Berufen

[738] Berufen (Beschreien), nach einem sehr verbreiteten Aberglauben eine Schädigung, die man sich selbst oder andern durch unvorsichtiges und übertriebenes Loben oder Bewundern, durch allzu bestimmte Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg etc. zufügen kann. Im Glauben an den »Neid der Götter« brauchte man schon in Griechenland eine Anrufung an die Nemesis als Vorbeugungsmittel, oder rief in Rom bei unbedachtem Lob »praefiscine!« (»unberufen«) oder spie sich nach einem unbesonnenen oder übermütigen Ausdruck in den eianen Busen, und noch jetzt ist dreimaliges Ausspeien oder Klopfen an die Unterseite der Tischplatte zur Abwendung des Berufens im Volke sehr üblich. Die Schädigung durch B. wurde mit derjenigen durch den »bösen Blick« (s. d.) von den Römern als fascinatio (griech. baskania) zusammengefaßt. Nahm man bei unheilbarem Siechtum der Kinder ein B. von seiten böser Leute als Ursache an, so wurden Räucherungen und Waschungen mit Beruf- oder Beschreikräutern (Erigeron Conyza, Stachys recta, Ptarmica und Pulicaria) vorgenommen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 738.
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