »Weißt du es?« Er sagte: »Ja.« Am nächsten Tag ließ er ihren Sohn holen und sagte zu ihm: »Wenn du jeden Tag kamst und bewässertest, hast du da in dem Garten nichts gesehen?« Er sagte: »Einmal kam ich und hörte einen Laut, ein Stöhnen; ich ging zu ihr, und sie sagte zu mir: ›Erbarmen!‹ Ich sagte zu ihr: ›Fürchte dich nicht.‹ Und ich verbrüderte mich mit ihr. Ich trug sie nach Hause und holte einen Arzt und behandelte sie.« Da holte er fünf Goldstücke heraus und gab sie ihm, und ließ ausrufen: »Wer den Sohn des Sultans liebt, soll gehen und Holz holen.« Alle Leute holten Holz, brachten die Scheite auf den Schloßplatz, zündeten Feuer an, holten die Tochter des Wesirs und ihre Mutter und warfen sie ins Feuer; und er ließ sieben Nächte und sieben Tage ausrufen: »Niemand soll Feuer anzünden und niemand soll auf seine Kosten essen, sondern auf Kosten des Sohnes des Sultans.«

1

vgl. o. Nr. 14 S. 47–49.

Quelle:
Bergsträsser, G[otthelf] (Hg.): Neuaramäische Märchen und andere Texte aus Malula. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1915, S. 102-104.
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