[365] Das Land der Jugend.

1. Eine Ueberlieferung aus Ostgothland erzählt, daß der dritte Sohn des Königs aus einer anderen und geringeren Ehe war; deßwegen wurde der Junge von seinen Freunden gering geachtet, obschon der König, sein Vater, ihn sehr liebte.

Als der König alterte, schickte er seine beiden ältesten[365] Söhne fort, um ein kostbares Lebenswasser zu holen, das irgendwo in der Welt zu finden war. Die Prinzen reisten ab, kamen aber nicht zurück. Da bat der jüngste Sohn um Erlaubniß, um gleichfalls sein Glück zu versuchen. Er begab sich daher auf den Weg, und kam zu einem alten Kriegsmann, der beim Abschied ihm ein Pferd schenkte, von schlechtem Aussehen zwar, aber mit großen und besonderen Eigenschaften.

Der Junge ließ nun seinem Pferde freien Lauf, und sie kamen zuletzt zu einem hohen Berg, der sich öffnete, so daß er hineinritt. Im Berge waren drei sehr schöne Gärten. Der erste Garten trug Aepfel, die alle von Silber waren; der zweite hatte Aepfel von Gold, und der dritte Aepfel von Edelsteinen. Das Pferd sagte, daß der Prinz einen Apfel von jeder Gattung pflücken solle, verbot ihm aber strenge, mehr zu nehmen. Der Königssohn gehorchte hierin seinem Rathe.

Als der Junge durch die drei Gärten geritten war, kam er zuletzt zu einem schönen Schlosse, das von einer hohen Ringmauer umgeben war. Der Prinz ging durch die Schloßpforte hinein, durchwanderte die Zimmer, und fand das gepriesene Wasser des Lebens. Endlich kam er in den Saal, wo die Königstochter lag. Da vergaß er die Warnung des Pferdes, und schlief bei der schönen Jungfrau. Hierauf schnitt er sich in die Hand, bis das Blut floß, schrieb seinen Namen auf die Wand des Saales, und eilte hinweg.

Als er jetzt durch die Pforte trat, erwachten Alle in dem verzauberten Schlosse und verfolgten ihn. Da wußte[366] sich der Prinz keinen anderen Rath, als sich in einen Sund zu begeben, der außen lag; der Sund aber war drei Tagreisen breit. Sie wanderten so den ganzen Tag, und als der Abend kam, war der Zelter des Prinzen sehr müde. Da bat er seinen Herrn, den Silberapfel in die See zu werfen. Der Prinz that, wie das Pferd gesagt hatte. Sogleich stand eine schöne Insel da, die mit Blumen geschmückt war, und dort blieb, bis es heller Tag wurde.

Den anderen Tag setzten sie ihren Weg fort, und als der Abend kam, sagte das Pferd, daß der Prinz den Goldapfel in die See werfen solle. Da tauchte dort noch eine schönere Insel empor, und sie blieben Nachts auf der Insel. Den dritten Tag aber war die Fahrt weit schwieriger als früher, und der Renner des Prinzen wurde fast kraftlos vor Müdigkeit. Da bat er seinen Herrn, den letzten Apfel in die See zu werfen. Sogleich wuchs die allerschönste Insel auf, und die Insel war mit kostbaren Bäumen und Früchten geschmückt. Der Prinz und sein Pferd blieben dort über Nacht, und kamen so über den Sund.

Am anderen Ufer fanden sie ein Schloß, und in dem Schlosse wohnte ein Greis, der den Prinzen auf das Allerbeste empfing. Als nun der Junge fortfahren sollte, sagte der Greis, daß er zwei Kostbarkeiten wählen solle, welche er wolle. Da ging der Prinz mit seinem klugen Pferde zu Rathe, und wählte ein altes Tuch und einen zerrissenen Mantel. Das Tuch aber war von der Art, daß es, wenn es aufgebreitet wurde, mit so kostbaren Speisen besetzt war, wie sie der Junge sich nur wünschen konnte;[367] und der Mantel war auch von nicht geringerem Werthe, denn er machte ihn unsichtbar, wenn er dessen schwarze Seite nach außen kehrte.

Der Schluß der Sage stimmt mit der oben mitgetheilten überein.

2. In einer Aufzeichnung aus Dalarne wird erzählt, daß der Prinz Rath und Hilfe von zwei sehr alten Weibern erhielt, von welcher die eine vier und die andere fünf Augen hatte. Er fuhr so auf einem großen Fisch zum Jugendland hinüber; er wurde aber während des Heimweges von seinen Brüdern betrogen und in den Thurm geworfen, wo er saß, bis daß er von der schönen Königstochter befreit wurde.

3. Eine Ueberlieferung aus Westmanland läßt den jungen Prinzen fortziehen, um ein köstliches Augenwasser für seinen blinden Vater zu suchen. Er kam mit seinem klugen Pferde zu der wunderbaren Insel, wo er das Wasser erhielt und die Prinzessin umarmt, die ihm beim Abschiede ihr Strumpfband zum Andenken gibt.

4. Eine Aufzeichnung aus Norrland erzählt, daß der Prinz fortzog, um ein Zauberbuch aufzusuchen, mit dessen Hilfe sein Vater auf's Neue jung werden solle. Auf dem Heimwege wurde er von seinen Brüdern bestohlen. Der König befahl, ihn umzubringen, und ihm seine Zunge zu bringen, der Fischer aber schonte den Jüngling, und schnitt statt dessen einem Hunde die Zunge aus.

5. Außer den mündlichen Ueberlieferungen dieser alten Sage kommt auch eine neuere, gereimte, schwedische Bearbeitung von dem oben (unter Nr. 3) erwähnten[368] dänischen Volksmärchen vom »König Edward und Prinz Artus« vor.

Die gereimte Sage kommt bei dem bekannten Märchen von »den drei armen Schneidern« unter folgenden gemeinschaftlichen Titel vor: »Lyckans Flygande Fana, eller en Historia om Tre Fattige Skräddare, som genom Pelegrims-Resa kommo omsider til wärdighet och stort wälstånd, hwars utgång är lustig at läsa. Hwarjemte och en annan Historia Om en Konung i Engeland och hans tre Söner. Götheborg, tryckt hos Sam. Norberg 1800.«

Quelle:
Hyltén-Cavallius, Gunnar/Stephens, George: Schwedische Volkssagen und Märchen. Wien: Haas, 1848, S. 365-369.
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