Leconte de Lisle

[305] Leconte de Lisle (spr. lökóngt' dö lîl'), Charles Marie, franz. Dichter, geb. 23. Okt. 1818 auf der Insel Réunion (Bourbon), gest. 17. Juli 1894 in Louveciennes bei Paris, erhielt eine vorzügliche Erziehung und nahm nach einem längern Aufenthalt in St.-Denis und mehreren Seereisen 1846 seinen Aufenthalt in Paris. Erst ein schwärmerischer Anhänger der sozialistischen Träume Fouriers, den er in einem Hymnus besang, wurde er bald deren entschiedener Feind und nahm unter dem Einfluß der kosmogonischen Systeme der Griechen und namentlich der Inder mehr und mehr eine pantheistisch gefärbte Weltanschauung an, die auch den Untergrund seiner poetischen Produktionen bildete. L. steht an der Spitze der jungfranzösischen Dichterschule der »Parnassiens« und ist wohl nach Victor Hugo der formgewandteste Lyriker seiner Nation. Er gab heraus: »Poèmes antiques« (Par. 1852, neue Ausg. 1880); »Poésies nouvelles« (1854) und »Poèmes et poésies« (1855), gesammelt als »Poésies complètes« (1858); »Poèmes barbares« (1862, neue Ausg. 1891) und »Poèmes tragiques« (1884, neue Ausg. 1886). »Derniers poèmes« erschienen 1895. Auch übersetzte er Theokrit und Anakreon (1864), die Ilias (1866) und Odyssee (1867), die Werke Hesiods, die Orphischen Hymnen (1869), die Dramen des Äschylos, von denen die »Erinyen« (1873), mit Musik von Massenet, im Odeon dauernden Erfolg hatten; ferner den Horaz (1873), den Sophokles (1877) und Euripides (1884 bis 1885), dessen »Ion« er als »L'Apollonide« bearbeitete (1888). L. wurde 1886 als Nachfolger Victor Hugos in die französische Akademie gewählt. Vgl. Dornis, L. intime (Par. 1895); Calmettes, L. et ses amis (das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 305.
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