Der Wassermann.

[55] Es war aber, 's war ein Fräulein

Ihres Vaters einziges Töchterlein.

Sie ihren Vater bitten that,

Dass er ihr erlaubte auf dem Hof sich zu ergeh'n.

»Zuweilen will ich Dir erlauben auf dem Hof Dich zu ergeh'n,

Allein Du sollst in Ehren Dich verheirathen.«

Zuweilen auf dem Hof sie sich erging

Und der Wassermann da auch hinkam.

»Mädel, liebes Mädel, Du sollst zu Jahr die meine sein.«

Der Wassermann kam wieder hingefahren

Mit Kling und Klang, mit Pferden,

Mit erzbeschlagenen, mit Wagen.

Er ging zum alten Vater 'rein.

»Wo habt Ihr Eure Braut?«

»Sie kleidet droben in der Kammer sich an

Und weinet da so sehr

Und ringet ihre weissen Hände.«

Der Wassermann kam auch zu ihr:

»Und warum weinst Du, Mägdelein?«

»Warum nicht sollte weinen ich,

Wenn alle Leute sagen,

Dass Du bist Wassermannes Sohn.«

»Mögen sie immer sagen,

»Es wird156 doch anders nicht.«

Sie fuhren auf die Brücke hinauf,

Bis halb der Brücke kamen sie,

Da fing die Brücke an zu sinken. –

Der alte Vater sah zum Fenster 'raus.

»O Frau, liebe Frau,

Wie dort das Kind schwimmt!«

»Mag es immer schwimmen,

Es anders doch nicht wird.«

Der Jahre sieben waren [vorbei],

Der Söhne sieben sie hatten beide,[55]

Auf's achte Jahr es ging,

Mit dem achten Söhnchen ging sie schwer.

Dann ihren Mann sie bitten that,

Dass er sie liess' zum Festtag in die Kirche gehen.

»Auf's Fest wohl will ich Dich zur Kirche lassen gehen,

Doch sollst Du nicht den Segen warten ab.«

Sie an dem Festtag in die Kirche ging

Und ihre beiden Brüder waren auch da.

»Willkommen sei, o liebe Schwester!

Dass Du am Fest zur Kirche bist gekommen,

Und komme Du mit uns zum Mittagsmahl nach Haus.«

Sie wartete den Segen ab

Und ging mit ihnen zum Mittagsessen heim.

Wassermann, der kam auch dahin.

»O Frau, liebe Frau,

Wie da die Kinder weinen.« –

»Mögen sie immer weinen,

Es wird doch anders nicht.«

Der Wassermann, der ging nach Haus,

Den sieben Söhnchen drehte er ab die Köpfchen

Und hing sich selbsten an der Thüre auf. –

»Um nichts war mir so leid es doch,

Als um das allerkleinste g'rade.

Das war das allerschönste,

Das in der Wiege nächtlich lag,

Oder in der Puj' sich wiegte.« Burg bei Burghammer.

156

Budźe (buźo) volksthümlich (wie das deutsche: es wird): es wird sein oder werden.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 55-56.
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