Pithecanthropus

[914] Pithecanthropus Haeck. (Affenmensch), eine hypothetische Übergangsform von den Anthropoiden (Menschenaffen) zu dem wahren Menschen, die aus den Anthropoiden durch vollständige Angewöhnung an den aufrechten Gang und die dementsprechend stärkere Differenzierung der beiden Extremitäten hervorgegangen[914] sein soll. Obgleich der P. somit nicht bloß durch seine äußere Erscheinung, sondern auch durch seine Geistesentwickelung dem Menschen viel näher als die Menschenaffen gestanden haben wird, fehlte ihm doch noch das Hauptmerkmal des Menschen, die gegliederte Wortsprache. Haeckel versetzte den P. an das Ende der Tertiärzeit. Als Dubois 1891 in den jungpliocänen Flußablagerungen, einem erhärteten vulkanischen Tuff, bei Trinil auf Java Skelettreste gefunden hatte, die weder direkt als äffische, noch als menschliche angesprochen werden können, glaubte er diese Übergangsform gefunden zu haben und bezeichnete sie als P. erectus. Diese Knochenreste bestehen in einem rudimentären Schädeldach, drei Zähnen und einem Oberschenkelbein. Der Kubikinhalt des Schädels wird auf 900–950 ccm geschätzt, während man den Neandertalschädel auf ca. 1200 ccm schätzte und der Mensch ca. 1400–1500 ccm erreicht, die größten Menschenaffen aber nur einen Kubikinhalt von 500–600 ccm erreichen. Das 445 mm lange Oberschenkelbein, das auf eine Gesamthöhe des Wesens von 1,63 m schließen läßt, weist ohne Zweifel auf dessen aufrechten Gang hin. Diese Funde haben eine lebhafte Debatte hervorgerufen. Während Virchow, Kollmann, Garson in ihnen Überreste einer hochentwickelten Affenart erblickten, sprachen sich Martin, Nehring, Keith, Turner für einen niedrig stehenden Menschen aus; Dubois nahm eine Übergangsform an. Und in der Tat vereinigt das Schädelfragment verschiedene menschliche Eigenschaften mit anthropoiden Merkmalen. Man kennt kein zweites Schädeldach, das dem des P. an die Seite zu setzen wäre. Die Zähne machen trotz einiger Merkmale, die man sonst nur am Affengebiß antrifft, einen menschlichen Eindruck. Desgleichen der Oberschenkelknochen, obwohl auch hier einige anthropoide Eigenschaften vorhanden sind. Das Ergebnis der vielen Erörterungen läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Überreste von Trinil mit größter Wahrscheinlichkeit der direkten menschlichen Stammeslinie angehören, allerdings einem Wesen, das auf einer beträchtlich niedrigern Stufe gestanden hat, als irgend eine andre uns bekannte menschliche Form. Auch nach den von Schwalbe am Neandertal- und Pithecanthropusschädel vorgenommenen eingehenden Untersuchungen steht letzterer zwischen ersterm und dem Schädel des Menschenaffen gewissermaßen in der Mitte. Man darf also von einer Übergangsform zwischen Affen und Menschen sprechen, sofern man annimmt, daß der Mensch aus einer niedern Affenform hervorgegangen ist. Vgl. Dubois, P. erectus, eine menschenähnliche Übergangsform auf Java (Batavia 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 914-915.
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