Polizeigerichte

[103] Polizeigerichte hießen ursprünglich die Polizeibehörden, soweit ihnen die Ausübung einer Gerichtsbarkeit über Polizeidelikte zustand. Als aber nach 1848 in Deutschland der Grundsatz sich Bahn brach: »Der Polizei steht keine Strafgerichtsbarkeit zu« (§ 182 der Grundrechte des deutschen Volkes), erhielt sich die Bezeichnung P. in Deutschland vielfach (in Anlehnung an die französischen tribunaux de simple police) für diejenigen Gerichte erster Instanz, die über die leichtesten [103] Delikte, insbes. über die Polizeiübertretungen, zu entscheiden hatten. Solche P. gab es z. B. in Preußen im Gebiete der Strafprozeßordnung von 1867 und in Oldenburg, bestehend aus einem Amtsrichter und zwei Schöffen. In andern Staaten, wo die leichtesten Delikte in erster Instanz durch Einzelrichter abzuurteilen waren, nannte man dieselben dem entsprechend wohl Polizeirichter, so z. B. in Preußen (in den ältern Landesteilen), Hamburg und Bremen. Durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz, § 27, sind an die Stelle dieser P. und Polizeirichter die Schöffengerichte gesetzt worden. – Wenn man in Deutschland früher Gerichte, die über die mittlern Straffälle zu urteilen hatten, in Nachahmung der französischen tribunaux correctionnels »Zuchtpolizeigerichte« (s. d.) nannte, so hatten dieselben mit Polizei und Polizeidelikten, wenigstens in erster Instanz, nichts zu tun.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 103-104.
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