Lehrlingsprüfung

[348] Lehrlingsprüfung, die am Schlusse der Lehrzeit stattfindende Prüfung über die von dem Lehrling während der Lehrzeit erworbene gewerbliche Ausbildung. Sie pflegte zur Zeit des Zunftwesens allgemein der Freisprechung des Lehrlings, d.h. der Aufnahme desselben als Gesellen und der Ausstellung des Lehrbriefes vorherzugehen. Nach der Gewerbeordnung, in der Fassung vom 26. Juli 1900, ist dem Lehrling Gelegenheit zu geben, sich nach Ablauf der Lehrzeit der Gesellenprüfung zu unterziehen. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch Prüfungsausschüsse, die bei jeder Zwangsinnung, bei andern Innungen nach Ermächtigung durch die Handwerkskammer gebildet werden. Soweit nicht auf diese Weise oder durch Lehrwerkstätten, gewerbliche Unterrichtsanstalten und Prüfungsbehörden gesorgt ist (Gewerbeordnung, § 131), hat die Handwerkskammer die erforderlichen Prüfungsausschüsse zu errichten. Diese bestehen aus einem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern; die Hälfte der Beisitzer ist dem Gesellenstande zu entnehmen. Die Prüfung hat den Nachweis zu erbringen, daß der Lehrling die in seinem Gewerbe gebräuchlichen Handgriffe und Fertigkeiten mit genügender Sicherheit ausübt und sowohl über den Wert, die Beschaffung, Aufbewahrung und Behandlung der zu verarbeitenden Rohmaterialien als auch über die Kennzeichen ihrer guten oder schlechten Beschaffenheit unterrichtet ist. Das Prüfungsverfahren wird durch eine Prüfungsordnung geregelt, welche die höhere Verwaltungsbehörde im Einvernehmen mit der Handwerkskammer erläßt. Die Innung und der Lehrherr sollen den Lehrling anhalten, sich dieser Prüfung zu unterziehen. An das Bestehen der Prüfung knüpft das Gesetz bestimmte Folgen: In Handwerksbetrieben steht die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nur solchen Personen zu, die das 24. Lebensjahr vollendet haben und in dem betreffenden Gewerbe oder Zweige des Gewerbes entweder die von der Handwerkskammer vorgeschriebene Lehrzeit oder, solange diese eine Vorschrift über die Dauer der Lehrzeit nicht erlassen hat, mindestens eine dreijährige Lehrzeit zurückgelegt und die Gesellenprüfung bestanden oder fünf Jahre hindurch persönlich das Handwerk selbst ausgeübt haben oder als Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen sind (Ausnahmen verfügt die höhere Verwaltungsbehörde). In gewissem Sinn ist von dem Bestehen der L. auch die Führung des Meistertitels abhängig: solchen mit der Bezeichnung des Handwerks dürfen Handwerker nur führen, wenn sie in ihrem Gewerbe die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen erworben (vgl. vorstehend) und die Meisterprüfung bestanden haben. Vgl. »Entstehung und Entwickelung der gewerblichen Fortbildungsschulen in Württemberg« (2. Aufl., Stuttg. 1889); Pape, Die Regelung des Lehrlings- und Gesellenprüfungswesens (Leipz. 1902). Weiteres s. Lehrling.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 348.
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