Kinnstachel

[26] Kinnstachel (Kinnhöcker), ein in der Mitte der Hinterfläche des menschlichen Unterkiefers befindlicher Vorsprung, der dem Kinnzungenmuskel, dem stärksten der Zungenmuskulatur, zur Ansatzstelle dient. Sein Fehlen steht mit einer unvollkommenen Ausbildung der Sprache im Zusammenhang; denn Tiere, selbst die Anthropoiden, haben niemals einen K., und bei den fossilen Menschen ist er schwächer als bei den rezenten entwickelt. Walkhoff hat mittels Röntgenuntersuchung festgestellt, daß der Ausbildung des Kinnstachels eine Veränderung der Struktur im Innern des Kiefers parallel geht, die mit einer Verstärkung der zur Sprache nötigen Tätigkeit der Zungenmuskulatur in Beziehung steht. Bei den Anthropoiden ist diese Struktur der Knochenbälkchen, ein wirkliches Trajektorium, noch nicht vorhanden, hingegen ist an den diluvialen Unterkiefern (La Naulette, Schipka, Předmost, Krapina, Goyet), entsprechend ihrer Reihenfolge in den geologischen Schichten, eine mehr und mehr zunehmende Ausbildung des Trajektoriums zu erkennen, bis der Zustand des heutigen menschlichen Unterkiefers erreicht ist.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 26.
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