[234] 59. Der Drachenfisch

Ein Ehepaar, Tafitooa und Ogaoa, bekam ein Kind, das sie Taloolaola nannten. Es war jedoch kein Mensch, sondern ein Drachenfisch. Sie brachten den Fisch in die See und ließen ihn dort. Wenn sie das Essen fertig hatten, brachte Tafitooa es an den Strand und rief:


»Lieber Fisch, lieber Fisch,

Herbei zu Tisch!

Im salz'gen Taroblatt,

Duftend und frisch,

Liegen Taro zerschnitten:

Ein schönes Gemisch!

Und die Kokosnuß hängt hier

Mit der Milch so frisch!«


Dann kam der Fisch Taloolaola herbei und aß und trank.

Ein böser Mann, der keine Nase mehr hatte, sah und hörte davon. Er wollte den Fisch fangen. Als Tafitooa einmal fortgegangen war, ging dieser Ohnenase an den Strand und sagte:


»Lieber Fisch, lieber Fisch1

Herbei zu Tisch!

Im salz'gen Taroblatt,

Duftend und frisch,[234]


Liegen Taro zerschnitten:

Ein schönes Gemisch!

Und die Kokosnuß hängt hier

Mit der Milch so frisch!«


Da kam der Fisch herbei und Ohnenase speerte ihn, so daß er auf der Stelle tot blieb. Er nahm ihn mit, zündete ein Feuer an und wollte ihn nun braten und verzehren.

Kurz darauf kam Tafitooa wieder und rief:


»Lieber Fisch, lieber Fisch,

Herbei zu Tisch!

Im salz'gen Taroblatt,

Duftend und frisch,

Liegen Taro zerschnitten:

Ein schönes Gemisch!

Und die Kokosnuß hängt hier

Mit der Milch so frisch!«


Diesmal erschien der Fisch Taloolaola nicht. Er war tot. Tafitooa und Ogaoa gingen hin und bliesen die Tritonsmuschel: Pu-u-u-uh!

»Was soll und bedeutet denn der Lärm?« fragten alle Leute. »Das ist unser Trompetenruf,« antworteten Tafitooa und Ogaoa, »wir suchen unser Kind Taloolaola, den Fisch. Wir wollen wissen, ob er noch lebt, oder ob ihn jemand gefangen, gekocht und gegessen hat.« Die Leute erwiderten: »Das wissen wir nicht; doch da geht der Kerl ohne Nase und schleppt eine Last auf dem Buckel!«

Nun bliesen die beiden nochmals ins Tritonshorn: Pu-u-u-uh!

»Was soll denn das Blasen?« rief Ohnenase. »Das ist unser Trompetenruf!« antwortete Tafitooa und Ogaoa. Und Ohnenase sagte: »Kommt nur mit und wartet, bis ich mein Essen fertig gekocht habe.« Tafitooa und Ogaoa folgten ihm ahnungslos. Sie setzten sich im Hause des Ohnenase hin und warteten, bis er das Essen fertiggekocht hatte. Er setzte es ihnen vor. Als er jedoch die Augen des Drachenfisches in Taroblätter einwickeln wollte – –

da sprang Tafitooa auf und schlug den Kerl ohne Nase tot.

1

Beim Erzählen wird der Vers diesmal mit näselnder Stimme gesprochen.

Quelle:
Hambruch, Paul: Südseemärchen. Jena: Eugen Diederich, 1916, S. 234-235.
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