Hospitalbrand

[573] Hospitalbrand (Gangraena nosocomialis), eine gefürchtete Krankheit, die früher nicht selten in überfüllten Kriegslazaretten und mit chirurgischen Kranken übermäßig belegten Hospitälern vorkam, heutzutage seit Einführung der Anti-, bez. Asepsis kaum noch beobachtet wird. Zur Zeit, wo der H. zu herrschen beginnt, verändern sich sowohl frische Wunden als solche, die bereits in Heilung und Benarbung begriffen sind, bei vielen oder mehreren Kranken gleichzeitig ohne greifbaren Grund in eigentümlicher Weise. Bald wandelt sich die Wund- oder Granulationsfläche in eine schmierige gelbe Masse um, nach deren Abstreifung ein schmutzige Fläche zurückbleibt. Diese breiige Erweichung erstreckt sich von den Wundrändern aus alsbald auch auf die umgebende, bis dahin gesunde Haut, so daß nach 3–4 Tagen die Wundfläche doppelt so groß ist als vorher, ebenso auch in die Tiefe, jedoch weniger schnell. Dies ist die pulpöse Form des Hospitalbrandes, bei der ulzerösen Form nimmt die frische Wunde oder Granulationsfläche eine trichterförmig vertiefte Form an und sondert eine dünne, jauchige Flüssigkeit ab, nach deren Beseitigung die brandigen Gewebe als zottige Massen zutage treten. Die Haut im Umfang des Geschwürs ist leicht gerötet. Das Geschwür breitet sich schneller als bei der pulpösen Form aus und greift auch mit größerer Geschwindigkeit in die Tiefe der Gewebe. – Nicht bloß größere Wunden, sondern jede noch so unbedeutende Verletzung, z. B. ein Blutegelstich, eine durch Blasenpflaster entblößte Hautstelle etc., kann vom H. ergriffen werden, niemals aber eine völlig unverletzte Hautstelle. Die brandige Zerstörung der Gewebe erreicht in kurzer Zeit eine gefährliche Ausdehnung. Das Allgemeinbefinden ist dabei gestört, es tritt mäßiges, aber erschöpfendes Fieber ein, es besteht Neigung zum Brechen, vollständiger Appetitverlust, große Schwäche und Abgeschlagenheit. Der Brand kann durch den Übergang auf Arterien gefährliche Blutungen herbeiführen. Indes widerstehen die großen Arterienstämme dem H. merkwürdig gut. Der H. ist eine Wundinfektionskrankheit, über die Art der krankheiterregenden Bakterien gehen die Ansichten auseinander. Der H. ist aus den modernen Krankenhäusern vollständig verschwunden, auch in den weniger günstigen Verhältnissen des Kriegssanitätsdienstes kann er durch peinliche Einhaltung der Asepsis, bez. Antisepsis hintangehalten werden. Über die Behandlung des Hospitalbrandes s. Wunde. Vgl. König, Über H. (Leipz. 1872); Rosenbach in Billroth und Lückes »Deutscher Chirurgie«, Heft 6 (Stuttg. 1888).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 573.
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