Pflanzen.

[161] An den frischen Blättern von Khrystusowa sćina kann man noch sehen, wie der Heiland hineingebissen hat, als die Juden ihm Essig und Isop vorhielten.471 S.

Auf den Blättern von cerweny drest sieht man die Blutstropfen Christi. S.

Die Zitterpappel wósyca, zittert immer, weil Judas sich auf einer Zitterpappel erhängt hat. Darum soll sie zittern bis in Ewigkeit. S.

Cerwjony dźećełin [bei Muskau dźaćelin] ist gutes Viehfutter. Ein vierblättriges Kleeblatt ist gut gegen Bezauberung. – Die Zauberer und die Magd, vergl. I. 198. – In der Schlacht bei Sedan schützte ein vierblättriges Kleeblatt einen Wenden vor dem Tode. S.

Wer ein vierblättriges Kleeblatt bei sich hat, sieht alles. G.-S.

Die Unterirdischen hatten mal einer Frau ein Kind verwechselt, aber das Kind war sehr böse und die Mutter wollte gern ihr rechtes Kind wieder haben. Da kamen die Unterirdischen und sagten: sie sollte ihr Kind holen, sie könnte es kriegen. Dann ging sie mit ihnen mit, holte sich ihr Kind und die Unterirdischen sagten:


»Heb' auf Dein weiss Gewand472

Und stoss nicht an weissen Orant.473«


Sie aber stiess immer tüchtig an den Orant an und kam mit ihrem Kinde glücklich davon. That sie es nicht, so hätte sie ihr Kind nicht fortgekriegt. Denn die Unterirdischen474 hatten gedacht, sie würde es nicht thun. G.-S.

Von mèrik wird gesagt, dass er früher um Kirchhöfe gepflanzt wurde und dass böse Geister nicht hindurch können [g.v.]. S.

Wenn man »Berupenskraut« Berufskraut [Erigeron acre nach Bolle] bei sich hat, so kann einem keiner etwas anthun [behexen], und wenn es im Stalle ist, auch keiner dem Vieh. G.-S.

In Schleife ist einst der Tod herumgegangen und hat zu den damaligen Leuten gesagt: »Hättet Ihr den łoman475 gegessen, so wäret Ihr nicht so häufig gestorben.« Das thaten die Leute und es half. S.

Früher war eine Pest und die Leute starben sehr dahin. Da hörten sie eine Stimme, die soll gesagt haben: »Wy dyrbićo brawchować baldrian, torant a wyruch, Ihr sollt brauchen Baldrian, Dorant und Weihrauch.« Dann brauchten sie die drei Kräuter, und sie haben ihnen geholfen, und die Leute sind nicht mehr so gestorben. S.

Jański kwětk, Johannisblume, wird zu Viehpulver, nucenpulver, gesammelt; auch gebraucht, um die Leibesfrucht abzutreiben. S.

Mit Lebensbaumblättern [lebensbaum B. S. u.a.O., Thuja occidentalis], soll man die Butterfässer auskochen, ebenso mit Liebstöckel, libštok [Levisticum paludapifolium Aschs.] und Nesseln (palaca kopřiwa). S.

Sahnkraut, das auf Wiesen wächst und Sahne giebt, soll man auf Johanni sammeln und den Kühen in den Trank geben. G.-S.[162]

Wenn man am Johannistage unten an der Wurzel vom Johanniskraut [nach Bolle: Scleranthus perennis] nachsieht, so findet man drei »Bobbeln« [Bommeln]476. Die soll man in ein weisses Tuch thun, z.B. vorn am Halse in das Hemde stecken und sie auf dem Hemde oder sonstwie ausdrücken; dann entstehen Flecke. Wenn die sich nicht auswaschen, dann bleibt derselbige Mensch am Leben, waschen sie sich aber aus, dann stirbt er dasselbe Jahr. G.-S.

Hat man einen Freund in weiter Ferne und will wissen, ob er todt ist oder noch lebt, so reisst man das Kraut kokoški ab und legt es unter ein Strohdach. Verwelkt es, so ist der Freund todt, wächst es weiter, so bedeutet es: er lebt noch. S.

Auf den Wegen wächst eine Pflanze, genannt kupcik, Käufer. Wenn nun einer ein Stück Vieh zu Markte treibt, so steckt die góspoza [Wirthin, Frau] ihm [dem Verkäufer] heimlich dies Kraut in die Tasche, dass er viel Käufer habe. S.

