Großdeutsch

[419] Großdeutsch hieß die Partei in Deutschland, die im Gegensatz zur Kleindeutschen (s. d.) die Einigung des Vaterlandes auf föderalistischer Grundlage mit Einschluß Österreichs und Preußens, das sogen. Siebzigmillionenreich, erstrebte. Im Frankfurter Parlament 1848 anfangs vorherrschend, namentlich bei den Süddeutschen und den Katholiken, wurde diese Partei infolge von Österreichs ablehnender Haltung durch die erbkaiserliche Partei, dann durch die preußische Unionspolitik zurückgedrängt. Nach dem Siege Österreichs und der Mittelstaaten über Preußen und die kleindeutsche Partei (1850) wirkte die großdeutsche Agitation für Österreichs Aufnahme in den Zollverein. Als sich 1859 der Nationalverein bildete und die Einigung Deutschlands mit preußischer Spitze und Ausschluß Österreichs erstrebte, versammelten sich die Großdeutschen, 500 an der Zahl, in Frankfurt a. M., und gründeten daselbst 22. Okt. 1862 den Deutschen Reformverein, der aus aristokratischen, klerikalen und demokratischen Elementen, vorzugsweise Süddeutschlands, bestehend, nicht mit selbständigen-politischen Projekten auftrat, sondern die Aktion Österreichs und der Mittelstaaten unterstützte. So erklärte er sich 28. Okt. 1863 für die Reformakte des Fürstenkongresses und 6. Dez., wie der Nationalverein, für das Erbrecht des Herzogs von Augustenburg und die Selbständigkeit der Elbherzogtümer. Die Niederlage des Bundestages und der Mittelstaaten gelegentlich der schleswig-holsteinischen Sache und des französischen Handelsvertrags 1864 und 1865 erschütterte den Einfluß[419] der Großdeutschen, die Entscheidung von 1866 vernichtete ihn, und seitdem verloren sich die Großdeutschen unter den Partikularisten der Zentrums- und der Volkspartei.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 419-420.
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