5. Der mann und der teufel.

[62] Ein mann ging in den wald, um wildpret zu fangen. Der teufel sah diesen mann und fragte: »Mein freund mensch, was wanderst du hier?« Der mann sagte: »Ich kam in den wald, um wildpret zu fangen«. Der teufel sagte: »Hast du denn nichts bekommen?« »Nichts«, antwortete der mann. Der teufel sagte zu dem mann: »Komm, wir wollen selbst (zusammen) renntiere fangen! Geh du jenen weg«, sagte er, »ich gehe diesen!«, und so gingen sie. Der mann ging ein stückchen, fand ein renntierhorn und steckte es in seinen gürtel. Der teufel fing ein renntier, warf es über die schulter, holte wieder den mann ein und fragte ihn:[63] »Mein freund mensch, hast du denn nichts bekommen?« Der mann sagte: »Ich fing (ein renntier) und band es an den gürtel, aber es ist von dem gürtel gefallen; ich bemerkte es gar nicht: nur das horn ist da geblieben«. Dann sagte der teufel zu dem mann: »Wohlan, mein freund mensch, éin renntier ist ja genug für uns!«, und trug sowohl das gefangene renntier als den mann nach seinem haus.

Darauf häutete er (der teufel) das renntier ab und schickte den mann mit der renntierhaut nach dem seeufer. Mit mühe trug der mann die haut zum see und war erstaunt. Auch der teufel selbst kam dahin und sagte: »Mein freund mensch, warum verweilst du hier so lange?« Der mann sagte: »Ich will auch den see (in der haut) wegtragen«. Der teufel nahm die haut aus der hand des mannes, schöpfte das wasser aus dem see (in die haut), nahm es mit sich und ging. Der mann ging nach ihm. Das renntier kochten und assen sie.

Nach dem essen legten sie sich schlafen. Den mann legte man in's bett am fenster; an der decke hing über ihm ein mühlstein. Der mann sammelte seine kleider an seine lagerstelle und legte sich selbst am ofen schlafen. Der teufel liess den mühlstein (wie er glaubte) auf den mann fallen. Am morgen kam der teufel zu dem mann herein und fragte: »Mein freund mensch, hast du gut geschlafen?« Der mann sagte: »Es ist nichts vorgefallen«. Am folgenden abend legte man den mann in's bett an demselben platz. Der mann legte aber auf seinen platz eine hanfgarbe. Selbst ging er hinaus und stellte sich an das fenster um zu schauen. Der einäugige mann (d.h. der teufel) trat ein, kaute »kṷaž-kṷaž« (»knirsch-knarsch«)1 auf die hanfgarbe und warf sie darauf weg. Der mann ging wieder hinein und legte sich auf seinen platz. Am morgen kam der teufel herein und sagte: »Mein freund mensch, hast du gut geschlafen?« »Ich weiss nicht, ob es die läuse oder die flöhe sind, die mich gebissen haben!« antwortete er. Der teufel sagte zu seiner mutter: »Ach wunderbar, mutter, wie viel habe[64] ich doch auf ihn gekaut, und dennoch sagt er, dass nur die läuse oder die flöhe ihn gebissen haben!« – Zum dritten mal legte man ihn wieder auf denselben platz. Der mann verliess sein bett und füllte seinen platz mit ziegeln. Selbst legte er sich an den ofen. Wieder kam der einäugige mann herein und fing wieder an, (mit den zähnen) knirschend zu kauen. Während des kauens zerbrach er sogar einen zahn. Zu seiner mutter sagte er: »Ach wunderbar, mutter, – – jetzt aber starb er doch wohl!« Am morgen ging der teufel wieder zu dem mann herein und fragte: »Mein freund mensch, hast du gut geschlafen?« Der mann sagte: »Ich weiss nicht, ob es die läuse oder die flöhe sind, die mich gebissen haben!«

Darauf hiess der teufel den mann zurückkehren. Der mann sagte: »Ich kehre aber nicht zurück!« Der teufel sandte ihn (nach hause), nachdem er ihm eine kiste geld gegeben hatte, und, da der mann sein geld nicht zu tragen vermochte, so trug der teufel selbst (das geld) auf seinen schultern, bis sie nach hause gelangten. Man sagt, das der mann sehr reich geworden ist.

1

Onomatopoëtischer ausdruck, um das knirschen des strohes beim zerkauen zu bezeichnen.

Quelle:
Wichmann, Yrjö: Wotjakische Sprachproben, 2.: Sprichwörter, Rätsel, Märchen, Sagen und Erzählungen, Helsingfors: 1893/1901, S. 62-65.
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