Kanzelmißbrauch

[582] Kanzelmißbrauch, das Vergehen, dessen sich ein Geistlicher oder sonstiger Religionsdiener schuldig macht, wenn er in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufs öffentlich vor einer Menschenmenge oder in einer Kirche oder an einem andern zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor einer Mehrheit von Personen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung macht, oder in Ausübung seines Berufs Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in denen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind. Dieser sogen. Kanzelparagraph (Reichsstrafgesetzbuch, § 130 a) verdankt seine Entstehung in der ersten Hälfte dem sogen. Kulturkampf (1871), in seiner zweiten dem bayrischen Kultusminister Freiherrn von Lutz, der dadurch die Altkatholiken zu schützen suchte (1876).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 582.
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