Im Korn wachsen kleine Pilze, die sind wie kleine Kelche, und haben etliche Körner (3, 4, 5) im Kelche. Die heissen drógotki477, und bedeuten: so viel Körner als d'rin liegen, so viel Thaler wird der Scheffel Korn kosten.

Huchacowy khlěb, Hasenbrot ist ein Gras, das im Frühjahre wächst und die erste Blüthe für die Bienen giebt. Wenn das gut geräth, braucht man keine Furcht vor Hunger zu haben, denn dann geräth auch das Korn gut. S.

Wenn die Kinder den Saft von Birken viel lecken, bekommen sie Kopfläuse.478 S.

Paproć, Farrnkraut [Blüthe!] wird in den Ziehbrunnen (die aus Feldsteinen gebaut sind) zwischen die Steine gelegt [gepflanzt], damit es hübsch479 aussieht und Mücken, Spinnen, Fliegen, Kelleresel480 auf die Blätter und nicht ins Wasser fallen; auch gehen viele [Kerfe] wegen des Geruchs481 nicht in den Brunnen.


»Njent mě spowez, gólicka,

Co jo lěće bez kwětka? –

Paproćinka, gomolinka,

Ta jo lěće bez kwětka. –

Njent mě spowez, gólicka,

Co jo zymje zelone? –

Ruta a ta chojninka

Ta jo zymje zelona.« – S.


»Jetzt sage mir, o Mägdelein,

Was ist im Sommer ohne Blüthe? –

Das Farrenkraut, das Mistelkraut,

Das ist im Sommer ohne Blüthe. –

Jetzt sage mir, o Mägdelein,

Was ist im Winter grün? –

Die Raute und das Kiefernreis,

Das ist im Winter grün.« – S.
[163]

Im Dorfe Reuthen ist einst ein Ochse des Kossäten D. in der Nacht aus dem Stalle herausgelaufen. Die ganze Gemeinde ging, den verlorenen Ochen suchen, es war gerade am Johannistage nachts. Die alte Tante des Kossäthen D. ging die ganze Nacht im Walde herum nach dem Ochsen, da ist ihr die Blüthe von »der Farne« in die Schuhe 'reingefallen. Wie sie dann zu Hause kam, war der verlorene Ochse hinter der Scheune im Garten versteckt. Und die Tante ging zu ihm und frug den Ochsen: »Na pisaŕ, dźo ga ty sy zyłu noc był? Na Bunter, wo bist Du denn die ganze Nacht gewesen?« Und der Ochse brummte und sagte: O ty stara baba, wy sćo mjo zyłu noc pytali, a ja som how zyłu noc źrał. O, Du alte Frau, Ihr habt mich die ganze Nacht gesucht, und ich habe hier die ganze Nacht gefressen.« Niemand hat das verstanden, nur die Frau, die in den Schuhen die Blüthe von der Farne hatte, aber bloss so lange, wie sie in den Schuhen war, dann nicht mehr. Das hat mir der Liskauer kluge Mann erzählt.

471

Sćižowe dřowo Kreuzholz in S.

472

Das Hemde.

473

= Dorant.

474

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Unterirdischen der Deutschen und den ludki der Wenden ist, dass jene Kinder vertauschen und Wechselbälge unterschieben, diese niemals.

475

Loman nach Hantscho schon lange nicht mehr bei Schleife zu finden; nach Ascherson: Inula Helenium. Vergl. I, 228.

476

An den Wurzeln sitzt gleich kleinen Knollen nach Bolle: die polnische Cochenille, Porphyrophora polonica L. Das Weibchen derselben ist voller Farbstoff, das Männchen hat keinen.

477

Drogota Theurung.

478

Mit dem Kraut přosarjowe šy, auch genannt sjelc, schlagen sich gegenseitig die Kinder und sagen: »Du hast Bettelmannsläuse an.« S.

479

Ein solcher wunderbar schöner Brunnen, in dessen Tiefe eine ganze Märchenwelt ruht, ist im Dorfe Graustein. – Eingefasst von Menschenhand, ziert ein frischer Born, dess Quellwasser in den Teich fliesst, sagenlos die Gründe von Trebendorf.

480

Die Assel, der Kellerwurm (z.B. Porcellio scaber), swińka. – Der Regenwurm, »Pieras, Pieräsel«, in B. pěźak, S. dejšćowy wužeńc.

481

Grün werden die Farrnblätter gegen Flöhe in die Strohsäcke [der Betten] gestopft. S.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 161-164.
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